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"Wir brauchen eine effiziente Besteuerung der Finanzmärkte"

Angela Merkel müsse ihre ganze Überzeugungskraft einsetzen, um in der Eurozone die Einführung der Finanztransaktionssteuer zu erreichen, verlangt Joachim Poß, SPD-Fraktionsvize im Bundestag. Die "Eierei" der Koalition in dieser Frage dauere jetzt schon viel zu lange an.

Joachim Poß im Gespräch mit Jasper Barenberg | 27.03.2012
    Jasper Barenberg: Schon feixt die SPD über einen weiteren Anwendungsfall für das von den Sozialdemokraten ausgemachte "Merkelsche Gesetz". Lange haben sich Kanzlerin und Koalition gesträubt, den Schutzschirm für den Euro aufzustocken, jetzt geben sie dem Druck anderer EU-Länder, der USA und Christine Lagarde vom Internationalen Währungsfonds doch nach. Anders ist die Situation beim Thema Steuern auf Finanzgeschäfte, die würde Finanzminister Wolfgang Schäuble gerne einführen, sagt er, doch er beißt bei seinen europäischen Kollegen auf Granit. Beides, der dauerhafte Euro-Rettungsschirm und die Steuer auf Finanzgeschäfte, sind heute Thema bei Gesprächen zwischen Regierung und Opposition in Berlin. Am Telefon begrüße ich Joachim Poß, den SPD-Fraktionsvize im Bundestag. Schönen guten Tag, Herr Poß.

    Joachim Poß: Guten Tag, Herr Barenberg.

    Barenberg: Reden wir zunächst vielleicht über die Finanzsteuer, die Sie ins Spiel gebracht haben, wenn es um die Zustimmung zu dem Fiskalpakt, zu den neuen Haushaltsregeln in Europa also geht. Das ist ja offenbar nicht durchzusetzen. Rudern Sie da jetzt auch ein wenig zurück, was Ihre Forderungen da an die Regierung angeht?

    Poß: Zunächst muss man ja erst mal festhalten, dass seit zwei Jahren es der schwarz-gelben Koalition nicht möglich ist, in dieser Frage zu einer einheitlichen Position zu kommen. Wie soll man in Europa oder in der Eurozone werben für eine Position, wenn man sie selbst nicht hat? Frau Merkel hat ihre Sympathie anklingen lassen, das gilt auch für den Finanzminister, der aber auch einen gewissen Zickzackkurs fährt. Das heißt also, es ist natürlich kein überzeugender Auftritt der Deutschen in dieser Frage da gewesen. Das sehen die anderen, das spüren die anderen, die verfolgen die Diskussion und deswegen kann man sich auch nicht durchsetzen.

    Barenberg: Machen Sie das denn nach wie vor zur Bedingung, zur Voraussetzung dafür, dass die SPD dem Fiskalpakt im Bundestag zustimmt?

    Poß: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir haben ja immer mehrere Punkte genannt. Für uns ist auch die Frage des wirtschaftlichen Wachstums neben der Konsolidierung wichtig. Wir sagen, natürlich muss konsolidiert werden, aber wir wissen aus aller Erfahrung auch hier in Deutschland, dass eben Konsolidieren nicht gelingt ohne Wirtschaftswachstum. Und das haben wir ja jetzt auch bei den ersten Maßnahmen und ersten Erfahrungen zum Beispiel in Griechenland sehen können, dass wenn es an Wirtschaftswachstum fehlt, das mit dem Konsolidieren auch so nicht gelingen kann. Also daraus muss man lernen. Man muss sich anstrengen, man muss über geeignete Instrumente weiter nachdenken, um in den betroffenen Ländern auch das Wirtschaftswachstum zu kräftigen.

    Barenberg: Und Mittel für solche Initiativen sollen nach Ihrer Vorstellung jedenfalls unter anderem aus den Einnahmen aus einer solchen Steuer kommen. Nun stellt sich aber heraus, dass sowohl eine Lösung unter allen 27 als auch eine Lösung nur der 17 Euro-Staaten gescheitert ist in den Gesprächen, die der Finanzminister in Brüssel geführt hat. Was bleibt?

    Poß: Ja, also wenn der Finanzminister gescheitert ist, dann bleibt immer noch die Adresse der Bundeskanzlerin, auf die ja weltweit geschaut wird - nicht nur in Europa, in der ganzen Welt, das ist tatsächlich so -, weil von ihr angenommen wird, dass sie doch die Dinge, die ihr wichtig sind, auch durchsetzen kann. Das hat sie bei dem Fiskalpakt ja gezeigt. Und jetzt ist es an ihr, ihre Überzeugungskraft einzusetzen auch in dieser anderen Frage. Wir brauchen eine effiziente Besteuerung der Finanzmärkte. Es kann nicht sein, dass die Finanzindustrie außen vor bleibt bei der Finanzierung all der Dinge, die notwendig sind in der Europäischen Union, in Deutschland. Ob es um Krisenlasten geht, oder eben um weitere wirtschaftliche Impulse. Da muss jetzt das Engagement von Frau Merkel auch her. Da reichen Sympathieerklärungen für eine Maßnahme nicht aus. Also: Wir sind nicht am Ende dieser Messe angelangt, denn schließlich wie gesagt die Eierei in dieser Koalition zu dieser Frage speziell dauert jetzt schon seit Anfang 2010.

    Barenberg: Aber, Herr Poß, Sie kennen ja auch die Vorbehalte, die es gibt in Großbritannien, in Schweden, in den Niederlanden, in Luxemburg und andernorts, die Sorge davor, dass Finanzgeschäfte abwandern könnten, dass der eigene Finanzplatz geschwächt werden könnte. Mit welchem zentralen Argument wollen Sie diesen Skeptikern den Wind aus den Segeln nehmen?

    Poß: Bei den Sorgen geht es oftmals gar nicht so sehr um existierende Sorgen, sondern um eine gewisse Ignoranz. Jedenfalls ist das bei der City of London der Fall, wenn man die Dinge da verfolgt, und das kann man abhaken. Deswegen war ja das nächste Ziel auch - und Schäuble hat es ja des öfteren bekräftigt - die Eurozone, und da müssen eben Widerstände überwunden werden. Da gibt es ja eine Kommissionsvorlage, die versucht, all diese Bedenken aufzunehmen.

    Barenberg: Die kennen ja auch die Schweden und die Regierung in London kennt auch diese Vorlage.

    Poß: Lassen wir London mal außen vor, konzentrieren wir uns auf die Eurozone. Da sind die Bedenken, die in der Eurozone vorgebracht werden, eigentlich durch die Kommissionsvorlage aufgenommen worden. Es sind auch weitere Einwände, was Belastung von Kleinsparern und so weiter angeht. All das kann eben ausgeschlossen werden, man kann sich auch über Ausnahmen unterhalten, was Größe und so weiter angeht, dass im Prinzip alle Finanzgeschäfte erfasst werden, um es effektiv zu machen. Und was Bedingung ist, ist auch, dass der sogenannte Hochfrequenzhandel, da wo die Post richtig abgeht, dass der erfasst wird, weil wir wollen schließlich auch regulieren, damit die Dinge sich nicht mehr so zuspitzen, wie wir das in den letzten Jahren erlebt haben.

    Barenberg: Heute Mittag live im Deutschlandfunk der Fraktionsvize der Sozialdemokraten im Bundestag. Vielen Dank, Joachim Poß, für das Gespräch.

    Poß: Bitte schön!

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