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Windenergie kann die Atomkraft kompensieren

Bis 2020 könne jede zweite Kilowattstunde der erneuerbaren Energien aus Windenergie stammen, sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie. Und: "Es wird bei weitem nicht so teuer, wie es heute in den Raum gestellt wird."

Hermann Albers im Gespräch mit Dirk Müller | 15.04.2011
    Dirk Müller: Die Parteien und die Umweltschutzverbände haben völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, bis wann ein Atomausstieg möglich sein könnte. Greenpeace meint, bis 2015 geht das alles, dicht gefolgt von den Grünen, diese favorisieren 2017. Dann kommen auch schon Union und FDP, bis 2020 heißt es aus Koalitionskreisen, im Einklang mit den Sozialdemokraten, auch die SPD will den Ausstieg aus der Kernkraft bis zum Jahr 2020. Aber was kostet der Ausstieg? Wie viele Milliarden müssen investiert werden, um die Infrastruktur auf Trab zu bringen? Können die sauberen Energien den Atomstrom ausgleichen? Fragen, die heute im Kanzleramt beim Energiegipfel ganz oben auf der Agenda stehen.

    Die erneuerbaren Energien sollen es also jetzt richten, doch diese sind bei den Bürgern alles andere als unumstritten - Beispiel Windkraftanlagen. Am Telefon ist nun Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie. Guten Tag!

    Hermann Albers: Guten Tag, Herr Müller.

    Müller: Herr Albers, haben Sie auch ein Akzeptanzproblem?

    Albers: Ich glaube nicht. Die offiziellen Befragungen zur Akzeptanz der Windenergie ergeben regelmäßig Zustimmungen, die etwa in den Bereich bis zu 90 Prozent gehen. Das ist ein völlig anderer Wert als der, den die Kernenergie beibringen kann, bei der ja schon im Herbst vergangenen Jahres 60 bis 70 Prozent der Bürger gegen die Laufzeitverlängerung diskutiert haben. Aber wir wollen natürlich mit der Bevölkerung vor Ort reden, wir wollen sie beteiligen, mitnehmen in diese Energiewende, die von allen ja gewünscht wird.

    Müller: Die Proteste kommen von denjenigen, die damit unmittelbar konfrontiert sind in ihrem topografischen Umfeld.

    Albers: Nein. Es ist im Gegenteil so: wir haben eine Umfrage, bei der festgestellt worden ist, dass dort, wo erneuerbare Energien bereits genutzt werden, die Zustimmung für erneuerbare Energien steigt. Das liegt zum Teil auch daran, dass die Bürger selbst vor Ort mitinvestieren, mit zum Energiewirt werden und in ihre eigene Energiewende investieren und insofern dann dieser Strategie auch wirklich beitreten und die Akzeptanz fördern.

    Müller: Machen Windkraftanlagen Krach?

    Albers: Windkraftanlagen geben Geräusche ab. Das ist gesetzlich normiert, und in den Baugenehmigungsverfahren wird heute ein sehr großer Wert darauf gelegt, hier exakte, neutral vermessene Prüfungsergebnisse mit in die Verfahren einzubringen, um sicherzustellen, dass die Schallwerte einer Windkraftanlage den Anwohner vor Ort nicht belästigen.

    Müller: Herr Albers, reden wir über die Perspektive Windenergie und erneuerbare Energien. Wir haben das eben in der Moderation noch einmal erwähnt: es gibt da unterschiedliche Ausstiegsszenarien, 2015, 2017, 2020. Was kann die Windenergie bis 2020 leisten?

    Albers: Wir haben der Bundesregierung übrigens schon im vergangenen Herbst ein Konzept vorgelegt, wie der Umstieg auf erneuerbare Energien stattfinden kann. Wir haben der Bundeskanzlerin dazu unsere Unterlagen überreicht, die aussagen, dass wir bis 2020 jede zweite Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien beitragen können. Darunter wird die Windenergie die mit Abstand größte Rolle spielen, vor allen Dingen die Windenergie onshore, und insofern ist die Antwort: Ja, wir können aus der Atomenergie aussteigen und die Windenergie kann die Atomkraftwerke bis 2020 ersetzen.

    Müller: Können wir das noch ein bisschen genauer aufschlüsseln? Sie sagen, 50 Prozent bis 2020 durch erneuerbare Energien. Was heißt das konkret für die Windenergie?

    Albers: Das heißt für die Windenergie konkret, dass mindestens 25 bis 30 Prozent des Stroms aus Windenergie bis 2010 im deutschen Strommarkt erzeugt werden. Darüber sind wir uns übrigens auch mit der Bundesregierung einig. Wir haben allerdings auch ermittelt, wenn wir etwa zwei Prozent der Länderflächen für die Nutzung der Windenergie bereitstellen - das ist ein Schlüssel, der in Nord- und Ostdeutschland heute schon angewendet wird, der politisch schon beschlossen ist -, dass wir sogar bis zu 65 Prozent des Stroms in Deutschland aus Windkraft erzeugen können, wenn es politisch gewollt wäre.

    Müller: Das heißt, Sie könnten alleine schon die Atomkraft kompensieren?

    Albers: Wir können alleine schon die Atomkraft kompensieren aus der Branche der Windenergie heraus.

    Müller: Jetzt haben wir da unterschiedliche Zahlen heute Morgen auch noch mal bei der Recherche gefunden. Atomenergie oder Atomstrom 23 Prozent bis 30 Prozent. Von welchen Zahlen gehen Sie aus?

    Albers: Nein, die Zahlen sind energiepolitisch sehr sauber ermittelt und im vergangenen Jahr lag der Beitrag der Kernenergie bei 23 Prozent.

    Müller: 23 Prozent. - Und wie lange brauchen Sie dafür, um diese Marke zu erreichen?

    Albers: Wir waren davon ausgegangen, dass in der Energie- oder Atomausstiegskonzeption unser Auftrag derjenige sei, bis 2020 den Wechsel vollzogen zu haben. Im Moment ist es etwas schwierig, den Entscheidungen der Bundesregierung zu folgen, welche Kraftwerke werden abgeschaltet - im Moment sind es sieben -, welche bleiben abgeschaltet nach dem Moratorium. Das ist eine Aufgabe, die braucht vernünftige Kontinuität, und wir brauchen die Angaben dazu. Wenn wir das Tempo des Ausbaus der Windenergie beschleunigen und beschleunigen wollen, was die Bundesregierung ja ankündigt, dann, denke ich, werden wir dieses Ergebnis auch bis 2017 schon erreichen.

    Müller: Brauchen Sie auch Steuergelder?

    Albers: Nein. Ich glaube nicht, dass es darum geht, Steuergelder zu bekommen. Im Gegenteil haben wir gesagt, wir haben die Instrumente für den Ausbau der Energiewende und den Ausbau der Windenergie, wir haben mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz das weltweit beste, sinnvollste Instrument, dieses zu tun, wir haben die Investoren, die privat Kapitalmittel dafür aufbringen. Insofern sind alle Voraussetzungen in Deutschland geschaffen. Wir haben übrigens auch die leistungsfähigste Industrie, in der heute insgesamt bei den erneuerbaren schon 370.000 Menschen arbeiten.

    Müller: Ich möchte da noch mal nachfragen, Herr Albers. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, braucht die Windenergie keine Subventionen?

    Albers: Wir brauchen die Rahmenbedingungen, wie wir sie seit vielen Jahren im Erneuerbaren-Energien-Gesetz haben. Im Rahmen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes wird der Anschub der Windenergie und der erneuerbaren Energien finanziert über den Haushaltsstrompreis, aber nicht über Subventionen aus irgendwelchen Staatskassen.

    Müller: Das ist jetzt ein anderes Wort für Geld, was vom Staat, oder was vom Bürger kommt.

    Albers: Ja, das ist richtig. Aber es ist trotzdem ein Unterschied, ob diese Mittel aus der Staatskasse kommen, oder ob sie sozusagen über den Verbraucherpreis umgelegt werden. Das ist ja übrigens auch eine Maßnahme, die die konventionelle Energiewirtschaft immer vorgenommen hat, denken Sie an die vielen Preissteigerungen, die uns immer wieder angekündigt worden sind, auch in diesem Jahr zum 1. Januar durch die Stromwirtschaft, die letztendlich auf betriebswirtschaftlicher Analyse der Unternehmen basieren und auf deren wirtschaftliches Interesse.

    Müller: Also ohne externen finanziellen Anschub geht es nicht?

    Albers: Das wird dann möglich sein, wenn die Bundesregierung sich dazu entschließt, konventionelle Energieträger mit allen Kosten zu belegen, die sie verursachen: denken Sie an CO2-Emissionen bei Kohlekraftwerken, denken Sie an die Asse, denken Sie an Gorleben. Wenn diese Kosten sichtbar in den Strompreis hineinintegriert werden, dann werden wir auch bei den erneuerbaren, insbesondere bei der Windenergie onshore, zu einem Ziel kommen, dass die Förderung sehr gering, oder gar nicht mehr vonnöten wäre. Aber davon sind wir politisch noch eine Weile entfernt. Es fehlt an Kraft, diese Entscheidung zu fassen.

    Müller: Jetzt blicken wir noch mal perspektivisch auf 2017, 2020. Es gibt einen Streit darüber, wie groß werden die Kosten sein, die auch der Staat investieren muss, hineinpumpen muss quasi in Infrastruktur und so weiter. Da gehen Experten von bis zu drei Milliarden Euro aus, Rainer Brüderle hat heute Morgen im Deutschlandfunk gesagt, Bundeswirtschaftsminister, ein bis zwei Milliarden. Wovon gehen Sie aus?

    Albers: Ich gehe davon aus, dass wir zunächst einmal insbesondere die Debatte brauchen, welche Kraftwerke würden wir ohnehin neu bauen müssen in den kommenden 20 Jahren in Deutschland, denn es gäbe ja immer einen Neubaubedarf und einen Ersatzbedarf von Kraftwerken.

    Müller: Das würden Sie gegenrechnen?

    Albers: Das müssen wir gegenrechnen, denn es ist ja eine berechtigte Frage, in welchen Bereich hinein welche Investitionen gingen. Wenn wir uns danach die Schadensemissionen angucken im konventionellen Energiebereich, dann wird die Windkraft eine günstige Investition sein, eine volkswirtschaftlich nachhaltig günstigere als der Ausbau und die Beibehaltung der konventionellen Energieträger. Da bin ich völlig bei den Aussagen von Herrn Beck, die Sie gerade eben eingespielt haben.

    Müller: Also unter dem Strich, Herr Albers, wird alles ganz, ganz billig?

    Albers: Es wird bei weitem nicht so teuer, wie es heute in den Raum gestellt wird. Es ist auch ersatzlos, denn die Kosten des Öls steigen immer weiter an, die Beschaffungsschwierigkeiten bei Kohle und bei Gas, die Emissionsproblematik im Bereich der CO2-Emissionen zwingen uns ohnehin dazu und die Gesellschaft hat das für sich auch bereits entschieden, den Weg ins erneuerbare Energien-Zeitalter zu gehen. Lassen Sie uns die Chancen sehen und nicht nur eine Perspektive auf Risiken werfen.

    Müller: Im Deutschlandfunk-Interview Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Albers: Gut! Danke, Herr Müller.