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Willkommenskultur
Restaurants bekochen Flüchtlinge

In Bonn Bad Godesberg werden Flüchtlinge regelmäßig zum Essen eingeladen. In wechselnden Restaurants des Stadtteils lernen die Asylsuchenden nicht nur deutsche Speisen kennen, sondern auch die einheimischen Menschen. "Good Godesberg" lautet der Name der Bürgerinitiative.

Von Sofie Czilwik | 01.04.2015
    Das kleine Burger-Restaurant ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Kinder, Jugendliche und Erwachsene drängen sich an den Holztischen. An den Decken baumeln kunstvoll Glühbirnen aus großen Einmachgläsern. Auf den Tischen stecken Tulpen in hübschen Fläschchen mit Bügelverschluss. Bis ins letzte Detail spiegelt die Einrichtung das Konzept des hippen Restaurants wider: Bio, regional und nachhaltig. "Godesburger" steht in verschnörkelter Schrift auf der Speisekarte. Schlägt man sie auf, steht da: Preiselbert, das süße Leben oder Grillkirsche. Alles Burger mit Fleisch aus artgerechter Tierhaltung in Brötchen vom Bäcker nebenan.
    Der Kosovare Muhamet Llumica schaut auf seinen Teller: Darauf ist ein saftiger Burger, mit Pommes und Salat. Burger im Kosovo oder in Deutschland? Einen großen Unterschied gibt es für den 24-jährigen da nicht:
    "Im Kosovo schmeckt der Burger und hier schmeckt er auch. Es sind einfach Burger, Burger sind universal!"
    Der schlanke Mann schaut sich fragend um. Wieso er heute umsonst einen Burger bekommt, weiß er nicht. Im Asylbewerberheim wurde ihm gesagt, er und 27 andere sollen ins Restaurant kommen, um dort zu essen. Llumica ist hier, weil Simone Stein-Lücke eine Initiative ins Leben gerufen hat.
    "Sie kennen die Aktion? Einmal im Monat laden Bad Godesberger Restaurants Flüchtlinge zum Essen ein. Und das ist heute das erste Mal."
    "Ein Musterbeispiel an Willkommenskultur"
    Einmal im Monat sollen Restaurants die in Bonn wohnenden Flüchtlinge aus Syrien, Serbien oder dem Kosovo bekochen, um Solidarität zu zeigen, erklärt Simone Stein-Lücke:
    "Die Aktion Good Godesberg ist ein Musterbeispiel an Willkommenskultur. Das liegt mir am Herzen, einfach mit wenig Tamtam zu zeigen, so kann das gehen, Gastfreundschaft."
    Wie man ein Konzept erfolgreich umsetzt, weiß die 46-Jährige: Hauptberuflich leitet die ehrenamtliche Bürgermeisterin von Bonn Bad Godesberg eine PR-Agentur. Dass die Restaurants die Asylbewerber einladen, ist auch eine gute Werbung für die Gastronomen selbst, wie sie findet, und ...
    "... nicht zu vergessen, sie bekommen eine Auszeichnungsplakette dafür. Wir haben extra ein Good-Godesberg-Logo entworfen, das zeigt, wir sind dabei oder ich bin dabei."
    Auf der Auszeichnungsplakette ist eine Burg zu sehen, darunter steht in roter Farbe: Good Godesberg.
    Gerhard Wolf, der Geschäftsführer des Burgerladens, ist nicht nur den Flüchtlingen gegenüber sozial eingestellt. In seinem Restaurant arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Von dem Projekt für die Flüchtlinge war er direkt begeistert.
    "Wir haben sofort zugesagt, klar! Wir arbeiten mit Benachteiligten. Wir haben einfach sehr viel Verständnis mit Benachteiligung in der Gesellschaft und Flüchtlingen, die aufgrund sehr schwerer Umstände aus ihren Heimatländern hier herkommen müssen, um ihr Leben zu retten. Und da ist es einfach mal gut, was Gutes zu tun."
    Tu Gutes und sprich darüber! Um die 300 Euro kostet das Restaurant die Einladung insgesamt. Stein-Lücke möchte vor allem in Zeiten von Pegida als gutes Beispiel vorangehen und Bonn, der Stadt der Vereinten Nationen, alle Ehre machen. Ihre Aktion soll in ganz Deutschland Nachahmer finden. In Bonn haben sich schon vier weitere Restaurants gemeldet, die die Asylsuchenden als nächstes einladen.
    "Das Essen im Camp ist immer das gleiche!"
    Im Camp, wie Muhamet Llumica das Übergangsheim nennt, teilen sich bis zu 200 Menschen eine Küche. Deshalb ist für Llumica und die anderen die Einladung ins Burger-Restaurant eine Abwechslung.Doch auch an diesem Nachmittag drehen sich die Gespräche an den Tischen um die unsichere Situation, in der sich die Asylsuchenden gerade befinden. Sowohl die siebenköpfige Familie aus Serbien, die an dem Tisch neben Llumica sitzt, als auch das junge Paar aus Syrien mit ihrem Baby wissen, dass sie nur wenige Wochen in Bonn bleiben, wo es danach hingeht allerdings nicht.
    Auch Llumica aus dem Kosovo:
    "Jeden Tag geh ich ins Büro und frage: Gibt es irgendwas Neues über meinen Transfer, und sie sagen mir, wir können das nicht entscheiden."
    Der Tumult um ihn herum bringt Llumica nicht aus der Ruhe. Er spricht leise und bedacht. Beim Reden schweift sein Blick immer wieder durch den Raum.
    "Mein Traum ist es, hier zu Leben. Ich habe eine Aufenthaltserlaubnis für drei Monate und jeden Tag wenn ich aufwache, denke ich, die Tage gehen vorbei und die drei Monate sind auch bald vorbei."
    Während der junge Mann erzählt, werden die ersten Tische abgeräumt. Die anderen brechen auf, aber Llumica bleibt noch ein bisschen nachdenklich vor seinem leeren Teller sitzen. Auch Bürgermeisterin Stein-Lücke ist nicht mehr da. Was bleibt ist die gelbe Plakette mit dem Good-Godesberg-Logo, die gut sichtbar an der Scheibe klebt.