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Wir betreuen auch Kinder

Ab dem Jahr 2013 hat jedes einjährige Kind das Recht auf einen Betreuungsplatz. Zwölf Milliarden Euro soll der Kita-Ausbau kosten. Wo soviel Geld bewegt wird, entsteht auch ein Markt für kommerzielle Anbieter, die versprechen, den wachsenden Bedarf schneller zu decken als die gemeinnützigen Träger.

Von Claudia van Laak | 28.05.2011
    "Bruder Jakob, Bruder Jakob, schläfst du noch, schläfst du noch, hörst du nicht die Glocken."

    Brav nebeneinander aufgereiht stehen sie da - Selim, Erdim, Yussuf und die anderen, und schmettern aus voller Kehle: Bruder Jakob, fünfsprachig.

    Mit diesem Lied eröffnen die Dreijährigen ihren neuen Kindergarten - mitten in einem sozialen Brennpunkt Berlins, in der Neuköllner High-Deck-Siedlung. Mehr als die Hälfte der Bewohner dort lebt von Arbeitslosengeld II, von Rente oder Sozialhilfe. In den Schulen liegt der Migrantenanteil bei 80 bis 100 Prozent.

    Deshalb ist Neuköllns SPD-Bürgermeister Heinz Buschkowsky besonders stolz auf eine neue Kita im Kiez. Sie garantiert, dass die dort lebenden Kinder früh an die deutsche Sprache gewöhnt werden, der Schulstart also besser gelingen kann als bisher.

    "Dieses Haus ist steingewordene Lebenschance für Kinder. Denn wir befinden uns hier in der High-Deck-Siedlung in einem sozial sehr schwierigen Gebiet. Die Realität in Neukölln ist die, dass 40 Prozent der Kinder zur Schule kommen und die Umgangssprache, die deutsche Sprache nicht beherrschen. Und wer die Schule damit beginnt, dass er überhaupt nicht versteht, was im Unterricht passiert, der hat schon ein solches Päckchen zu tragen, dass es manchmal zu schwer wird und nicht mehr aufgeholt werden kann von den Kindern während ihrer Schulzeit."

    Im Foyer ein schickes rotes Ledersofa. Großzügige helle Räume, klar gegliedert, eher nüchtern möbliert, leuchtend grüne Wände. Die neue Kita in Neukölln ist eine moderne Kindereinrichtung, die nichts mehr gemein hat mit plüschigen, vollgestopften und überdekorierten Kindergärten, wie sie noch vor 20 Jahren üblich waren.

    Betreiber des neuen Kindergartens in Neukölln ist weder die Kirche noch die Kommune - diese hat sich in Berlin weitgehend aus der Kleinkindbetreuung zurückgezogen. Träger ist ein Sozialunternehmen neuer Prägung: die Fröbel-Gruppe - ein inzwischen in fünf Bundesländern aktives gemeinnütziges Unternehmen mit einem Ableger in Australien. Ursprünglich als Verein gegründet, hat sich die Fröbel-Gruppe schnell professionalisiert: Mittlerweile werden 10.000 Kinder in insgesamt 118 Kitas betreut, 1800 Mitarbeiter beschäftigt und im Jahr 68 Millionen Euro umgesetzt. Noch in diesem Jahr will die Fröbel-Gruppe neun weitere Kitas eröffnen. Geschäftsführer Stefan Spieker:

    "Wir gehen davon aus, dass in Nordrhein-Westfalen beispielsweise noch sehr viele Kindertagesstätten benötigt werden, alleine schon, um den Rechtsanspruch der Kinder unter drei Jahren zu erfüllen. Wir haben gerade aktuell den Fall, dass in einzelnen Städten in NRW noch nicht einmal der Rechtsanspruch für über dreijährige Kinder erfüllt werden kann. Da ist also noch ein erheblicher Bedarf und wir sind natürlich gerne dabei als einer von vielen Trägern auch neue Kindergärten zu eröffnen, an den Stellen, wo wir gewünscht und gebraucht werden."

    Die Fröbel-Gruppe ist das derzeit größte deutsche, auf Kitas spezialisierte gemeinnützige Sozialunternehmen - das heißt, erzielte Überschüsse dürfen nicht ausgeschüttet, sondern müssen reinvestiert werden. Damit unterscheidet sie sich in vielen Punkten von bisher bekannten Kindergartenbetreibern - freien Trägern wie der Diakonie oder der Arbeiterwohlfahrt. An der Spitze der Fröbel-Gruppe steht ein Kaufmann, kein Theologe oder Pädagoge.

    Es wird professionelles Marketing und Personalmanagement betrieben: Vorbei sind die Zeiten des alten starren Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst. Das Sozialunternehmen hat mit der Gewerkschaft GEW einen Haustarifvertrag abgeschlossen, den viele Experten für vorbildlich halten. Wer sich als Erzieherin fortbildet, wird dafür finanziell belohnt und steigt in die nächste Tarifgruppe auf. Die Gruppe ist längst groß genug, um ein eigenes Bildungswerk für seine Erzieherinnen betreiben zu können. Weitere Vorteile gegenüber kleinen Anbietern: personelle Engpässe können ausgeglichen werden und die Eltern freuen sich über flexible Öffnungszeiten der Kitas. Geschäftsführer Stefan Spieker:

    "Ich glaube, der größte Vorteil ist der fachliche Austausch von Leitungen. Wenn sich 20, 30 Leiterinnen sich regelmäßig zu Leitungsbesprechungen versammeln, haben die einen erheblichen Know-how-Gewinn. Der zweite Punkt ist der Bereich Fortbildung. Dort können wir natürlich eigenständige Fortbildungen organisieren, speziell und scharf zugeschnitten auf den Bedarf der Einrichtungen."

    Von einer Kita im Gründungsjahr 1990 zu 118 Kitas 20 Jahre später - das als Verein eingetragene Unternehmen ist seit seiner Gründung stark gewachsen. Zum einen durch die Übernahme zuvor kommunaler oder kirchlicher Kitas, zum anderen durch den Bau und die Gründung eigener Einrichtungen, unter anderem Betriebskindergärten. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht, die Fröbel-Gruppe versucht momentan, auch im Süden Deutschlands Fuß zu fassen. Die Chancen dafür stehen gut, auch für andere große, professionelle Anbieter. Denn Deutschlands Mütter wollen nicht nur schneller in den Beruf zurück, Mütter wie Väter wollen flexible Öffnungszeiten und sie wollen Bildung für die ganz Kleinen, nicht nur Betreuung. Verena Göppert vom Deutschen Städtetag sagt:

    "Die Branche boomt. Also, das Thema Kindertagesbetreuung, insbesondere auch für die Kleinen, also unter drei Jahren, hat einen ganz hohen Stellenwert bekommen in den letzten Jahren. Das sieht man auch an den Aktivitäten vor Ort, wie intensiv ausgebaut wird, wie man vor Ort versucht, diese Plätze, die gebraucht werden, zu schaffen. Der Bedarf ist bei Weitem noch nicht befriedigt und auch weiter ansteigend. Davon sind wir fest davon überzeugt."

    Im 2008 in Kraft getretenen Kinderförderungsgesetz der schwarz-gelben Bundesregierung ist der Anspruch dokumentiert: Ab dem Jahr 2013 hat jedes einjährige Kind das Recht auf einen Platz in einer Kita oder in der Tagespflege - theoretisch. Denn das Bundesfamilienministerium rechnet damit, dass nur ein Drittel aller Eltern sein Kind auch bereits mit einem Jahr in die Kita schicken will - deshalb soll es nicht für jedes, sondern nur für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz geben. Um dieses Ziel zu erreichen, werden allerdings noch 280.000 zusätzliche Plätze gebraucht.

    Zuständig für die Umsetzung des Rechtsanspruchs sind die Kommunen, deren Spitzenverband die Schätzungen der Bundesregierung allerdings für zu niedrig hält. Verena Göppert vom Deutschen Städtetag verweist auf die neuen Bundesländer. Dort lässt etwa die Hälfte der Eltern bereits ihre einjährigen Kinder in der Krippe oder von einer Tagesmutter betreuen. Verena Göppert:

    "Wir denken, dass auch in den westdeutschen Ländern der Trend zu mehr Betreuung, zu mehr Bedarf anhalten wird und dass wir gar nicht soweit davon entfernt sind, dass wir auch diese Bedarfe zwischen 45 und 50 Prozent decken müssen. Es gibt da Unterschiede, je nach dem, ob man sich in einer Großstadt befindet oder auf dem Land. Das ist klar. Aber, wenn man die Großstädte in den Blick nimmt, dann werden wir auch vielfach mehr als 50 Prozent brauchen, um den Bedarf zu decken und den Rechtsanspruch zu erfüllen."

    Der Deutsche Städtetag ist sich nicht sicher, ob es den Kommunen gelingen wird, bis 2013 den Rechtsanspruch auf einen Platz für Kinder ab einem Jahr umzusetzen. Die Zeit sei kurz, gut ausgebildetes Personal rar, die finanziellen Mittel begrenzt. Zwölf Milliarden Euro soll der Ausbau der Betreuung für die Unter-Dreijährigen kosten. Ein Drittel der Kosten zahlt der Bund, zwei Drittel sollen Länder und Kommunen übernehmen.

    Da die Nachfrage nach Betreuungsplätzen viel größer ist als das Angebot, haben Eltern vielerorts zur Selbsthilfe gegriffen. Sie haben Vereine gegründet und eigene kleine Kindergärten auf die Beine gestellt.

    In den letzten Jahren ist eine vielfältige Trägerlandschaft entstanden: zu den traditionellen kommunalen Kitas, den katholischen und evangelischen Einrichtungen haben sich Elterninitiativen gesellt, außerdem Einrichtungen mit besonderer pädagogischer Prägung: Waldkitas, Montessori-, Waldorf-, Integrationskindergärten.

    Mit der rasch steigenden Nachfrage zeigt sich eine weitere Tendenz - bislang noch unbemerkt von der Öffentlichkeit. Kommerzielle Anbieter treten auf den Plan; versprechen, den wachsenden Bedarf schneller zu decken als die gemeinnützigen Träger. "Privat-Gewerbliche Anbieter würden gebraucht, um den Rechtsanspruch garantieren zu können" - davon ist Dirk Brouwers überzeugt, der Vorstandsvorsitzende der Dussmann-Gruppe:

    "Man stellt ja fest, wir groß der Bedarf ist und wie schwer es ist, besonders in den alten Bundesländern, einen qualifizierten Betreuungsplatz zu erhalten, und da muss es heute selbstverständlich sein, dass man auch private Dienstleister in dieses wirklich nationale Anliegen mit einbindet."

    Jedes Bundesland kann entscheiden, ob auch kommerzielle Unternehmen Zuschüsse für den Betrieb von Kindertagesstätten erhalten oder nicht. Berlin und Nordrhein-Westfalen zahlen nur an gemeinnützige Anbieter, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern auch an privat-gewerbliche.

    Mit der Dussmann-Gruppe steigt nun der erste deutsche Großkonzern in das Geschäft mit der Kinderbetreuung ein - das Unternehmen beschäftigt insgesamt 56.000 Mitarbeiter in 21 Ländern. Das Tochterunternehmen Kursana betreibt Altenpflegeheime, der Bereich Dussmann-Dienstleistungen umfasst Gebäudereinigung und -management, Catering sowie Sicherheitsdienste. Jetzt kommt als neues Geschäftsfeld der Bereich Betriebskindergärten hinzu. Brouwers:

    "Als Teil des Dienstleistungspakets, das wäre unsere Idealvorstellung. Dass ein Kunde, der bereits Dienstleistungsbeziehungen mit uns hat, auch in diesem Umfeld mit uns zusammenarbeitet, auch das Thema Kinderbetreuung mit uns zusammen ausgestaltet."

    Den Anfang macht ein Betriebskindergarten im Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn, der am kommenden Montag offiziell eröffnet wird. Dussmann betreibt bereits die Kantine im Krankenhaus. Das Unternehmen sei in der Präsentation professionell aufgetreten - anders als andere Kindergartenbetreiber, begründet die Krankenhausleitung ihre Entscheidung für einen Dienstleistungskonzern, der bislang keine Erfahrung mit der Betreuung von Kleinkindern gemacht hat. Da das Land Berlin privat-gewerblichen Anbietern keine Zuschüsse zahlt, hat Dussmann kurzerhand eine gemeinnützige GmbH gegründet.

    "Wir haben ja die Idee, hier mit sehr langen Öffnungszeiten 365 Tage im Jahr zur Verfügung zu stehen, wir wollen damit unseren Kunden ermöglichen, Schichtdienstmodelle für ihre Arbeitnehmer zu realisieren, wir bieten Übernachtungsmöglichkeiten an, wir bieten Wochenendbetreuungen an."

    Viele Vorteile also für den Dussmann Kunden, das Unfallkrankenhaus. Dessen Beschäftigten hoffen, dass sie ihre Kinder jetzt gut betreut in ihrer Nähe wissen. Etwa die Hälfte der 80 Plätze soll mit Kindern von Ärzten und Krankenschwestern belegt werden, die andere Hälfte mit Kindern aus der Nachbarschaft. Der Betriebskindergarten im Unfallkrankenhaus Marzahn ist für Dussmann der Einstieg in ein völlig neues Geschäftsfeld - Kinderbetreuung -, weitere Einrichtungen sollen folgen. Große Gewinne verspricht sich der Dienstleistungskonzern in diesem Bereich nicht. Es geht dem Unternehmen eigenen Angaben nach in erster Linie um die Besetzung eines Marktes und um eine stärkere Kundenbindung.

    Mit dem Großkonzern Dussmann könnten die bislang kleinen privat-gewerblichen Anbieter nun wohl einen wichtigen Lobbyisten an ihrer Seite haben - der Druck auf die Politik, auch kommerziellen Kita-Betreibern staatliche Zuschüsse zu zahlen, dürfte zunehmen. Brouwers:

    "Also wir denken, dass es wichtig für diesen Markt ist, dass Wettbewerb entsteht. Dass man die etablierten Marktteilnehmer, die ja durchaus sehr gute und berechtigte Konzepte installiert haben und den Grundbedarf abdecken seit Jahren, dass man den erweitert um neue Ideen, und das kann man nur realisieren, wenn man die privaten Anbieter gleichberechtigt behandelt und ihnen die gleichen Chancen auf dem Markt ermöglicht."

    Ein großer Dienstleistungskonzern nennt die Betreuung und Bildung von Dreijährigen eine nationale Aufgabe und sieht diesen Bereich zudem als wichtiges Marktsegment an, das es zu besetzen gilt. Noch vor wenigen Jahren wäre ein Unternehmer von seinen Kollegen für dieses Statement wohl ausgelacht worden.

    Genauso wie die Ökonomin Katharina Spieß von ihren männlichen Kollegen ausgelacht wurde, als sie vor 15 Jahren ihre Promotion vorlegte. Der Titel: "Staatliche Eingriffe in Märkte für Kinderbetreuung. Theorie und Empirie im deutsch-amerikanischen Vergleich". Heute lacht keiner mehr über sie - Katharina Spieß gilt als Vordenkerin, ist mittlerweile Professorin an der Freien Universität Berlin und Wissenschaftlerin am Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. "In diesem Bereich hat sich irre viel getan", sagt die Bildungsökonomin wörtlich. Sie plädiert dafür, auch kommerziellen Kita-Anbietern staatliche Zuschüsse zu zahlen.

    "Mein Plädoyer als Ökonomin wäre ganz stark zu sagen, warum sollten wir eigentlich privatgewerbliche Anbieter, die, und das ist ganz wichtig, die die gleiche Qualität anbieten, warum sollten die nicht auch öffentlich subventioniert werden, wenn sie sich an die gleichen Spielregeln halten wie die Freien Träger und die kommunalen Träger."

    Derzeit läuft eine Musterklage gegen das Kinderbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, das gewerbliche Anbieter von den staatlichen Zuschüssen ausschließt. Es geht dabei um einen monatlichen Zuschuss in Höhe von etwa 1200 Euro pro Kitaplatz. Ein kommerzieller Kitabetreiber aus Aachen moniert, das Gesetz stelle einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung dar, gegen die Freiheit der Berufsausübung und gegen das europäische Wettbewerbsrecht. Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sieht dies genauso.

    "Also, das ist auch EU-wettbewerbsrechtlich nicht ganz koscher, auch die Monopolkommission hat schon vor Jahren das in einem Gutachten mal kritisch angemerkt, dass das verzerrende Wettbewerbsbedingungen sind, die auch unter dem Gedanken des Monopols der freien und öffentlichen Träger eigentlich nicht haltbar sind."

    Noch hat sich die drohende Konkurrenz durch privat-gewerbliche Anbieter nicht herumgesprochen, aber die Debatte dürfte künftig ähnlich verlaufen wie bei der Privatisierung von Krankenhäusern und Altenheimen. Die traditionellen Wohlfahrtsverbände, aber auch Kirchen und Gewerkschaften hatten und haben gewichtige Argumente gegen den Einstieg von gewinnorientierten Unternehmen in den Sozial- und Bildungsbereich. Ein wichtiges Argument gegen die Subventionierung von kommerziellen Anbietern ist die Qualität der Kinderbetreuung. Aus Profitgründen würden zweifelhafte pädagogische Angebote gemacht, fürchtet zum Beispiel die Leiterin des Berliner Kita-Instituts für Qualitätsentwicklung Christa Preissing. Sie kritisiert, dass

    "Eltern Versprechungen gemacht werden, mit Blick auf Schulerfolg, hier besonders früh besonders viel an schulvorbereitenden Maßnahmen zu machen. Aus unserer Sicht oft zweifelhafte pädagogische Versprechen, weil die Methoden nicht den Entwicklungsbedürfnissen der Kinder dieser Altersgruppe unbedingt entsprechen."

    Der Leistungsdruck beginne so schon in der Kita, die Kinder würden überfordert, klagt die Soziologin und Kleinkindpädagogin. Christa Preissings Erfahrung: Immer mehr Eltern fordern, dass die Erzieherinnen ihre Kinder optimal auf die Schule vorbereiten, am liebsten mehrsprachig.

    "We wish each other a beautiful good morning. Good Morning, good morning, good morning."

    Der Tag startet mit dem Morgenkreis - hier in der englisch-deutschen Kita von Phorms, einem privaten Betreiber von Kindergärten und Schulen. 16 Kinder, drei Betreuer, einer davon englischsprachig. Das zusätzliche englischsprachige Personal lässt sich Phorms von den Eltern bezahlen - mit bis zu 365 Euro monatlich. Die Eltern schreckt der hohe Beitrag nicht ab, sie wollen das vermeintlich Beste für ihren Sohn und ihre Tochter - auf der Kita-Warteliste stehen momentan 100 Namen. Es sind Eltern, die ihre Kinder möglichst früh und möglichst umfassend auf die Leistungsgesellschaft vorbereiten wollen. Für sie ist Bildung:

    - "Sehr wichtig. Ich bin nicht für Überfordern, aber ich bin auch nicht für Unterfordern. Das Schlimmste ist unterfordern, wenn die sich langweilen."

    - "Ich weiß nicht, wie der Stellenmarkt in 30 Jahren aussieht, aber wie er heute aussieht, da müssen die Menschen noch qualifizierter sein, um überhaupt noch Berufschancen zu haben und ich finde es einfach zu schade, die beste Zeit des Lebens, wo man am Besten etwas aufnehmen kann, mit Spielen zu verbringen."

    Unternehmen wie Phorms profitieren von den gestiegenen Elternansprüchen an Kitas und Schulen. Phorms betreibt zweisprachige Ganztags-Kindergärten, -Grundschulen und -Gymnasien an mittlerweile sechs Standorten bundesweit - ein Bildungsunternehmen, das ähnlich wie die Fröbel-Gruppe rasant wächst.

    Umso verwunderlicher ist es, dass sich traditionelle Anbieter aus diesem Bereich zurückziehen. Gemeint ist in erster Linie die katholische Kirche. Das Erzbistum Köln zum Beispiel setzt seit Jahren ein umfangreiches Sparprogramm um, genannt "Zukunft heute". Teil dieses Programms ist ein radikaler Einschnitt im Bereich Kindergärten - von 2500 katholischen Kitagruppen wurden 809 geschlossen, also jede dritte.

    Die offizielle Begründung des Erzbistums Köln: Die Zahl der katholisch getauften Kinder gehe jährlich um vier Prozent zurück, man passe die Zahl seiner Kindergärten nur der Zahl der katholischen Kinder an. Für Kinder aus protestantischen, muslimischen oder atheistischen Elternhäusern fühlt sich das Erzbistum offensichtlich nicht zuständig. Zu einem Interview mit dem Deutschlandfunk war kein Vertreter des Erzbistums Köln bereit.

    Die neuen großen, nicht kirchlichen Träger von Kindergärten sind auf dem Sprung. Sie freuen sich insgeheim über den Rückzug der katholischen Kirche - es geht um nicht mehr, aber auch um nicht weniger als um die Besetzung eines wachsenden Marktes. Eines Marktes namens Kinderbetreuung.