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Wilfried Scharnagl
"Der erste Leistungsträger der CSU ist zurzeit Horst Seehofer"

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer mischt derzeit wieder die Debatte um seine Nachfolge auf. Der ehemalige Chefredakteur des "Bayernkurier", Wilfried Scharnagl, glaubt, dass der CSU-Parteichef auch nach 2018 beide Funktionen behalte.

Wilfried Scharnagl im Gespräch mit Christine Heuer | 17.10.2016
    Der CSU-Politiker Wilfried Scharnagl.
    Der CSU-Politiker Wilfried Scharnagl. (dpa / Michael Kappeler)
    Christine Heuer: Ein Hund ist er schon, der Seehofer Horst. Über die "Bild am Sonntag" hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende eine in solchen Fällen immer sehr stark interessierte Öffentlichkeit wissen lassen, dass er gern eines der beiden Ämter loswerden möchte - mindestens. Er könne nicht immer den Libero machen, deshalb plädiert Seehofer plötzlich für eine Trennung der Ämter, die er gerade innehat. Wer künftig CSU-Vorsitzender sein will, der muss dann wohl auch in Berlin eine wichtige Rolle spielen. Ministerpräsident muss dann jemand anders sein. Das zielt dann wohl auf Markus Söder ab, der Seehofer gern in beiden Ämtern beerben würde und auf keinen Fall in die Bundespolitik wechseln möchte.
    In München begrüße ich Wilfried Scharnagl. Er hat bestimmt auch die Franz Josef Strauß Medaille und er war langjähriger Chefredakteur beim "Bayernkurier". Guten Tag, Herr Scharnagl.
    "Ich glaube, dass Horst Seehofer niemand ärgern will"
    Wilfried Scharnagl: Hallo! Grüß Gott! - Schauen Sie, ich muss gleich den Beitrag korrigieren. Es gibt keine Franz Josef Strauß Medaille. Viktor Orbán hat wie viele andere, beispielsweise wie der amerikanische Präsident oder wie Bundespräsident Herzog und andere, den Franz Josef Strauß Preis der Hans-Seidel-Stiftung bekommen. Darum bin ich verwundert, dass ich das jetzt höre.
    Gut: Dass ich es Rindelsbacher höre, wundert mich nicht, weil der ja nichts weiß. Das ist ja notorisch. Darum ist er ja auch der Vorsitzende einer 18 Prozent Partei oder der Fraktionsvorsitzende. Aber das möchte ich doch schon Ihren Hörern sagen, dass es die silberne und die goldene Franz Josef Strauß Medaille, von der hier gerade so wohlgefällig die Rede war, nicht gibt. - Okay!
    Heuer: Herr Scharnagl, aber dann müsste sie ja geradezu erfunden werden. - Ich möchte aber jetzt mit Ihnen über die möglichen Motive von Horst Seehofer sprechen. Will der nur den Söder ärgern, oder ist das, was wir da in der "Bild am Sonntag" lesen konnten, ein ernst gemeinter Vorschlag?
    Scharnagl: Ich glaube, dass unser Parteivorsitzender und Ministerpräsident Horst Seehofer niemand ärgern will. Der Mann findet keinen Schlaf aus Sorge, wie es in Deutschland weitergehen soll, wie es vor allem weitergehen soll mit der Union und damit mit der CDU, damit wir bei der nächsten Bundestagswahl so ordentlich abschneiden, dass gegen die Union und ohne die Union in Deutschland nicht regiert werden wird. Das ist das einzige Thema, das Seehofer umtreibt, und nicht irgendwelche Personalien.
    "Er trägt die größte Last"
    Heuer: Und da hat er sich als Lösung überlegt, CSU-Vorsitzender will er nicht mehr sein, sondern Markus Söder, den ungeliebten Finanzminister und möglichen Nachfolger, nach Berlin expedieren?
    Scharnagl: Nun kann ich nur sagen, das Thema, ob ein CSU-Politiker gleichzeitig Vorsitzender der Partei und gleichzeitig bayerischer Ministerpräsident sein soll oder nicht, da kann ich nur sagen, aus der Geschichte der CSU, die ja übrigens demnächst im nächsten Jahr 60 Jahre lang den Ministerpräsidenten in Bayern gestellt haben wird, eine Situation, von der man in anderen Ländern bei anderen Parteien ja nur träumen kann, da gab es alle Varianten. Da gab es die Variante der Vereinigung der beiden Ämter, es gab die Variante der Trennung der beiden Ämter. Das ist natürlich auch eine Frage, welches politische Angebot da ist. Wenn ich an die langen Jahre denke, Strauß Parteivorsitzender, Goppel Ministerpräsident, hat hervorragend funktioniert.
    Heuer: Entschuldigung, Herr Scharnagl, weil wir nicht so viel Zeit haben. Da gehe ich sofort rein und sage, Huber-Beckstein hat aber nicht funktioniert.
    Scharnagl: Ja das hat aber nichts damit zu tun. Das war auch getrennt und hat trotzdem nicht funktioniert. Ich sage ja, es war auch eine Periode, die leider nicht funktioniert hat. Die war auch sehr kurz. Dann kam die Vereinigung. Aber es hat ja funktioniert die Trennung unter Waigel, wenn Sie so wollen, und Stoiber. Da hat es auch funktioniert.
    Heuer: Ihnen wäre es egal? Kann so oder so ausgehen?
    Scharnagl: Egal ist es nicht. Aber wenn es passt? - Seehofer hat als Parteivorsitzender die größte Verantwortung und er trägt die größte Last und er steht unter der Erwartung, die ich immer von Strauß gehört habe, Franz Josef, Du musst alles durchsetzen in Bonn, aber Du darfst nicht streiten. Das ist so eine Lebenserfahrung, die jetzt auch plötzlich der Horst Seehofer macht, dass es so ist. Er ist überzeugt davon, dass der Weg, den Frau Merkel in der entscheidenden Flüchtlingsfrage eingeschlagen hat, falsch ist. Eine große Kanzlerin hat einen großen Fehler.
    "Die CSU braucht jeden, der leistungsfähig ist"
    Heuer: Herr Scharnagl, das können wir jetzt nicht besprechen, weil wir haben nicht so viel Zeit. Lassen Sie mich bitte noch eine Frage stellen. Markus Söder hat gesagt, es kommt auf Personen an. Dann frage ich Sie: Wer ist denn für die CSU wichtiger, Seehofer oder Söder?
    Scharnagl: Wir brauchen alle. Die CSU braucht jeden, der leistungsfähig ist und der Leistungsträger ist. Aber der erste Leistungsträger der CSU ist zurzeit und wohl auch noch geraume Zeit Horst Seehofer. Er ist Parteivorsitzender, er ist Ministerpräsident.
    Heuer: Ist es denn vorstellbar, dass Horst Seehofer vielleicht sagt, okay, ich bleibe CSU-Vorsitzender und gehe nach Berlin, und dann soll halt der Markus Söder, wenn er unbedingt mag, bayerischer Ministerpräsident werden? Oder jemand anders?
    Scharnagl: Ich kann nur sagen, es haben in der Geschichte der CSU - das gilt auch für Strauß - bayerische Ministerpräsidenten, die gleichzeitig CSU-Vorsitzender waren, nicht nur einmal die Liste der CSU für die Bundestagswahl angeführt und haben sich dann hinterher gesagt, jetzt schauen wir die politische Lage an, wie sie sich entwickelt, und haben gesagt, jetzt bleibe ich, weil es gut ausgegangen ist in Berlin in diesem Fall, kann ich in München bleiben. Auch das ist eine Variante.
    "Er ist intellektuell auf der Höhe seiner Leistungskraft"
    Heuer: Dass Seehofer Ministerpräsident bleibt und dann vielleicht Joachim Herrmann als CSU-Vorsitzender in Berlin spielt?
    Scharnagl: Nein, dass Seehofer Ministerpräsident und Parteivorsitzender bleibt. Das meine ich.
    Heuer: Das glauben Sie auch nach 2018 noch?
    Scharnagl: Man soll der Gnade Gottes keine Grenzen setzen. Ich habe den Eindruck, er ist gut im Schuss, er ist kampffähig, er ist intellektuell auf der Höhe seiner Leistungskraft, politisch angesehen im Land, alle mögen ihn, wenn man denkt, das ist für einen bayerischen CSU-Vorsitzenden ganz ungewöhnlich. In der Beliebtheit in der Bundesrepublik steht er so hoch da wie kaum je ein CSU-Vorsitzender vor ihm, weil er Dinge verkörpert, er ist ein Hoffnungswert der Union insgesamt auch für viele CDU-Anhänger. Was soll ich da heute schon Prophezeiungen machen, wie es ausgeht. Man wird ihn brauchen und ich glaube, die Lage ist so ernst für die Union insgesamt und für die CDU. Ich will ja nicht auf die letzten Wahlen zurückkommen oder so. Das sind ja Untergangsszenarien.
    Heuer: Dass, Herr Scharnagl, Horst Seehofer aus Ihrer Sicht unverzichtbar ist - das war ein Gespräch mit Wilfried Scharnagl, dem ehemaligen Chefredakteur des "Bayernkurier". Vielen Dank dafür.
    Scharnagl: Okay! Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.