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"Wir arbeiten nicht gegeneinander"

Die Außendarstellung der schwarz-gelben Bundesregierung hat "in den letzten Wochen nicht so geklappt", räumt Birgit Homburger, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, ein. Dennoch ist sie davon überzeugt, dass Regierung die geplanten Steuersenkungen durchsetzt.

Birgit Homburger im Gespräch mit Dirk Müller | 18.01.2010
    Dirk Müller: Irgendwann hat es die Koalition wohl selbst eingesehen: es läuft nicht gerade rund, die Zusammenarbeit in der Wunschkonstellation schwarz-gelb. Das äußerst umstrittene Wachstumsbeschleunigungsgesetz, die anhaltenden Querelen um die Steuerpolitik, um die Gesundheitsreform, um Erika Steinbach, sogar Streit über die künftige Rolle der Türkei, wie CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt mit markanten Worten zu Protokoll gab.

    O-Ton Alexander Dobrindt: Ich kann ihm nur empfehlen, hier nicht wieder vorschnell Geheimabsprachen zu treffen, wo wir dann die Scherben, die angerichtet worden sind, über lange Zeit zusammenkehren müssen. Es ist jetzt wirklich an der Zeit, neben den internationalen Interessen auch die deutschen Interessen gleichberechtigt zu formulieren.

    Müller: So weit CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und Adressat dieser Kritik war Guido Westerwelle. Also entschied sich die Kanzlerin zu einem Treffen unter sechs Augen: sie, die CDU-Vorsitzende, Horst Seehofer für die CSU und Guido Westerwelle eben für die FDP, gestern am Sonntagnachmittag im Kanzleramt. Jetzt kommt noch eine umstrittene Millionenspende an die FDP dazu. Am Telefon ist nun FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger. Guten Morgen!

    Birgit Homburger: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Frau Homburger, warum arbeiten die Parteien in der Koalition bislang gegeneinander?

    Homburger: Wir arbeiten nicht gegeneinander. Wir haben in der Koalition eine gute Zusammenarbeit, auch eine gemeinsame Agenda. Das hat in der Außendarstellung in den letzten Wochen nicht so geklappt, wie wir uns das gewünscht haben, aber ich bin zuversichtlich, dass wir das jetzt nach dem Gespräch der Parteivorsitzenden auch gemeinsam hinbekommen.

    Müller: Die ganzen Reibereien haben wir also immer nur von außen gesehen? Die gab es in Wirklichkeit gar nicht von innen?

    Homburger: Nein. Es gab eine klare Linie, und diese Linie ist der Koalitionsvertrag. Das haben wir mehrfach immer wieder festgestellt, das hat ja nun auch die CDU auf ihrer Klausurtagung noch mal deutlich gemacht, dass wir eine gemeinsame Agenda haben. Wir wollen mehr Impulse für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland setzen. Wir wollen als Koalition gemeinsam einen Aufbruch in Deutschland erreichen. Deshalb haben wir unsere Wahlversprechen umgesetzt und zum 1. 1. diesen Jahres die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in diesem Land um 21 Milliarden Euro entlastet, und wir sind der Meinung, dass wir jetzt weitere Impulse gemeinsam machen, allerdings auch gemeinsam die Haushaltskonsolidierung im Blick behalten. Haushaltskonsolidierung und Entlastung der Bürgerinnen und Bürger gehen bei uns Hand in Hand. Wir sind gemeinsam überzeugt, dass das machbar ist. So steht es im Koalitionsvertrag und ich bin zuversichtlich, dass wir das genau so auch gemeinsam hinkriegen.

    Müller: Frau Homburger, bislang stand das für uns nur für die FDP?

    Homburger: Nein, das ist nicht richtig. Ich kann nur auf die Berliner Erklärung der CDU verweisen, da ist das auch noch mal deutlich gemacht. Wir haben hier eine gemeinsame Agenda. Ich bin im Übrigen der Überzeugung, dass wir das auch schaffen können. Es gibt ja den einen oder anderen, der hier Zweifel hat. Ich bin aber der Meinung, dass das auch mit dem Haushalt hinzukriegen ist, wenn wir es schaffen, strukturelle Änderungen in Angriff zu nehmen. Es ist manches im Bundeshaushalt, das ineffizient ist, das man anders organisieren könnte, was einen gewissen Vorlauf braucht. Wenn wir solche strukturelle Änderungen hinkriegen, dann haben wir hier hohe Einsparpotenziale, und wenn wir die Subventionen auf den Prüfstand stellen - auch das haben wir ja immer wieder deutlich gemacht als FDP -, dann sehen wir sehr wohl eine Möglichkeit, dass das machbar ist, und das ist auch das gemeinsame Ziel der Koalition, dass wir gemeinsam weitere Impulse setzen für Wachstum und Beschäftigung und dass wir das so tun, dass die Schuldenbremse 2011 eingehalten wird und der Haushalt konsolidiert wird.

    Müller: Das haben Sie immer gesagt, mit den Subventionen, auch in den vergangenen Jahren, als Sie noch in der Opposition waren. Die FDP hat das jedenfalls immer gesagt. Bei Einsparungen und Subventionen haben wir jetzt in der letzten Zeit gar nichts gehört.

    Homburger: Das trifft ja nicht zu. Wir haben Vorschläge gemacht. Im Übrigen mache ich darauf aufmerksam, dass der Haushaltsentwurf 2010 der Bundesregierung vorliegt. In diesem Haushaltsentwurf sind weniger Neuverschuldung vorgesehen als noch unter der alten Bundesregierung und deren Finanzminister beschlossen.

    Müller: Dann haben wir nur noch 90 Milliarden!

    Homburger: Wir haben weniger Neuverschuldung vorgesehen, obwohl wir Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen zum 1. 1. diesen Jahres entlastet haben. Ich glaube, das ist schon mal ein deutliches Signal.

    Müller: Sie sagen, alles ist also in Butter, alles ist im Lot. Wir hören mal Jürgen Rüttgers, was er auf der Klausurtagung der CSU in Kreuth vor zwei Wochen gesagt hat.

    O-Ton Jürgen Rüttgers: Wenn die FDP-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag sagt, die Steuern werden gesenkt, unabhängig von der finanziellen Situation, dann möchte ich sie herzlich bitten, uns mal darzulegen, wie man in Zukunft Ausgaben beschließt, ohne sich um die Einnahmen zu kümmern. Sollte sie eine Idee haben, bin ich bereit, sie vorzuschlagen für den Nobelpreis für Ökonomie.

    Müller: Also offenbar haben das noch nicht alle in der CDU verstanden?

    Homburger: Ich bedanke mich zunächst mal für den freundlichen Vorschlag zum Nobelpreis für Ökonomie, der mir da angetragen wurde. Ich habe natürlich auch nie gesagt, dass wir unabhängig von der Haushaltssituation Steuersenkungen machen können. Ich habe nur gesagt, wir haben im Oktober aufgrund seriöser Berechnungen und harter Zahlen gemeinsam nur das beschlossen im Koalitionsvertrag, was wir für finanzierbar und für machbar und auch für verantwortbar halten. Genau das haben wir beschlossen. Seither hat sich die Lage nicht verschlechtert. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir diesen Kurs, den wir gemeinsam bestimmt haben, so auch halten können, und das ist der einzige Dissens, den wir haben.

    Müller: Wir müssen noch, Frau Homburger, über die aktuellen Meldungen, über die aktuellen Nachrichten sprechen, wonach es eine Millionenspende an die FDP gegeben hat von der Substantia AG, der auch Mövenpick wiederum gehört, die wiederum 14 Hotels besitzt. Ist das richtig?

    Homburger: Es gibt eine solche Spende, die ist auch ordentlich angemeldet worden, das ist ein völlig legaler Vorgang. Im Übrigen orientieren wir unsere Politik nicht nach Spenden, sondern nach Überzeugungen, und ich bin überzeugt davon, dass es richtig ist, Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu beseitigen. Genau das haben wir auch getan. Ich finde diesen Versuch der SPD, mit völlig überzogenen aggressiven Verbalattacken hier auf uns einzuschlagen, völlig verfehlt. Es ist ja auch so, dass wir nicht auf die Idee kommen zu sagen, die Spenden, die die SPD in der Vergangenheit von der Automobilindustrie bekommen hat, hat sie damals dazu geführt, dass sie die Abwrackprämie beschlossen hat. Ich glaube, auf eine solche Diskussion sollten wir hier in der Bundesrepublik Deutschland nicht absinken.

    Müller: Also Sie können der Bevölkerung, Frau Homburger, jetzt hier im Deutschlandfunk versichern, dass die Spende der Substantia AG über eine Million - und dieser Substantia AG gehören Hotels - nichts mit der Mehrwertsteuerreduzierung für Hotelübernachtungen zu tun hat?

    Homburger: Das hat absolut nichts mit einander zu tun. Unsere Forderung nach Absenkung dieses Mehrwertsteuersatzes zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Arbeitsplätze ist deutlich älter als diese Spende und das sagt alles über die Haltung der FDP. Wir orientieren uns am Wohle der Menschen in Deutschland. Unser Ziel ist es, sozialversicherungspflichtige Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland zu erhalten und die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass neue geschaffen werden können. Das ist es, was wir brauchen, mehr Chancen für Menschen in diesem Land, und danach orientieren wir unsere Politik.

    Müller: Befürchten Sie jetzt nicht, dass Sie ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen?

    Homburger: Ich sage noch einmal, dass wir eine klare Haltung immer geäußert haben, dass wir diese Haltung hatten, lange bevor über diese Spende überhaupt nur irgendetwas kam, und von diesem Gesichtspunkt her ist es ganz eindeutig: wir haben eine klare inhaltliche Haltung. Die haben wir deshalb, weil wir überzeugt sind, dass wir Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland sichern und erhalten wollen. Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Arbeitsplätze können nicht einfach nur hingenommen werden und ich mache mal darauf aufmerksam, dass diese Forderung, die wir hier umgesetzt haben im Wachstumsbeschleunigungsgesetz, auch im Übrigen von allen anderen Parteien kommt. Sie steht im tourismuspolitischen Papier der SPD, sie steht im Wahlprogramm der CSU, sie steht im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU und sie steht sogar im Wahlprogramm der Linken. Alle haben das gefordert, weil sie genau wie wir offensichtlich der Meinung waren, dass es hier notwendig ist, Entlastung zu schaffen, um Arbeitsplätze in Deutschland zu retten. Davon will jetzt offensichtlich keiner mehr was wissen. Ich bin der Meinung, es ist trotzdem nach wie vor richtig.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.