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"Wir gehen auch in ein Risiko"

Die Diskussion um die Laufzeitverlängerung habe zu einem Kompromiss geführt, erklärt Ralf Güldner, Präsident des Deutschen Atomforums. Außerdem betont er, dass die Grenze des Zumutbaren im Zuge der Brennelementesteuer und der Anzahlung auf Fonds erreicht sei.

Ralf Güldner im Gespräch mit Jasper Barenberg | 21.09.2010
    Jasper Barenberg: Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke in Deutschland, ist das nun die kurze Brücke ins Zeitalter der Erneuerbaren, oder ist das die Bremse auf dem Weg zu einer gänzlich neuen Art der Energieversorgung, einer regenerativen Art der Energieversorgung? - Am Telefon begrüße ich Ralf Güldner, den Präsidenten des Deutschen Atomforums. Er ist auch führender Manager bei der Kernkraftsparte des Energiekonzerns E.ON. Einen schönen guten Morgen, Herr Güldner.

    Ralf Güldner: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: SPD-Chef Sigmar Gabriel, Herr Güldner, fordert jetzt einen Volksentscheid über längere AKW-Laufzeiten. Zweifellos handelt es sich ja um eine gesellschaftliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Sind Sie für einen solchen Volksentscheid?

    Güldner: Nun ja, das muss letztendlich die Bundesregierung beziehungsweise der Bundestag entscheiden. Wir hatten aber einen Wahlkampf im vergangenen Jahr, wo die jetzigen Regierungsparteien ganz eindeutig gesagt haben, dass sie für Laufzeitverlängerungen eintreten werden und das nach einer Regierungsübernahme auch umsetzen würden. Das Ganze erfolgt jetzt, ist also durchaus im Sinne einer angewandten Demokratie.

    Barenberg: Viele derjenigen, die jetzt auf die Straße gehen und die ja noch größere Proteste für den Herbst angekündigt haben, Herr Güldner, sie haben den Eindruck, bei der Vereinbarung mit den vier Versorgern seitens der Bundesregierung ging es um nichts anderes als um ein Milliardengeschenk an die vier Konzerne. Was ist falsch an diesem Eindruck?

    Güldner: Ich denke, die Regierung hat ja sofort nach der Regierungsübernahme im Koalitionsvertrag festgelegt, dass sie mögliche Zusatzgewinne aus Laufzeitverlängerungen abschöpfen will. Sie hat dann im Laufe der Monate klare politische Ziele entwickelt. Es gab Diskussionen, wie lang die Laufzeitverlängerung sein kann. Da wurde jetzt ein Kompromiss gefunden, es wurde die Brennelementesteuer ins Spiel gebracht und man hat bei der Abschöpfung der Zusatzgewinne, die zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt kommen werden, glaube ich, die Grenze dessen, was für uns zumutbar ist, erreicht und hat damit einen Fonds oder wird damit einen Fonds schaffen, der den Erneuerbaren hilft, ihre Position in der Energieversorgung weiter auszubauen.

    Barenberg: Aber es ist letzten Endes einfach ein Zusatzgewinn für die vier Stromkonzerne?

    Güldner: Wenn Sie alle Belastungen, die letztendlich auf uns zukommen, zusammenziehen, dann bleibt nicht sehr viel über.

    Barenberg: Wie viel bleibt denn übrig?

    Güldner: Ich denke, die Belastungen ohne die Brennelementesteuer sind schon deutlich an die 60 Prozent. Mit der Brennelementesteuer werden es etwa 75 Prozent der Zusatzgewinne sein. Hinzu kommt, dass wir jetzt sofort zu Zahlungen verpflichtet werden, während die Zusatzgewinne aus den zusätzlichen Laufzeiten ja erst sehr viel später, zum Teil erst nach 2020 kommen werden.

    Barenberg: Aber Steuern werden sie nur eine Weile zahlen und dann können sie die Kassen füllen.

    Güldner: Wir sollen eine Weile eine Steuer zahlen, zusätzlich quasi eine Anzahlung auf den Fonds, dann in die Weiterentwicklung der Erneuerbaren einzahlen einen beträchtlichen Betrag des Gewinnes, der über bleibt, wobei es hier noch Klauseln gibt, dass die Bundesregierung auch von möglicherweise sich verändernden Strompreisen auch profitieren wird. Also ich denke, es ist die Grenze dessen, was für uns zumutbar ist, erreicht. Noch mal: wir gehen auch in ein Risiko. Wir müssen am Anfang der Laufzeit dieser Vereinbarung jetzt in Vorleistung gehen und hier massiv investieren.

    Barenberg: Man kann den Atomkraftbetreibern nicht einfach Milliarden schenken, so meldet sich der sächsische Wirtschaftsminister Sven Morlok von der FDP jetzt zu Wort und fordert, dass mindestens 90 Prozent der Zusatzgewinne abgeschöpft werden sollen. Glauben Sie, dass sich noch etwas ändern kann, bevor alles in trockenen Tüchern ist?

    Güldner: Ich habe ja gesagt, wir sind der Meinung, dass wir die Belastungsschraube so weit angezogen haben, dass wir die Grenze dessen, was hier möglich ist, erreicht haben. Letztendlich müssen die Unternehmen auch von ihren Aktivitäten profitieren, das heißt auch Geld verdienen, das ja zum Teil auch wieder in Investitionen fließt und damit den Umbau unserer Energieversorgung, der dringend notwendig ist, unterstützt. Das gilt nicht nur für die Erzeugung, das gilt auch für die Netze. Hier ist sehr, sehr viel zu tun, ansonsten schaffen wir den Umstieg in das Zeitalter der Erneuerbaren nicht.

    Barenberg: Was diesen Umstieg angeht: Atomenergie ist die Energieform der Vergangenheit, nicht der Zukunft. Stimmen Sie da zu?

    Güldner: Dem stimme ich nicht zu. Die Kernenergie ist gerade mal gut 50 Jahre alt. Es wird in vielen Ländern weiter geforscht, unter anderem an internationalen Projekten, zum Beispiel an dem Projekt ITA-Kernfusion in Südfrankreich. Ich glaube, man kann heute noch nicht vorhersehen, welche Potenziale da noch drinstecken. Es wird auch an der Entwicklung kleinerer Reaktoren, die sicherlich auch eine höhere Akzeptanz in der Öffentlichkeit finden würden, geforscht und entwickelt. Also ich denke, man muss sehen, was die Technik hier in der Zukunft bringt. Schauen Sie die Windenergie an, die gab es vor einigen hundert Jahren auch schon mal, die dickbäuchigen Windmühlen, die wir alle kennen. Heute ist das eine Hochtechnologie, die einen ganz anderen Anwendungsbereich findet als damals.

    Barenberg: Aber zeigt uns nicht die Debatte um das Dilemma in Gorleben, um die Asse, die als Endlagerstätte wenig geeignet scheint, zeigt uns all das nicht, dass auch der Widerstand in der Bevölkerung so groß sein wird, dass es für die Atomkraft in diesem Land keine Zukunft gibt?

    Güldner: Wir haben einen intensiven Diskurs zu diesem Thema in Deutschland, bei dem es uns offensichtlich bis jetzt noch nicht gelungen ist, die Mehrheit der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Kernenergie eine ganze Menge an positiven Seiten hat. In anderen Ländern ist das ganz anders gelaufen. Heute zeigen Umfragen etwa ein ausgewogenes Bild zwischen Befürwortern und Gegnern der Laufzeitverlängerung. Ich glaube, wenn jetzt die Erkundung von Gorleben wieder aufgenommen wird und nach meiner Erwartung zu dem Ergebnis führen wird, dass der Salzstock in Gorleben durchaus für die Endlagerung geeignet ist, dann ist es durchaus möglich, dass wir hier zumindest für diese Laufzeitverlängerungen jetzt auch eine Mehrheit in der Bevölkerung finden.

    Barenberg: Sagt Ralf Güldner, der Präsident des Deutschen Atomforums. Danke, Herr Güldner, für das Gespräch.

    Güldner: Bitte sehr, Herr Barenberg. Auf Wiederhören!

    Barenberg: Auf Wiederhören.

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