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Wind als Helfer

Umwelt. - An der leckgeschlagenen Gasförderplattform Elgin in der Nordsee wird eine Explosion befürchtet. Der französische Energieriese Total hat Löschschiffe an den Rand der Sicherheitszone beordert, sagte ein Unternehmenssprecher. Auf der Plattform wird weiterhin Gas abgefackelt, während sich darunter eine Gaswolke bildet. Die Wissenschaftsjournalistin Dagmar Röhrlich berichtet im Gespräch mit Uli Blumenthal über die jüngsten Entwicklungen.

Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Uli Blumenthal | 29.03.2012
    Blumenthal: Dagmar Röhrlich, Kollegin und Autorin für solche Art von Katastrophen, eine Fackel und eine Gaswolke, warum ist da noch nicht zu einer Explosion gekommen?

    Röhrlich: Weil der Wind zurzeit noch die Probleme löst. Er steht also so, dass es weggetrieben wird von dieser Fackel und sich dort keine große Gaswolke bilden kann. Es bleibt alles in Wassernähe. Sobald es windstill wird, ist die Situation plötzlich anders. Dann kann eine Gaswolke entstehen, die dann so konzentriert ist, dass es auch zur Explosion kommen kann. Ja, und dann kann man nur noch hoffen, dass es nicht passiert. Die Fackel brennt, sie ist brennen gelassen worden nach dem Verlassen der Insel. Die einen sagen: Aus Absicht. Die anderen sagen: Man hat sie vergessen. Man könnte sie vielleicht mit einem Löschboot löschen, aber ob das möglich ist über die Distanz - die Löschboote müssen großen Abstand halten - ist unklar. Das ist ein Problem.

    Blumenthal: Ist das eine Fackel, die gespeist wird aus der Leck geschlagenen Bohrung, oder woher kommt das Gas, das da abgebrannt wird?

    Röhrlich: Ja, eine solche Bohrplattform, da ist nicht nur eine Bohrung, aus der dann heraus gefördert wird, sondern da sind verschiedene Bohrungen, aus denen gefördert wird. Und die anderen, da fließt anscheinend noch Gas raus. Man hat sie zwar geschlossen, die Plattform heruntergefahren, aber anscheinend gibt es da noch Wege für das Gas.

    Blumenthal: Was ist denn eigentlich das Problem, wenn man jetzt fragt: Warum bringt man dieses Gas, das aus dem Leck strömt, nicht einfach zur Explosion und hat eigentlich eine einzige riesige Fackel, die dann brennt, wie bei dieser kleinen, dieser abgefackelt wird? Und hat sozusagen dieses explosive Gemisch um die ganze Plattform nicht mehr. Was ist da das Problem?

    Röhrlich: So etwas kann man gezielt machen, wenn man Glück hat. Die Sowjetunion hat das früher in Kasachstan einmal gemacht, als nach mehr als 30 Jahren eine außer Kontrolle geratene Bohrung auf Gas an Land gelöscht werden sollte. Aber man kann hier überhaupt nicht erzielt arbeiten. Das ist eine Sache, die sehr große Risiken hätte. Von daher möchte man solche Rettungsversuche lieber nicht unternehmen.

    Blumenthal: Was weiß man eigentlich im Detail schon über dieses Leck? Es ist ja eine Bohrung, die schon seit einem Jahr verschlossen war, wo jetzt sozusagen etwas undicht geworden ist.

    Röhrlich: Die Bohrung ist vor einem Jahr verschlossen worden, weil sie kein Gas mehr, jedenfalls nicht mehr genügend Gas gefördert hat. Da ist jetzt in 4000 Meter Tiefe, in dieser 5500 Meter langen Bohrung im Meeresboden ein Leck entstanden. Man hat vor dem Ausbruch, bevor alles losging, festgestellt, dass die Sensoren einen Druckanstieg zeigten. Und zwar muss man sich das so vorstellen: man hat eine Produktionsbohrung, und darum gibt es ringförmig angeordnet noch weitere Rohre, die das ganze schützen sollen. Und zwischen diesen Produktionsrohr und diesem ersten äußeren Ring ist der Druck angestiegen. Das heißt, dort soll das Leck zustandegekommen sein. Man kann jetzt nur hoffen, dass es nicht noch weitere Ringe betrifft, denn wenn die Ringe nach außen auch korrodiert wären, dann könnte es sein, dass es auch ins Sediment reinkommt, das Gas, und dann ist das immer schwieriger zu kontrollieren. Die zweite Ursache für eine solche, ja für diesen Fall jetzt könnte sein, dass ein mechanischer Verschleiß vorliegt. Wir haben, das Gas, das dort unten gefördert wird, ist sehr heiß, 190 Grad, oben an der Oberfläche sind, ja, 19 oder 20 Grad. Und durch den Temperaturunterschied kann es auch zu Verschleiß in den Stählen kommen. Aber seit einem Jahr liegt die Bohrung still, so dass es sehr unwahrscheinlich ist.

    Blumenthal: Das Leck an der deep water horizon - da ging es ja um Öl - aber das Leck an der deep water horizon war am Meeresboden, jetzt ist es da 4000 Meter sozusagen unter dem Meeresboden. Wie kann man da ein Leck schließen?

    Blumenthal: Genau wie bei der deep water horizon, wahrscheinlich: mit einer Entlastungsbohrung. Man wird in sicherer Entfernung eine Präzisionsbohrung abteufen, die zuerst gerade heruntergeht, und sie dann so ablenken, dass man genau dorthin kommt, wo man das Leck vermutet, das man dann mit schwerem Bohrschlamm und Zement versiegelt. Die zweite Möglichkeit wäre, dass man eine Bohrmannschaft auf die Bohrinsel bringt, die sehr viel Mut haben muss, und die dann, ja, über die Bohrköpfe, den schweren Bohrschlamm einpresst und dann das Ganze mit Zement versiegelt. Das funktioniert aber nur, wenn nicht noch weitere Ringe defekt sind, sondern in "nur" das Produktionsrohr.