Dienstag, 16. April 2024

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"Wir brauchen eine wirklich praktische Klimapolitik"

Nach Ansicht vonn Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, ist die Klimapolitik viel zu staatsgläubig. Wichtig seien internationale Regelmechanismen, die auch die Wirtschaft mit einbeziehen. Vor allem der Emmissionshandel müsse deutlich vorangetrieben werden, forderte Hauff.

16.11.2006
    Dirk Müller: Zugehört auf der anderen Leitung hat Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung. Guten Morgen!

    Volker Hauff: Schönen guten Morgen Herr Müller!

    Müller: Herr Hauff ist das so, dass Freiwilligkeit, wie das die Kritiker sagen, im Grunde die Freiheit ist zu verschmutzen?

    Hauff: Bevor wir uns dieser doch auch recht ideologisch belasteten Frage zuwenden, würde ich ganz gern zu dem Bild noch etwas sagen. Es ist ja ohne Zweifel richtig, dass es positive Zeichen gibt und dass es in Deutschland erhebliche Anstrengungen gibt, aber mich stört das Wort Vorreiterrolle, denn Tatsache ist, dass die Emissionen in den letzten Jahren gestiegen sind wie nie zuvor. Die internationale Energieagentur spricht davon, dass sie um fast 40 Prozent gestiegen sind seit dem Referenzjahr 1990, und das ist eine unbequeme Wahrheit. Die sollten wir auch aussprechen, statt uns in der behaglichen Sicherheit zu sehen, wir seien Vorreiter. Das stört mich etwas, denn wir haben einen sehr langen Bremsweg bei diesen Emissionen und wir müssen da auf alle möglichen Instrumente setzen. Wir haben das auch in der Vergangenheit zum Teil ja schon getan mit der Ökosteuer, mit dem Emissionshandel. Das sind ja durchaus Instrumente, die nicht auf Freiwilligkeit beruhen. Die sollten wir auch weiter modernisieren, ausbauen und einsetzen.

    Müller: Herr Hauff, um auf die erste Frage zurückzukommen. Also die Freiwilligkeit ist nicht gut für die Entwicklung?

    Hauff: Nein, die Freiwilligkeit muss ergänzt werden. Die ist sehr gut dort, wo einzelne Unternehmen dann freiwillig voranschreiten. Es gibt ja auch positive Beispiele in der deutschen Wirtschaft unter den Energieversorgern, beispielsweise ENBW, BP, Siemens. Da gibt es schon sehr positive Beispiele, aber das reicht bei weitem nicht aus.

    Müller: Aber es schwächt doch unsere Position, wenn wir Deutschen gerade in der jetzigen Situation der Weltklimakonferenz die Deutschen als moralische Autorität - sagen jedenfalls viele - dort auftreten und mit schlechten Emissionswerten im Gepäck dort ankommen?

    Hauff: Ich meine wir haben unser Ziel noch nicht erreicht, das wir eingegangen sind, aber wir sind ihm sehr nahe gekommen. Da ist uns zu Gute gekommen die Wiedervereinigung Deutschlands und die Stilllegung dieser großen Dreckschleudern in der ehemaligen DDR. Das hat uns einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, dass wir ganz gute Zahlen haben. Aber da dürfen wir uns nicht zurücklehnen und uns in Selbstzufriedenheit wälzen.

    Ich habe kürzlich mit meinem Sohn über das Thema gesprochen. Der ist mittlerweile auch schon 38 Jahre. Der hat gesagt na ja, ihr könnt darüber alle gut und ruhig reden, euch trifft es ja nicht, wir müssen das zum Schluss auslöffeln.

    Müller: Muss demnach die nachwachsende, die jüngere Generation Angst davor haben?

    Hauff: Angst ist immer ein schwieriger Begriff. Wir müssen wirklich in Deutschland klar handeln. Nehmen Sie den Bericht von Nicholas Stern, eines Ökonomen der Weltbank, der für die britische Regierung jetzt ein Gutachten gemacht hat. Der hat simpel gesprochen zwei Nachrichten: eine gute und eine schlechte. Die gute Nachricht ist, wir müssen dringend etwas tun. Wir können auch etwas tun. Das kostet zwar einiges. Ein Prozent vom Bruttosozialprodukt, sagt er, sei notwendig, um die verschiedenen Maßnahmen einzuleiten. Aber wenn wir nichts tun, sind die wirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung in einer Größenordnung von fünf bis zwanzig Prozent des Weltbruttosozialprodukts.

    Müller: Herr Hauff, ich versuche jetzt noch mal meine Frage zu formulieren. Um das auf die Formel zu bringen mit Blick auf die nachwachsende Generation. Ist gute Konjunktur Gift für die Umwelt?

    Hauff: Nein, so kann man es nicht sehen. Wir brauchen natürlich die Konjunktur, denn wir brauchen auch neue Technologien. Wir brauchen Innovation, um mit diesem Problem fertig zu werden. Ganz so einfach kann man das Problem halt nicht lösen. Kyoto hat einen entscheidenden Konstruktionsfehler. Das möchte ich gerne sehr deutlich sagen. Die ganze Klimapolitik bis jetzt ist viel, viel zu staatsgläubig. Man denkt wenn die Regierungen sagen, wir machen auf dem Gebiet etwas, dann wird das schon geschehen. Wir brauchen da auch international Regelmechanismen, die die Wirtschaft mit einbeziehen. Das heißt wir müssen den Emissionshandel deutlich vorantreiben. Das ist eines der größten und wichtigsten Instrumente, die in der Vergangenheit geschaffen wurden. Und wir müssen versuchen, das was wir da in Europa, in Deutschland erreicht haben, internationaler zu machen. Wir müssen versuchen, zum Beispiel den Emissionshandel, den es in Teilen der USA gibt - in einigen Staaten gibt es ja so etwas -, damit zu verbinden. Das ist dann auch ein Stück wirklich praktische Klimapolitik, die ansetzt an der wirtschaftlichen Entwicklung und auch die Diskussion nicht nur auf staatliche Maßnahmen im Einzelnen begrenzt. Es ist doch einfach eine Illusion zu sagen, der Staat alleine könne garantieren, dass eine bestimmte wirtschaftliche Entwicklung so und nicht anders verläuft. Man braucht dazu auch die Wirtschaft.

    Müller: Volker Hauff war das, der Vorsitzende des Rates für nachhaltige Entwicklung. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Hauff: Auf Wiederhören Herr Müller!