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Wildschweinpest im Rheinland

Die Schweinepest ist einer der Gründe dafür, dass Zucht- und Mastschweine in der Massentierhaltung strikt von ihrer Umwelt abgeschottet werden. Anders in der Bio-Landwirtschaft und bei manchen kleineren Schweinehaltern. Sie schicken ihre Tiere nach wie vor ins Freie - und setzen sie damit einem Ansteckungsrisiko aus. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen will sie jetzt davon abbringen.

Von Christoph Gehring | 22.04.2009
    Ein kleiner Bauernhof im Bergischen Land, eine halbe Stunde von Köln entfernt. Hier züchtet Achim Reinartz in offenen Ställen und auf der Weide die alte, seltene Rasse der Wollschweine. Noch dürfen die Zuchtsau Sissi und ihre Ferkel an die frische Luft, wann immer sie wollen, aber der Bauernhof von Achim Reinartz steht unter Beobachtung: Denn allmählich rückt die Wildschweinpest näher - und bedroht die Freilandhaltung seiner Schweine:

    "Es ist also so, dass diese Wildschweinpest ausgebrochen ist in Rheinland-Pfalz, nördliches Rheinland-Pfalz und südliches Nordrhein-Westfalen. Von dort aus sind also sogenannte Gefahrenbezirke ausgewiesen worden. In diesen Gefahrenbezirken dürfen Schweine nicht mehr raus - es gilt Aufstallpflicht."

    Wo die Aufstallpflicht gilt, kommen vor allem die kleinen Landwirte, die sich dem ökologischen Wirtschaften verschrieben haben, in Bedrängnis.

    "Es ist für jedes Schwein, was Auslaufhaltung kennt, ein ganz enormer Stress, die dann in den Stall zu sperren."

    Und es widerspricht den Regeln des Ökolandbaus, nach denen Höfe wie der von Achim Reinartz zertifiziert sind. Aber in Nordrhein-Westfalen möchte man keinerlei Risiko eingehen: Ein Überspringen der Seuche von den Wildschweinen auf einen Hausschweinbestand könnte schnell dazu führen, dass die EU den Handel mit Schweinen und Schweinefleisch aus Nordrhein-Westfalen untersagt, um eine weiträumige Verbreitung des Virus' zu verhindern. Den Biobauern könnte das prinzipiell egal sein, denn sie exportieren ihre Tiere nicht nach Frankreich, Spanien oder Österreich, sondern bedienen vor allem Kunden im Nahbereich.

    Aber für die Fleischgroßindustrie, deren Turbomastschweineproduktion ein bedeutsamer Wirtschaftsbereich ist, würde so ein Exportverbot Millionenverluste bedeuten. Deswegen möchte das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium kleine Schweinezüchter in den Gefahrenbezirken, die auf der Auslaufhaltung ihrer Tiere bestehen, dazu bringen, ihre Bestände aufzulösen.

    Denn Schweine, die es nicht gibt, können sich auch nicht mit der Seuche infizieren. 60 Euro pro Tier will die Landesregierung in Düsseldorf den Biolandwirten in den Schweinepestgebieten zahlen, wenn sie alle ihre Tiere schlachten und verwerten und dann die Schweinezucht aufgeben. In Rheinland-Pfalz, wo die aktuelle Seuche ihren Ausgang nahm, wo die Schweinezucht aber kein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist, sind solche drastischen Maßnahmen nicht vorgesehen:

    "In Rheinland-Pfalz kann die Freilandhaltung weiterhin betrieben werden. Voraussetzung ist eben, dass diese Freilandhaltung wirklich gut abgesichert wird", "

    sagt Brigitte Straubinger, Tierseuchenreferentin im Umweltministerium. Gut abgesichert heißt: Die Auslaufflächen der Hausschweine müssen mit doppelten Zäunen und einem sogenannten "Untergrabschutz" so gesichert sein, dass Wildschweine nicht eindringen können. Außerdem wird die Seuche in allen Gefahrenbezirken zwischen Bad Neuenahr und Remscheid an der Quelle bekämpft - bei den Wildschweinen. Die werden geimpft und gejagt:

    ""Wesentlicher Faktor ist die Bejagung eben vor allem der empfänglichen Wildschweine, der Hauptvirusträger, das sind insbesondere die Frischlinge und die Überläufer, also die Kleinen, die in dem Jahr oder im Vorjahr geboren wurden."

    Für den Menschen ist die Schweinepest übrigens ungefährlich - eine Ansteckung ist schlicht nicht möglich. Die strengen Seuchenmaßnahmen der Behörden haben vor allem damit zu tun, dass das Schweinepestvirus hoch ansteckend und sehr langlebig ist und die Seuche in größeren Beständen auch auf Umwegen noch zum Tod vieler Tiere führen kann, erklärt Brigitte Straubinger:

    "Nicht alles Fleisch wird erhitzt, es gibt eine ganze Menge von Lebensmitteln, die ohne Erhitzung zubereitet werden, zum Beispiel die Salami. Und wenn die Salami dann am Ende wieder im Schweinetrog landet, die Salami, die nicht gegessen worden ist, infizieren sich dort dann die Hausschweine und die Seuche breitet sich weiter aus."