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Wildkatzen in Norddeutschland
Rückkehr auf leisen Sohlen

Die europäische Wildkatze steht schon lange auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. In vielen Teilen Deutschlands war sie bereits ausgestorben. Doch der Bestand erholt sich: In Norddeutschland vermutet man bis zu 7.000 kleine Raubkatzen. Die genaue Zahl der Tiere versuchen Umweltschützer zu ermitteln.

Von Ulrike Kessel | 09.03.2018
    Europaeische Wildkatze (Felis silvestris silvestris), Kaetzchen schaut hinter einem Baumstumpf hervor, Deutschland
    Noch ist die europäische Wildkatzen selten in heimischen Wäldern anzutreffen. Doch Biologen, Förster und Naturschützer sind optimistisch, dass sich das ändern könnte (imago stock&people)
    Noch sind sie in den niedersächsischen Wäldern eher selten zu hören – die europäischen Wildkatzen. Doch Biologen, Förster und Naturschützer sind optimistisch, dass die scheuen und streng geschützten Tiere auch im Norden Deutschlands wieder heimisch werden. Erst kürzlich entdeckten Wissenschaftler in der Lüneburger Heide Spuren der kleinen Raubkatzen.
    Es ist der nördlichste Wildkatzen-Nachweis in ganz Deutschland, schwärmt Biologin Andrea Krug vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Niedersachsen. Und es gab weitere Hinweise. In einem benachbarten Landkreis:
    "Wir vermuten, dass die Wildkatzen in Lüchow Danneberg auch schon sind - verschiedene Sichtungen haben uns gemeldet, dass hier eventuell welche wären. Aber wir haben noch keinen Nachweis"
    Großflächig angelegtes Monitoring
    Den wollen die Experten jetzt bekommen. Der Landkreis Lüchow Dannenberg ist mit etwa 50.000 Einwohnern der kleinste Deutschlands und einer der am dünnsten besiedelten Landkreise der alten Bundesländer. Die ausgedehnten Wälder der Göhrde wären ein prima Revier für den scheuen Jäger:
    "Für die Wildkatze ist es ein wunderbares Revier, wenn sie sich verstecken kann, wo sie ihre Jungtiere großziehen kann, das ist für sie ideal. Und in so einem Wald, Eichen-Buchenmischwald ist es perfekt"
    In sieben Forstrevieren des Kreises Lüchow-Dannenberg sind die Wildkatzenforscher des BUND zur Zeit unterwegs. Ein großflächig angelegtes Monitoring - also eine Bestandsaufnahme - soll herausfinden, ob und wo sich möglicherweise Wildkatzen aufhalten. Dazu greifen die Wissenschaftler zu einem Trick. Ein rauer, mit Baldrian besprühter Holzpflock soll die Katzen magisch anlocken:
    "Also das riecht wie ein Hormon, wie ein Sexualhormon, was sie so anziehend macht. Es ist ja gerade Paarungszeit von den Wildkatzen und deswegen sind gerade die männlichen Katzen dafür sehr empfänglich und riechen das auf hunderte Meter. Die Katze schmust richtig mit dem Stab. Wenn sie da angelockt wird. Deswegen schön fest, damit er nicht umkippt."
    Streift ein Kater durch das Revier, zieht der Baldrianduft das Tier an. Der Duft ist so betörend, sagt Krug, dass sich der paarungswillige Kater intensiv an dem Holzstock reibt. Und weil der Stab sehr rau ist, hofft die Biologin, dass viele Haare in den Holzfasern hängen bleiben. Einmal wöchentlich kontrollieren ehrenamtliche Helfern die Stäbe. Sind Haare daran, werden sie für genetische Analysen an das Forschungsinstitut Senckenberg in Gelnhausen bei Frankfurt geschickt.
    Petra Dittberner ist eine der vielen ehrenamtlichen Helfer, die die Lockstäbe im Kreis Lüchow-Dannenberg regelmäßig überprüft. Nach jeder Kontrolle muss der Stab wieder "frisch" gemacht – von menschlicher DNA befreit und anschließend erneut mit Baldrian eingesprüht werden:
    "Ich gehe jetzt ein paar Mal mit der Flamme an dem Stab entlang und dann denke ich ist das okay. Das hat ja schon eine ganz schöne Temperatur. Und dann kommt der Baldrian"
    Wildkatzen benötigen vor allem Wanderkorridore
    In Niedersachsen werden aktuell sechs Landkreise von den Wildkatzenexperten untersucht. Petra Dittberner betreut einige von knapp siebzig Lockstäben im Kreisgebiet. Alle stehen in einem Mindestabstand von rund einem Kilometer, sagt Biologin Andrea Krug:
    "Wir haben über den ganzen Landkreis ein Raster gelegt. Mit Quadranten, die 10x10 Quadratkilometer sind und in so einem Quadranten sollen 10 Stöcke stehen, die mindestens einen Kilometer auseinander stehen"
    Wie viele der vom Aussterben bedrohten, kleinen Raubkatzen mittlerweile wieder in Niedersachsen leben, ist nicht bekannt. Im Harz werden 500 Tiere vermutet, im Solling im Weserbergland ungefähr 160. Um dauerhaft überleben zu können brauchen die Katzen nicht nur Wälder in denen sie ihre Jungen aufziehen können. Sie brauchen auch sogenannte Wanderkorridore, um von einem Wald zum nächsten zu gelangen.
    Das Monitoring der Wissenschaftler soll helfen, einen Überblick über die Situation der Wildkatzen in Niedersachsen zu bekommen. In einem nächsten Schritt ausreichend Wanderkorridore zu schaffen. Und dann, so hoffen die engagierten Tierschützer, wird der Ruf der scheuen Wildkatzen auch wieder öfter in den niedersächsischen Wäldern zu hören sein.