Freitag, 19. April 2024

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"Wild Life"
Das abenteuerliche Leben des Evolutionsbiologen Robert Trivers

Er ist einer der berühmtesten lebenden Evolutionsbiologen. Seine Arbeiten zu Altruismus, Selbsttäuschung und egoistischen Genen haben neue Studienfelder begründet. Ebenso spektakulär wie seine Forschung ist das Leben von Robert Trivers. In "Wild Life" erzählt er von diesen beiden Seiten.

von Lennart Pyritz | 14.04.2016
    Zwei Männer in Kingston, Jamaika, rauchen Marihuana.
    Robert Trivers stürzte sich ins Nachtleben von Kingston und rauchte große Mengen Marihuana. (imago/ZUMA Press)
    Viele Wissenschaftler drehen ihre Runden im universitären Elfenbeinturm: Lesen, Laborarbeit, Seminare und wieder Lesen. In seinem Buch "Wild Life" beweist der berühmte Evolutionsbiologe Robert Trivers, dass es auch abenteuerlicher geht.
    "Ein Wissenschaftler erforscht das Leben und er lebt das Leben – und ich wollte nie, dass das eine das andere aussticht."
    So pendeln die wilden Lebenserinnerungen des 73-Jährigen zwischen den efeuberankten Hörsälen renommierter Universitäten und den verschlungenen Pfaden durch den Dschungel des Lebens. Als Student in Harvard bricht er mit Anfang 20 psychisch zusammen. Immer wieder muss er im Lauf seines Lebens wegen einer bipolaren Störung in Behandlung. Und immer wieder zieht es ihn als Forscher in die Wildnis – zu Affen in Indien oder auf Bäumen lebenden Echsen auf Jamaika.
    Bahnbrechende Theorien zu großen Fragen des Lebens
    "Die Evolutionsbiologie hat mich durch die ganze Welt geführt. Und sie hat mir gezeigt, wie ich dabei aus den Erfahrungen Erkenntnis schäle – immer geleitet von einer großen Frage: (…) Wie lässt es sich unter diesen Umständen am besten überleben und fortpflanzen?"
    Aus seinen Erkenntnissen formuliert Trivers als Wissenschaftler in Harvard und an der Universität von Kalifornien bahnbrechende Theorien zu großen Fragen des Lebens: Warum helfen sich auch Nicht-Verwandte gegenseitig? Warum sind Weibchen und Männchen unterschiedlich anspruchsvoll bei der Partnersuche? Weshalb verlangen Nachkommen mehr, als ihre Eltern geben?
    Auf der Suche nach Antworten wird Jamaika zu Trivers zweiter Heimat. Insgesamt fünf Kinder zeugt er mit jamaikanischen Ehefrauen. Gleichzeitig stürzt er sich ins Nachtleben von Kingston, raucht große Mengen Marihuana, sympathisiert mit der revolutionären Bewegung der Black Panther in Kalifornien und muss zeitweilig hinter Gitter.
    "Neben der Religion war Geld die zweitnützlichste Sache im Gefängnis. Solange es Dir nicht von einem Mithäftling abgenommen wurde, konntest Du davon Telefonanrufe, Essen und Zigaretten bezahlen."
    Das Leben hat viel mehr zu bieten als graue Theorie
    Trivers ist auch berühmt dafür, den Selbstbetrug als wichtiges Element im Leben von Mensch und Tier beschrieben zu haben. Die Theorie: Nur wenn man selbst ein bisschen an verdrehte Tatsachen glaubt, lassen sich auch andere vom Falschen überzeugen. Wie auch an anderer Stelle im Buch beobachtet sich Trivers dabei selbst von außen, gleichsam als sein eigenes Forschungsobjekt.
    "'Du Selbstbetrüger' sagte meine erste Frau spöttisch lächelnd. 'Du sprichst so viel vom Eltern-Kind-Konflikt, doch Du vernachlässigst deinen eigenen Sohn.' Schuldig im Sinne der Anklage. Zu viel Ehrgeiz und zu wenig Gedanken an meine Familie."
    "Wild Life" ist ein Buch für alle, die erfahren wollen, unter welchen Umständen ein Fremder ihnen hilft, und wie es sich als experimentierfreudiger Forscher auf Jamaika lebt.
    Als biologische Wesen tragen wir ständig Konflikte in unterschiedlichen Konstellationen aus: Kind-Eltern, Frau-Mann, Betrug-Selbstbetrug. Das Leben hat viel mehr zu bieten als graue Theorie.
    Das Buch ist ein Lesegenuss für Biologie-Interessierte, die den Dunst von Marijuana nicht scheuen und die Lust haben ein Buch auf Englisch zu lesen.