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Wigald Boning
"Ich bin der Musik immer treu geblieben"

Wigald Boning kennen viele hauptsächlich als Comedian. Eigentlich schlägt sein Herz aber für die Musik. Er ist Mitinhaber eines Plattenlabels und hat jetzt sein neues Album "New Wave" rausgebracht. Wie das klingt und wieso er eigentlich noch in der FDP ist, hat er im DLF erklärt.

Wigald Boning im Gespräch mit Susanne Luerweg | 24.11.2014
    Wiegald Boning in der Talksendung "Thadeusz" im Januar 2014.
    Wigald Boning ist zwar vielen vor allem als Comedian bekannt, sein Herz schlägt aber grundsätzlich für die Musik. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Susanne Luerweg: Ein Mann, viele Talente - Wigald Boning, bekannt aus der RTL-Samstag-Nacht-Show, einer von zweien des Musikduos "Die Doofen", Assistent in "Clever - die Wissensshow", Buchautor, Moderator der Improvisationssendung im ZDF "Vier sind das Volk", und zwischendurch, da hat der Mann noch den Bodensee durchschwommen und hält selbst in schlechten Zeiten der FDP die Treue. Und ganz im Sinne des Unternehmertums ist er auch seit einiger Zeit selbst Firmeninhaber, um genauer zu sein, Plattenfirmeninhaber. "Hobbymusik" heißt sein Label, das er zusammen mit Roberto Di Gioia gegründet hat. Bislang haben sie vor allem Musik veröffentlicht, die ihnen Spaß macht, beispielsweise ein Barock-Album, die Vertonung von Bildschlagzeilen im Punkstil oder das Album "Maria Braun", auf dem eine russische Gastsängerin melodisch schön ein Borschtschrezept zum Besten gibt. Der Anspruch von Roberto Di Gioia und Wigald Boning: 100 Alben in 15 Jahren. Gerade ist mit "New Wave" ein neues auf den Markt gekommen und Wigald Boning, den begrüße ich nun am Telefon. Schönen guten Tag!
    Wigald Boning: Ja, guten Tag, ich freue mich!
    Luerweg: Herr Boning, ich weiß jetzt nicht ganz genau: Ist es das zehnte, das zwölfte Album? Ganz richtig durchsteigt man das nicht. Das wievielte ist das "New Wave"?
    Boning: Das zwölfte ist es jetzt.
    Luerweg: Ah ja. Der Name, der ist Programm, "New Wave", "Fly Robin Fly" gibt es darauf gleich in zwei Versionen zu hören. Eine haben wir vor dem Interview vorweg gespielt, und die andere, die heißt "Fly Robbe Fly". Ist das Kunst, kann das weg oder muss man das auch ernstnehmen?
    Boning: Das ist jedem Hörer selber überlassen. Das ist Afrob, also Robbe, unter Freunden nennt man Afrob Robbe, ein Rapper, der uns freundlicherweise diese Abwandlung von "Fly Robin Fly" eingerappt hat. Wir kombinieren ja auf diesen Tonträger all unsere Vorlieben, die wir für die Unterhaltungsmusik der 80er-Jahre speziell gehabt haben, so wie uns die Erinnerung das zumindest jetzt mal dargestellt hat. Manches weicht dann ja doch stark von dem ab, wie sich New Wave in den Achtzigern tatsächlich präsentierte. Also das ist so eine Art Pseudo-Retro, und dadurch aber wieder ganz aktuell, wie wir finden.
    Luerweg: Ja, stimmt. Sie besingen zum Beispiel die NSA, die gab es noch gar nicht in den 80ern.
    Boning: Richtig. Na, das weiß ich gar nicht, vielleicht gab es die wohl.
    Luerweg: Ja, stimmt, gut, wir kannten sie nur noch nicht.
    Boning: Ich meine, es gab noch kein Internet, aber die NSA - kann sein, wir kannten sie nicht, genau.
    "Ich war schon in jungen Jahren Mitglied einer Band"
    Luerweg: Genau. Es gab auch noch kein Burn-out, zumindest nicht als Begriff, besingen Sie aber auch, womöglich ging es uns trotzdem allen auch in den Achtzigern schon schlecht.
    Boning: Stimmt, die Gründe waren andere. Damals nannte man das einfach nur ausgebrannt.
    Luerweg: Ausgebrannt, womöglich. Wie sind Sie denn musikalisch sozialisiert in den 80ern? Was haben Sie gehört? "Talking Heads" werden mal erwähnt, das ist ja schon eher High-End-Achtziger.
    Boning: "Talking Heads", ja. Also in der Unterhaltungsmusik war das dann tatsächlich eher "Talking Heads", das ist die größte Distanz, die ich mich in die Unterhaltungsmusik reingewagt habe. Ansonsten habe ich hauptsächlich Jazz gehört und Klassik auch viel, Barock, Glenn Gould fand ich in den Achtzigern auch sehr toll, da war ich ja Jugendlicher, und vor allen Dingen New Yorker Hardcore-Avantgarde. Das habe ich sehr gerne gehört, John Zorn, Arto Lindsay. Ich habe auch "Einstürzende Naubauten" wahrgenommen, ich war "Spex"-Leser und habe die New Wave, also "Fade to Grey" so etwas, das habe ich erst sehr viel später kennengelernt erst.
    Luerweg: Und Sie waren ein bisschen einsam in den Achtzigern, oder konnten Sie die Musik mit anderen teilen?
    Boning: Oh, die konnte ich teilen, ja. Ich war ja schon in jungen Jahren Mitglied einer Band, die "KIXX" hieß, die auch, als ich noch zur Schule ging, allerhand Tourneen gemacht hat. Da gab so es ein Nest in Oldenburg, in der Stadt, in der ich groß wurde, bestehend unter anderem auch als Lars Rudolph, dem späteren Schauspieler. Der Bruder von Keith Jarrett wohnte lustigerweise in Oldenburg, auch ein Klavierspieler. Es gab Sessions im Jazzclub Alluvium, immer am ersten Freitag des Monats, soweit ich mich erinnere, und bin dort als 13-, 14-Jähriger schon immer alleine hingegangen, um Leute kennenzulernen, mit denen man sich dann musikalisch austauschen konnte. Und das klappte in der Stadt auch durchaus.
    "Bin der Musik ja auch immer treu geblieben"
    Luerweg: Und warum sind Sie dann nicht in erster Linie Musiker geworden, sondern Comedian? Was ist da schiefgelaufen?
    Boning: Da ist wahrscheinlich mangelndes Publikum erst mal dazwischengekommen. Ich habe ja ein paar Platten gemacht, so mit Anfang 20, nachdem der Zivildienst beendet war, ich konnte dann aber schon sehen anhand der Verkaufszahlen, dass es so wahrscheinlich nicht dazu langen würde, später mal auch die Miete eines sehr kleines Appartements zu bezahlen. Ich musste mir noch irgendwas anderes überlegen. Und dann lernte ich den Hamburger Regisseur Horst Königstein kennen, der mich davon überzeugte, dass ich mich doch mal vor eine Kamera stellen sollte. Und das habe ich gemacht - dachte ich, ha, das ist ja eine leichte Arbeit. Und daraus hat sich dann vieles andere auch ergeben. Aber ich bin der Musik ja auch immer treu geblieben, allerdings auch immer mehr nebenberuflich oder gar als Hobbymusiker, worauf ja auch der Titel unserer Schallplattenfirma hindeutet.
    Luerweg: Genau, die heißt "Hobbymusik". Hobby ist auch so ein Achtziger-Wort, oder? Nimmt man eigentlich heute gar nicht mehr.
    Boning: Irgendwie schon, ja, weil heute ja in unserer Gesellschaft heutzutage der Profi so besonders hoch gehandelt wird. Das hängt damit zusammen, dass ja in unserer Gesellschaft nur jemand etwas gilt, der Erfolg im bürgerlichen Sinne vorweisen kann, sprich, also im Fernsehen auftaucht und gute Quoten oder in der Bestsellerliste weit oben ist und so. Dabei kommt ja das Wort Amateur von amare, etwas lieben. Das ist ja eigentlich viel besser, wenn jemand sich einem Gegenstand widmet, weil er in den verliebt ist. Aber das ist im Moment nicht besonders populär. Aber es wird wieder eine Zeit kommen, in der das Pendel zurückschwingt, da bin ich sehr optimistisch.
    "Haben Hobby zum Beruf gemacht"
    Luerweg: Weil Hobbymusiker im klassischen Sinne sind Sie eigentlich gar nicht. Ihr Kollege Roberto Di Gioia, das ist wirklich ein bekannter Produzent, der hat "Notwist" produziert, der hat Max Herre produziert, und Sie haben eben auch schon ein paar schicke Jazzplatten gemacht. Also so richtig unter Hobbymusiker kann man Sie eigentlich nicht einordnen, oder?
    Boning: Nein, aber wir haben unseren Beruf zum Hobby gemacht. Für uns macht es noch mehr Spaß, wenn wir uns zumindest einbilden können, dass wir das alles nur aus der Liebe zur Musik heraus tun.
    Luerweg: Ja, und Sie haben ja den hehren Anspruch, in 15 Jahren 100 Platten zu veröffentlichen. Und stimmt es, dass Sie auch nie länger als zwei Minuten für den Text verwenden wollen?
    Boning: Das war hier in diesem Fall tatsächlich so. Wir fanden das irgendwann spaßig. Uns fiel auf: Je weniger an den Texten herumfeilen, desto mehr Stilblüten gibt es. Und ich habe ein paar amerikanische Freunde, die einfach sehr viel mehr schmunzeln, wenn es schlechtes Englisch ist, weil Pop-Texte in gutem Englisch gibt es ja massenweise.
    Luerweg: Ja, bei "Wave Your Hands" sind Sie wahrscheinlich noch drunter geblieben. Ich glaube, das ist die einzige Textzeile.
    Boning: Ja, doch, wir hatten noch am Anfang mehr. Das haben wir aber alles weggeschält im Laufe der zwei Minuten. Genau wie "Love Eternal", war auch ursprünglich mal ein bisschen mehr Text, den haben wir dann aber wieder weggefeilt.
    Luerweg: Gut, aber der Anspruch, das klappt, 100 Alben in 15 Jahren? Jetzt sind Sie bei Nummer zwölf, müssen Sie ein bisschen sportlich zulegen oder ist das so im Rahmen?
    Boning: Wir sind soweit im Rahmen. Es müssen auch nicht 15, das können auch 20, können von mir aus auch 30 Jahre sein. Ist natürlich dann ein bisschen eine Gesundheitsfrage. Also werden wir noch in der Lage sein, dass alles selber einzusingen? Und wir müssen am Leben bleiben, das ist mal Nummer eins.
    Luerweg: Aber Sie sind ja immerhin Extremsportler. Ich weiß nicht, was die für eine Lebenserwartung haben, vermutlich doch ein bisschen länger, wenn das alles so im Rahmen bleibt?
    Boning: Ich glaube, eher kürzer.
    Luerweg: Ah, kürzer?
    Boning: Aber das macht nichts. Als Extremsportler lernt man ja auch, in so langen Zeiträumen zu denken, und das kann ich hier durchaus anwenden.
    "Charakterlich schnöde, aus der FDP auszutreten"
    Luerweg: Deswegen sind Sie auch immer noch in der FDP, so von wegen extrem und durchhalten?
    Boning: Ja, durchhalten weiß ich gar nicht, ich bin erst mal jetzt sehr skeptisch, ob es in der FDP überhaupt noch irgendjemanden gibt, der Austrittsanträge bearbeiten könnte. Ansonsten wäre das jetzt ja auch charakterlich ausgesprochen schnöde, da auszutreten, wenn man doch weiterhin die Grundfesten der Überzeugung der FDP-Programmatik teilt, also Freiheit, Freiheit, Freiheit. Das ist ja nur eine kleine Sekte, das ist ja auch mehr hobbymäßig.
    Luerweg: Dann passt es ja ganz gut. "Hobbymusik", Ihr Label. Wie sieht es denn aus? Gehen Sie mit "New Wave" auf Tour, kann man das irgendwo mal live sehen? Da haben Sie auch diese schönen Jacken vermutlich an, die wie auf dem Cover.
    Boning: Ja. Also wir werden damit im nächsten Jahr garantiert eine ganze Reihe Konzerte auch machen, aber ein Tour momentan, so richtig das jetzt zehn Tage hintereinander weg - in diesem Jahr nicht mehr.
    Luerweg: Auf dem Cover, da tragen Sie so hübsche Uvex-Jacken, das sind so Lederjacken. Was war eigentlich zuerst da: Die Jacken oder die Musiktexte?
    Boning: Hier die Jacken. Also wir waren zuerst in einem Second-Hand-Geschäft, haben uns diese Jacken zugelegt und suchten dann nach einem Musikstil, der besonders gut zu diesen Jacken passt. Und dann sind wir auf das Konzept von "New Wave" gekommen.
    Luerweg: Also die Musik zur Uvex-Jacke, die gibt es zu hören auf "New Wave", ein neues Album von Wigald Boning und Roberto Di Gioia, alles erschienen auf dem Label der beiden, das da heißt "Hobbymusik". Freitag ist sie rausgekommen, die Platte. Danke schön für das Gespräch, Herr Boning, und viel Spaß mit den weiteren Alben.
    Boning: Danke sehr, schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.