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Windräder als Attraktion

Dänemark ist Weltmeister beim Klimaschutz. Besonders die Insel Lolland bietet etliche Umweltprojekte. Aus der ganzen Welt kommen die Wissenschaftler - und auch viele Urlauber gehen auf Entdeckungstour zu Windparks, Ökobauern und Algenfarmen.

Von Eva Firzlaff | 14.04.2013
    Von Bord des großen Fährschiffes wirkten die Windräder vor der dänischen Südküste klein. Doch nun, näher dran und in einem kleineren Schiffchen, da sind sie mächtig gewaltig. Wie die Olsenbande sagen würde. Kapitän Rasmussen zeigt zur roten Spitze eines Windradflügels. Wenn man da drauf sitzen würde …

    "…also draußen sitzt in dem roten Feld, dann fährst du mit 250 Km/h. Die rote Spitze ist sechs Meter lang. Sieht gar nicht so aus, ne? Im Turm drin ist ein Lift. Es dauert acht Minuten hochzufahren."

    Vom Wasser bis zur höchsten Flügelspitze sind es 110 Meter. Es sind nicht mal die Größten, die es gibt. Doch wenn man so von unten direkt ins Windrad hochguckt, und ringsum nur Wasser - das hat schon was. Elegant drehen sich die schlanken Flügel vor Sonne und Wolkenhimmel. Unten glitzern die Wellen.

    "Diese 72 Windmühlen machen Strom für ungefähr 140.000 bis 150.000 Wohnungen. Das ist hier die beste Stelle für den Wind, da hat man viele Messungen gemacht ein paar Jahre vorher."

    Wer mit dem Fischkutter "Amigo" zum Dorsch-Angeln raus fährt oder zu den Seehundsbänken, der kommt an den Windrädern vorbei. Und wer mit dem eigenen Boot vor Lollands Südküste unterwegs ist, kann selbst quer durch den Windpark schippern. Die Abstände zwischen den Masten sind weit genug. Trotzdem blinken ein paar Lichter.

    "Ja, Du darfst überall fahren. Man hat es nur als Hilfe gemacht. Hier grün und die nächste Reihe rot, so quer durch."

    Zwischen dem Windpark und dem Hafen Gedser liegen etliche Sandbänke. Das Robbenschutzgebiet Rödsand.

    "Als der Windpark gebaut wurde, da waren ja hundert Boote hier. Trotzdem haben gerade in der Bauzeit die großen Robben auf dem Rödsand zum ersten Mal nach 100 Jahren 2 kleine Babys bekommen."

    Die Fundamente der Windräder bringen sogar neues Leben, denn sie wirken wie Riffe, an denen sich auch Sporttaucher erfreuen.

    "Ja, also Muscheln an den Fundamenten. Viele Dorsche und Schollen. Und viele Enten, die tauchen da. Bringt viel hier."

    In Vestenskov vermittelt das Infozentrum "H2-Interaction" Wissen über regenerative Energien. Ein Modell demonstriert, wie Wind und Sonne elektrische Energie erzeugen, das Dorf versorgen. Doch es gibt mehr, als sie brauchen. Den Überschuss könnten sie verkaufen, doch sie speichern ihn. In Form von Wasserstoff, der dann später in Brennstoffzellen wieder elektrischen Strom liefert, das Haus heizt, Warmwasser bereitet. Und das Ganze CO2-frei. Dieses Wasserstoff-Dorf ist ein Forschungsprojekt. Genauso wie die Algenfarm von Onsevig – ein Froschparadies an der Nordwestspitze von Lolland.

    Der Hintergrund: wo das Grundwasser sehr hoch steht, werden die Felder entwässert. Und mit dem Regenwasser fließt auch ausgewaschener Dünger durch die Drainage-Rohre in die Ostsee, wo er im Sommer zur Algenplage führt. Bei Onsevig aber enden die Drainage-Rohre in mehreren Becken am Deich, in denen nun die Algen wachsen und geerntet werden können, als Futter genutzt oder in Biogasanlagen. Das mit Dünger belastete Wasser kommt nicht mehr in der Ostsee an.

    "Nein, wie Du siehst: es bleibt hier. Aber als Produktionsanlage ist es viel zu klein. Es ist nur eine Möglichkeit zu sehen: kann man Deiche machen mit solchen Produktionsanlagen, was kostet es, was gibt es für Erfahrungen, welche Probleme."

    Und von hier sehen wir auch den ersten Offshore-Windpark der Welt.

    "Ich glaube, es war 1990. Das ist der erste Windmühlenpark, der im Wasser liegt. Da gibt es keine Bäume, die den Wind stören könnten, deswegen sind Windmühlen im Wasser viel effektiver."

    Auf der anderen Seite der Bucht sollte ein Atomkraftwerk gebaut werden, jedenfalls war der Platz dafür ausgeguckt. Doch jetzt drehen sich auch dort Windräder.
    Karl Madsen wohnt in der Nähe.

    "Ich kann hier ungefähr 47 Windmühlen sehen. Und sie haben mir nichts, in keiner Sekunde was getan. Wenn ich den Lichtschalter im Haus benutze, habe ich ein gutes Gefühl, weil die Elektrizität von Luft produziert ist. Und ohne Verschmutzung. Mit so was bin ich sehr zufrieden. Und in 50 Jahren werden wir wohl keine Windmühlen mehr haben, dann gibt es andere interessante Technik."

    Immer mal überflutet Hochwasser die Küsten der flachen dänischen Inseln, das jüngste war vor sieben Jahren und gab den letzten Anstoß, Lolland zur Musterinsel für grüne Energie zu machen.

    "Wenn du zwei Meter über dem Wasserspiegel lebst und wieder Überschwemmungen möglich sind, dann muss man etwas tun."

    Nicht nur in den Parks kann man auf Fasane treffen, auch am Straßenrand, am Feld.
    Die Insel ist recht dünn besiedelt, es gibt nur wenige Städtchen und Dörfer. Dafür viele kleine Weiler, einzelne Bauernhöfe und etliche historische Herrenhäuser, wie das von Knuthenlund. Der größte Biobauernhof von Dänemark lädt ein zum Gucken.

    "Die Zicklein dort sind ein paar Tage alt. Wir kriegen Kleine von Mitte April bis Mitte Mai."

    Jesper Simonsen ist stolz auf seinen offenen Hof. Kostet nichts und überall, wo kein Zaun ist, da dürfen Besucher hin. Sogar in die Ziegen- und Schafställe. Die kleinen Zicklein und Schafe klettern durch das Gatter, gehen neugierig auf Besucher und Kinder zu, knabbern an deren Schuhen, zupfen an den Ärmeln. Und draußen auf den riesigen Weiden trollen Hunderte Schafe und Ziegen.

    "Die haben sehr viel Platz. Unsere Tiere sind sehr ungestresst, sehr harmonisch. Dann braucht man keinen Tierarzt. Glücklich Tiere geben gute Milch."

    Die wird in der eigenen Molkerei zu Käse verarbeitet. Und das Fleisch geht an die Edel-Gastronomie.

    "Ungefähr 900 Lämmer, 500 kleine Ziegen und 300 Schweine. Und dann machen wir wahrscheinlich noch ein paar Tausend Enten im Wald. Die laufen zwischen den Weihnachtsbäumen herum und räumen dort auf sozusagen."

    Auch die Schweine – eine alte dänische Rasse, schlank mit schwarzen Flecken – sind auf der Weide, bleiben sogar das ganze Jahr über draußen. Die kleinen Schweinchen kampeln sich wie junge Hunde, während ihre Mütter im Boden rüffeln. Ein Gaudi für Stadtkinder und Große.

    "Und viele kommen eigentlich lieber hierher, als in den Tierpark von Knuthenborg. Denn hier ist es irgendwie natürlicher, die einheimischen Tiere zu sehen, als jetzt eine Giraffe. Die kennt doch jeder. Aber ein Schwein, das draußen läuft, hat fast keiner gesehen. Wir haben Leute aus Kopenhagen, die sagen: ah, ich hab ein Schwein gesehen, das ist gelaufen". Normalerweise stehen die ja in so einem kleinen Gehege, aber hier kann es ja einen Sprint machen, wenn es will."