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"Wilders gibt eine einfache Antwort"

Der Erfolg des niederländischen Politikers Geert Wilders beruht laut Hanco Jürgens darauf, dass er emotionale Antworten gibt. Die Wähler der rechtspopulistischen Partei von Wilders machten allein Migranten für die Kriminalität in den Städten verantwortlich.

Hanco Jürgens im Gespräch mit Friedbert Meurer | 04.03.2010
    Friedbert Meurer: Geert Wilders gilt als Populist und Islamhasser in den Niederlanden. Geert Wilders will Moscheen schließen in den Niederlanden und den Koran verbieten. Den vergleicht er nämlich mit Adolf Hitlers "Mein Kampf". Jetzt hat Geert Wilders mit seiner Partei PVV die Kommunalwahlen gewonnen, jedenfalls in zwei Städten, und in mehr Städten ist er auch gar nicht angetreten. Die eine Stadt war Almere, das ist eine Retortenstadt in der Nähe von Amsterdam mit einem hohen Anteil von Migranten. Hier ist seine Partei auf Platz Eins gelandet. Und in Den Haag – dort sitzt ja immerhin die niederländische Regierung – landete seine Partei auf dem zweiten Platz, nur knapp hinter den Sozialdemokraten. Jetzt bläst Wilders zum Sturm auf das Parlament, am 9. Juni sind ja Parlamentsneuwahlen. Was ist passiert in den Niederlanden, dass es eine so neue erfolgreiche Partei wie die PVV gibt? – In Amsterdam begrüße ich Hanco Jürgens, Historiker am Deutschland-Institut der Universität Amsterdam. Guten Tag, Herr Jürgens.

    Hanco Jürgens: Guten Tag!

    Meurer: Für uns war die Niederlande immer ein liberales Land. Was ist in Ihrem Land passiert, dass diese Partei PVV so erfolgreich geworden ist?

    Jürgens: Für mich ist es eigentlich auch noch immer ein liberales Land. Was ist passiert? – Das Merkwürdige ist eigentlich, dass Geert Wilders als rechtsextrem weggesetzt wird, aber er selber beruft sich auf die Freiheit, Freiheit von Werten, von niederländischen Werten, wofür eigentlich in den 60er-Jahren schon gestritten wurde, wie Emanzipation, Homo-Emanzipation und so weiter, und die Freiheit, die wird bedroht durch Muslime. Das ist eigentlich seine Erzählung sozusagen.

    Meurer: Aber seine Wähler sind ja vermutlich nicht diejenigen, die für Emanzipation und Freiheit stehen, oder?

    Jürgens: Entschuldigung, ich höre Sie schlecht.

    Meurer: Wer sind die Wähler von Geert Wilders?

    Jürgens: Das sind eigentlich Leute, die sich bedroht fühlen, die vor allem über die Sicherheit und Kriminalität in den Niederlanden besorgt sind, und teilweise denken sie, dass die Marokkaner die Schuld haben für dieses Problem. Das ist eigentlich eine Emotion, worauf Wilders anspielt, und das macht er ziemlich erfolgreich. Es hat eine Umfrage in den Niederlanden gegeben und da haben viele Leute gesagt, ach ja, mir geht es gut, aber den Niederlanden geht es ganz schlecht, und das ist ein Gefühl, was hier lebt, und da müssen eigentlich alle politischen Parteien eine Antwort geben. Wilders gibt eine einfache Antwort, die in den Städten, muss man sagen, wie Almere und Den Haag – in dem Sinne muss man diesen Wahlerfolg auch ein bisschen relativieren – gerne gehört wird.

    Meurer: Wenn Sie sagen, die Empfehlung, das zu relativieren, meinen Sie also, bei den Parlamentswahlen wird die PVV so erfolgreich nicht sein?

    Jürgens: Das ist die Frage, weil eigentlich könnte man sagen, dass es seit Pim Fortuyn eine Gruppe von, ich sage mal, 16 Prozent gibt, die diese, ich würde nicht sagen rechtsextremistische Partei, aber populistische Partei wählen. Erst war es Pim Fortuyn, aber jetzt ist es Geert Wilders. Zwischendurch haben wir noch Rita Verdonk gehabt. Sie war ziemlich erfolgreich, aber hat sich jetzt sehr schlecht postiert in den Kommunalwahlen.

    Meurer: Halten Sie es für möglich, dass Jan Peter Balkenende sich mit Hilfe von Wilders zum Ministerpräsidenten wählen lässt?

    Jürgens: Ich denke es nicht, nein. Obwohl: Wir haben es schon vorher gehabt, dass nachdem Pim Fortuyn ermordet war, die Liste Pim Fortuyn in der Regierung Platz genommen hat, und das hat großen Ärger gegeben und diese Partei hat eigentlich auch viel gestritten untereinander und diese Partei war dann auch sehr schnell weg und ist jetzt auch auflöst. Das könnte auch so sein mit Geert Wilders, aber da heißt es abwarten, weil jetzt hat er wirklich so eine Art Antipartei. Es gibt jetzt auch eine große Streitkultur, während in den 90er-Jahren es wirklich eine Konsenskultur gab, dass man in den niederländischen Poldern eigentlich miteinander einverstanden war. Jetzt streiten wir untereinander sehr viel und wenn Wilders und die PVV regierungsverantwortlich ist, dann könnte es sein, dass sie auch wieder untereinander streiten. Dann denke ich, dass es vielleicht nicht so erfolgreich sein wird wie gedacht.

    Meurer: Zum Erfolg der PVV von Geert Wilders bei den Kommunalwahlen in den Niederlanden sprach ich mit Hanco Jürgens, Historiker am Deutschland-Institut der Universität Amsterdam. Herr Jürgens, schönen Dank und auf Wiederhören nach Amsterdam.

    Jürgens: Ja. Bitte sehr!