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Windige Sommerreise

Bundesumweltminister Altmaier will keine langen Wartezeiten akzeptieren bei der Anbindung von Windparks, nur weil es Engpässe bei der Kabelzulieferung gibt. Das ist eine Botschaft seiner insgesamt viertägigen Sommerreise "Energiewende vor Ort" im Norden der Republik.

Von Christina Selzer | 21.08.2012
    Umweltminister Peter Altmaier auf Sommerreise: "Energiewende vor Ort", so lautet der Titel seiner viertägigen Reise durch Deutschland. Noch am Morgen kreiste er im Hubschrauber über dem Windpark Alpha Ventus in der Nordsee. Jetzt, am Nachmittag, steht der Minister mit Helm und orangefarbener Warnweste in einer riesigen Fertigungshalle des Konzerns Areva in Bremerhaven. Hier werden die 5-Megawatt-Turbinen für Offshore-Windräder hergestellt.

    Altmaier lässt sich von Areva-Geschäftsführer Jean Huby die Abläufe erklären. Es herrschen Temperaturen um die 30 Grad, Windstärke Null. Der Schweiß rinnt dem Minister von der Stirn. Dennoch ist er gut gelaunt, fragt interessiert nach, schüttelt Hände von Monteuren. Dann geht es nach nebenan, in die Halle von Weserwind, hier werden die riesigen Fundamente zusammengeschweißt. Schöne Fotomotive für den Umweltminister. Die Probleme, die die Energiewende derzeit bremsen, will er anpacken, das sollen die Bilder demonstrieren - und das sagt er auch deutlich.

    "Ich glaube, dass die Energiewende das ehrgeizigste und das größte Projekt ist, das wir seit dem Wiederaufbau zu stemmen haben, das heißt ein Projekt mit vielen Problemen. Es kann nicht alles von heute auf morgen gelöst werden."

    Scharf kritisiert er den schleppenden Netzausbau und das dafür zuständige Unternehmen Tennet, das die notwendigen Investitionen nicht stemmen kann. Auch die lange Lieferzeit für Spezialkabel aus Italien sei unakzeptabel.

    "Ich halte es für absolut skandalös, wenn ich höre, dass bestimmte Gleichstromkabel über viele Monate nicht geliefert werden. Das muss geändert werden. Und das ist eine Frage, an der sich auch die Qualität unseres Wirtschaftsstandortes entscheidet."

    Jean Huby, Chef von Areva, bestätigt: Beim Netzanschluss besteht großer Handlungsbedarf:

    "Das ist ein großes Thema bei uns, dass Netzanschluss für die Projekte ist, die schon entwickelt sind, wo die Turbinen, schon halb gebaut sind, dass Gewissheit da ist, dass diese Parks finanziert werden können."

    Der Gesetzgeber müsse hier für klare Rahmenbedingungen sorgen, verspricht Altmaier den Vertretern der Windkraftunternehmen.

    "Das hat nicht die Politik zu verantworten, dass es dort klemmt. Es gibt viele Gründe, aber die Politik hat die Pflicht, dafür zu sorgen, dass das Schiff wieder flott kommt, und deshalb werden wir im Kabinett eine entsprechende Gesetzesvorlage demnächst beschließen."

    Der Gesetzentwurf für eine Haftungsregelung soll die Betreiber von Windparks gegen Verzögerungen bei der Netzanbindung ihrer Anlagen absichern. Das heißt aber auch: Ein großer Teil der Schadenersatzzahlungen für nicht eingespeisten Strom kann damit auf die Stromkunden abgewälzt werden.

    Für den Geschäftsführer der Windenergieagentur WAB, Ronny Meyer, ist das eine der wichtigsten Entscheidungen. Denn nur dann seien die Investitionen gesichert und könnten Arbeitsplätze erhalten werden. Kritisch bewertet er dagegen die geplante Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, kurz EEG. Minister Altmaier will nun mittelfristig die Förderung auslaufen lassen. Dagegen fordert Ronny Meier: Statt Subventionen zu kürzen, müssten erneuerbare Energien weiter gefördert werden.

    "Es geht immer darum, dass die erneuerbaren Energien marktfähig sein sollen. Da sind wir auch der Meinung. Die Frage ist immer: Wie sieht der Markt aus, und der derzeitige Markt ist Markt für Kohle und Atomstrom, und da können wir mit unseren erneuerbaren nicht spielen. Das heißt, wir müssen uns über den Markt unterhalten und nicht einseitig über die Abschaffung des EEGs."

    Die Sommerreise des Bundesumweltministers, sie ist ein Ausflug in die Realität: an Orte des Aufbruchs, an denen innovative Technologien entstehen, aber auch eine Reise zu den sichtbaren Problemen, die eine schnelle Umsetzung der Energiewende blockieren. Schon jetzt scheint klar: Der Plan der Bundesregierung, bis 2020 bei Offshore-Windparks auf eine Leistung von 10.000 Megawatt zu kommen, ist kaum zu halten.