Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Winfried Kretschmanns neuer Garten

Für den studierten Biologen Winfried Kretschmann, Regierungschef von Baden-Württemberg, ist ein naturnaher Garten nicht nur Passion. Jeder kann so etwas für die Umwelt tun, sagt er.

Von Michael Brandt | 16.08.2012
    Winfried Kretschmann persönlich führt den Besucher durch den Park der Villa Reitzenstein, seinem Dienstsitz. Ohne Jacke und Krawatte, in bequemen Schuhen hat er die Aktenstapel auf dem Schreibtisch Aktenstapel sein lassen und nimmt sich eine halbe Stunde Zeit für die Natur:

    "Es ist ein richtig schöner, milder Sommertag."

    Die Villa, ein eleganter Sandsteinbau, der in diesen Tagen 100 Jahre alt wird, liegt auf einem Hügel oberhalb von Stuttgart. Unten im Talkessel wälzt sich der Verkehr und mühen sich die Ministerien mit den Schlagzeilen des Sommerlochs, hier oben summen die Bienen und der grüne Ministerpräsident erweist sich als profunder Kenner der Geschichte der Landschaftsarchitektur:

    "Das ist ja einmal in der Achse dieser englische "formal garden", sehr klar strukturiert. Und dann an den Rändern eher dieser englische Garten als Kontrapunkt zu den Barockgärten damals, die ja nach einem sehr starren Schema waren. Das ist ja mehr ein bisschen Wildnis und wilde Natur."

    Und genau dorthin, in die Wildnis, führt der Weg. Quer über die Wiese läuft Kretschmann zielstrebig ans südliche Ende des Parks und präsentiert stolz das neueste Ergebnis grünen Gestaltungswillens. Ein renovierungsbedürftiger Gartenteich ist unter fachkundiger Aufsicht vom Tiergarten Wilhelma und dem BUND in ein regierungsamtliches Biotop verwandelt worden. Und der Regierungschef beugt sich zu einem fast unscheinbaren rosaroten Blümchen hinunter – fast liebevoll:

    "Das ist die Kartäusernelke, hat den schönen schwäbischen Namen Felsennägele. Also, eine ganz typische Pflanze unserer Schwäbischen Alb mit Trockenstandorten an Felsen, die es dort gibt. Es ist also sehr reich strukturiert. Man sieht auch auf dem Teich die große Königslibelle, ein imposantes Insekt."

    Und jetzt hoffe er, dass sich auch ein paar Eidechsen einfinden und irgendwann vielleicht auch mal eine Ringelnatter. Willkommen sei jedenfalls alles, was da kreucht und fleucht in den Kulturlandschaften Baden-Württembergs. Die Tiere scheinen das Willkommen des GrünenPolitikers vernommen zu haben, denn kürzlich wurde nahe der Villa Reitzenstein ein Fuchsbau entdeckt. Und der Regierungssprecher erzählt, dass er vor ein paar Tagen beim Joggen im Park einen Bussard aufgescheucht hat.

    "Man muss zeigen: Grün ist jetzt nicht irgendwas für Parteiprogramme nur, sondern das kann man auch ganz konkret machen. Da muss man auch ein bisschen mit gutem Beispiel vorangehen und das zeigen. Das ist ja alles eine denkmalgeschützte Anlage. Trotzdem, wenn man das ein bisschen klug anstellt, kann man so was überall machen."

    Tatsächlich weht in der Villa Reitzenstein seit Kretschmanns Amtsantritt ein neuer Wind. Es fing damit an, dass er an seinem ersten Arbeitstag alle Mitarbeiter persönlich und mit Handschlag begrüßte. Wie berichtet wird, war der Pförtner am Eingangstor sprachlos, denn so etwas hatte er noch bei keinem Ministerpräsidenten erlebt. Seit ein Grüner Hausherr ist, wird auch ein Rasenstück neben der Auffahrt nicht mehr gemäht. Hier sprießt zwischenzeitlich eine bunte Wildblumenvielfalt. Und in diesem Frühjahr ließ der Landesvater ein paar Bienenstöcke aufstellen, vier schwarz-gelbe Bienenvölker gedeihen seitdem prächtig:

    "Wir haben jetzt richtige Regierungsbienen. Sozusagen: Schwarz-Gelb schafft jetzt für uns. Und haben auch schon 40 Kilo Regierungshonig geerntet. Und der ist sehr gut und aromatisch, weil hier zum Beispiel Linden geblüht haben in dem Park."

    Der studierte Biologe sagt über sich selbst, dass er den Grünen vor 30 Jahren aus Liebe zur Natur beigetreten ist. Kretschmann legt aber Wert auf die Feststellung, dass es ihm bei der allmähliche Umgestaltung des Parks nicht darum gehe, seiner Naturliebe zu frönen, sondern er wolle ein Zeichen setzen: Er will die Natur zurück in die Städte holen.

    "Ja gut, ich meine: Das ist ja jetzt nicht nur mein persönliches Hobby, sondern es geht ja auch um ein Signal: Jeder kann in seiner Umgebung was tun, damit wir mehr Artenreichtum und Artenvielfalt haben."

    Und am Ende des Spaziergangs bricht beim Landesvater dann aber doch wieder der fast fanatische Naturliebhaber durch. Wilder und damit in seinen Augen schöner soll nicht nur der Park der Villa Reitzenstein sein – sondern er ruft allen Baden-Württemberger zu, das ganze Land ein bisschen lebenswerter und bunter zu machen.

    "Weg mit den langweiligen Koniferen aus dem Vorgarten! So was Interessantes anlegen, das ist viel schöner und der Natur angemessen für eine reiche Pflanzen- und Tierwelt. Vor allem was Insekten betrifft. Und egal, ob man in einem Schloss wohnt, so wie ich, oder in einem normalen Einfamilienhaus, das ist immer möglich, wenn man ein Grundstück hat."