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Winterreifen im Test
ADAC: "Einen guten Reifen macht aus, dass er ausgewogen ist"

32 Modelle aus zwei verschiedenen Größen: Im ADAC-Test hat der Großteil der Winterreifen mit "befriedigend" abgeschnitten. Nicht immer sei ein teurer Reifen auch besser, sagte Johannes Boos, Sprecher des ADAC im Dlf. Neu sei, dass preisgünstige Zweitmarken die teuren Hauptmarken vom gleichen Konzern überholt hätten.

Johannes Boos im Gespräch mit Georg Ehring | 26.09.2017
    Buntes Herbstlaub auf einem nassen Autoreifen | Verwendung weltweit
    Der Winter naht und damit die Zeit für einen Reifenwechsel. (dpa)
    Georg Ehring: Der Winter naht und damit die Zeit für einen Wechsel. Reden wir über Winterreifen. Im Sommer und im Winter unterschiedliche Reifen zu fahren, das ist aufwendig. Doch viele Autoexperten empfehlen das. Der ADAC hat jetzt Winterreifen getestet und mit seinem Sprecher Johannes Boos habe ich kurz vor dieser Sendung gesprochen. Und ich habe ihn zunächst gefragt, warum es nicht auch Ganzjahresreifen tun, zum Beispiel hier im Rheinland, wo es nur selten schneit oder glatt ist.
    Johannes Boos: Ein Ganzjahresreifen ist immer nur ein Kompromiss. Das heißt, er ist nie ganz so gut im Sommer wie ein echter Sommerreifen und im Winter auch nicht ganz so gut wie ein echter Winterreifen. Wenn Sie viel unterwegs sind, gerade weitere Strecken fahren, auch mal in Gebieten unterwegs sind, wo es dann doch mal winterlicher sein kann, dann kommen Sie an einem Satz Sommer- und einem Satz Winterreifen nicht vorbei.
    Ehring: Sie haben Winterreifen getestet. Mit welchem Ergebnis?
    Boos: Wir haben insgesamt 32 Reifenmodelle getestet aus zwei verschiedenen Größen: einmal der Größe für den VW Golf und einmal einer Dimension für kleinere SUV’s. Der Großteil dieser Reifen hat mit befriedigend abgeschnitten. Drei sind gut, einer ist ausreichend, war das Ergebnis in der unteren Mittelklasse. 12 von 16 sind befriedigend. Ganz ähnlich ist das auch bei der anderen Reifenklasse, nämlich der für SUV-Fahrzeuge. Da waren 14 von 16 Reifen befriedigend, einer gut, einer ist mit mangelhaft durchgefallen.
    "Premiummarken bekommen nicht automatisch die besten Bewertungen"
    Ehring: Nun gibt es ja Produkte, die in den besonders guten Marken Namen haben, aber die sind nicht immer die besten. Wie kommt das?
    Boos: Das ist richtig. Premiummarken bekommen nicht automatisch die besten Bewertungen. Dass ein teurer Reifen immer ein besserer Reifen oder ein guter Reifen ist, das stimmt so nicht. Das ist auch keine Seltenheit und das ist auch nicht neu in diesem Jahr. Neu ist aber, dass preisgünstige Zweitmarken aus im Prinzip dem gleichen Haus die teureren Hauptmarken vom gleichen Konzern überholen. Ein Beispiel: Der ESA-Tecar Super Grip – das ist ein Reifen, der von Goodyear entwickelt wurde, aber unter diesem Markennamen ESA-Tecar vermarktet wird -, der lag auf dem zweiten Rang. Das Markenprodukt von Goodyear, der Ultragrip 9, der lag drei Plätze dahinter. Und wenn wir jetzt eine andere Paarung noch angucken, nämlich die von Michelin und Kleber, dann ist das noch krasser. Das günstigere Produkt, der Kleber Kris Alp P3, der kommt mit der Note gut auf den dritten Platz. Der Premiumreifen aus dem gleichen Haus, Michelin Alpin 5, nur auf den 12. Platz mit befriedigend.
    Ehring: Was macht denn einen guten Reifen aus und warum ist einer komplett durchgefallen?
    Boos: Einen guten Reifen macht aus, dass er ausgewogen ist, und deshalb finden wir so viele Reifen im Mittelfeld unter befriedigend. Bei diesen mit befriedigend bewerteten Reifen kann auch für Sie durchaus ein guter Reifen dabei sein. Kommt immer ein bisschen auf Ihr Fahrprofil an. Wenn Sie zum Beispiel einen Reifen suchen für einen Zweit- oder Drittwagen, dann kann der etwa leichte Schwächen beim Verschleiß haben. Wenn Sie hingegen in einem Gebiet wohnen, haben Sie vorher schon angesprochen, wo es relativ wenig Schnee gibt, wo Sie vielleicht in Köln auch mal auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen können, dann kann auch ein Reifen mit leichten Schwächen auf Schnee in Frage kommen.
    "Ein ausgewogener Reifen kommt sowohl auf Schnee und Eis zurecht"
    Ein ausgewogener Reifen kommt sowohl auf Schnee und Eis zurecht als auch auf trockener Fahrbahn und auf nasser Fahrbahn. Sie können sich das ganz plastisch vorstellen. Für guten Grip auf Schnee bräuchten Sie tiefe Querrillen, damit Sie da vorwärts kommen. Wenn Sie auf nasser Fahrbahn unterwegs sind, brauchen Sie eher tiefe Längsrillen, damit das Wasser ablaufen kann. Deshalb entwickeln viele Hersteller einen ausgewogenen Reifen, der in allen Disziplinen durchschnittlich gut ist, aber ohne Leistungsspitzen in den eigentlichen Bereichen.
    Um auf Ihre Frage noch zu antworten, warum ein Reifen komplett durchgefallen ist. Das war aufgrund von deutlichen Schwächen auf Nässe und Schnee, und zwar der Nankang Snow SV 2 XL. Der hatte auch auf Eis etwas Schwächen.
    Ehring: Wie lange hält denn so ein Reifen? Wann muss man Sommer- und Winterreifen komplett ersetzen?
    Boos: Grundsätzlich sagt das Gesetz, eine Profiltiefe von 1,6 Millimetern, die ist vorgeschrieben bei einem Winterreifen. Darunter dürfen Sie gar nicht fahren. Wir vom ADAC sagen, wenn es vier Millimeter Reifenprofil sind, dann sollten Sie schon daran denken, den Reifen auszuwechseln, weil Sie da einfach nicht mehr sicher unterwegs sind. Außerdem sollte ein Reifen grundsätzlich über den Daumen gepeilt nicht älter als zehn Jahre sein. Das können Sie an der sogenannten DOT-Nummer ablesen. Die steht auf der Reifenflanke drauf. Das sind vier Stellen, die Stellen eins und zwei für die Produktionswoche, die Stellen drei und vier für das Produktionsjahr. Wenn da zum Beispiel steht "0416", dann ist der Reifen aus der vierten Kalenderwoche des Jahres 2016.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.