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"Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt"

Georg Schütte, Generalsekretär der Humboldt-Stiftung, glaubt, dass eine Flexibilsierung des Förderangebots für internationale Talente dringend notwendig ist. Eine starre Altersgrenze bei der Vergabe von Stipendien sei nicht mehr angemessen. Auch müsse man deutschen Wissenschaftlern mehr Zeit für Kooperationen einräumen sowie einen Forschungskostenzuschuss gewähren, betonte Schütte.

Moderation: Jörg Biesler | 30.08.2007
    Jörg Biesler: Deutschland soll für Forscherinnen und Forscher international attraktiver werden. Das fordern Wissenschafts- und Unternehmerverbände, und auch die Unternehmerberatung Kienbaum hat das heute noch einmal vehement eingefordert. Auch die Politik bemüht sich darum, und die Bonner Alexander von Humboldt-Stiftung stellt ihre reformierten Förderprogramme heute vor, die den Wissenschaftsstandort Deutschland stärken sollen. Am Telefon ist jetzt Georg Schütte, der Generalsekretär der Humboldt-Stiftung. Guten Tag, Herr Schütte!

    Georg Schütte: Schönen guten Tag, Herr Biesler!

    Biesler: Wenn Sie jetzt etwas verändern, wenn Sie die Schrauben ein wenig anders drehen in Ihrem Förderprogramm, dann haben Sie vermutlich festgestellt, dass es schwieriger geworden ist, Forscher nach Deutschland zu holen.

    Schütte: Wir haben zumindest die Zeichen der Zeit erkannt. Und die stehen dahin, dass es in der Welt eine zunehmend starke Konkurrenz darum gibt, internationale Talente in die jeweiligen Länder zu holen. Und wir wollen da mit Deutschland nicht zurückfallen und wollen auch mit unserem Förderangebot nicht zurückfallen. Deshalb haben wir uns jetzt entschieden zu verändern, flexibler zu werden und attraktiver zu werden.

    Biesler: Wieso ist die Konkurrenz denn größer geworden? Wer ist dazugekommen? Welche Bedingungen haben sich verändert?

    Schütte: Dazugekommen sind Länder wie China, wie Indien, wie Südkorea, die wir vor Jahrzehnten noch als Entwicklungsländer bezeichnet haben. Aber in einigen Feldern der Forschung sind dies inzwischen Global Player, dies sind Länder, denen es gelingt, die eigenen Talente zurückzuholen und auch internationale Talente anzuziehen. Und so haben wir eine Welt, die nicht mehr nur zwischen Europa und den USA eine Konkurrenz und Partnerschaft gleichzeitig bildet, sondern wir haben eine Welt jetzt, die viele verschiedene Pole hat. Wir haben viele verschiedene Konkurrenten, gleichzeitig auch viele Partner. Aber das ist die neue Situation, auf die wir uns einstellen müssen.

    Biesler: Damit wir verstehen können, mit wem sich Deutschland da im Wettbewerb befindet – wie sind denn die Bedingungen in anderen Ländern? Was wird Forschern da geboten, was in Deutschland zurzeit noch nicht der Fall ist?

    Schütte: Insbesondere in den USA finden internationale Forscher Stellenperspektiven, die wir hier in Deutschland noch nicht bieten können. Und daneben gibt es Gehaltsperspektiven, im Vergleich zu denen das deutsche Forschungssystem weit zurückfällt. Und dies ist etwas, was wir in Deutschland ändern müssen. Wir müssen mehr Stellen schaffen in der Wissenschaft, wir müssen deutsche Wissenschaftler in die Lage versetzen, Zeit zu haben, um überhaupt international kooperieren zu können, nicht im Hochschulalltag unterzugehen. Und wir müssen akademische Karrieren in Deutschland auch in der Bezahlung wieder attraktiv machen.

    Biesler: Da haben Sie nur geringen Einfluss darauf, also auf die W-Besoldung zum Beispiel der Professoren, die ja deutlich niedrigere Grundgehälter vorsieht als früher die C-Besoldung. Sie versuchen mit Ihrem Förderprogramm etwas zu verändern, das Förderprogramm anders einzustellen, und Sie haben zunächst mal die starren Altersgrenzen abgeschafft. Also es gilt jetzt nicht mehr der Grundsatz, wer älter ist als 40, kann bei der Humboldt-Stiftung kein Stipendium mehr bekommen?

    Schütte: Das ist richtig. Wir haben unsere Förderprogramme auf die neuen Anforderungen eingestellt, und die sind so, dass die akademischen Karriereverläufe jetzt viel unterschiedlicher geworden sind. Eine solche starre Altersgrenze, die alle über einen Leisten schert, ist nicht mehr adäquat. Deswegen sagen wir jetzt, wir fördern international qualifizierte Wissenschaftler bis zu zwölf Jahren nach ihrer Promotion, unabhängig vom Lebensalter. Und wir bieten internationalem Postdocs, Post-Doktoranden – das sind die, die gerade die Promotion abgeschlossen haben –, wir bieten denen ein zweijährigen Aufenthalt in Deutschland. Das ist inzwischen ein weltweiter Standard, und den bieten wir jetzt an. Das sind die Veränderungen in unserem Stipendiumprogramm.

    Und wir haben ein zweites verändert: Wir bieten den deutschen Gastgeberinnen und Gastgebern jetzt einen Forschungskostenzuschuss. Wer einen internationalen Gast bei sich hat, wird entlastet, indem wir für die in den Geistes- und Sozialwissenschaften pro Monat 500 Euro für die Betreuung und für die wissenschaftliche Arbeit zur Verfügung stellen, und in den Laborfächern, also in den Naturwissenschaften 800 Euro pro Monat. Das heißt, wer in Deutschland einen Humboldt-Stipendiaten aufnimmt, bekommt exzellente Wissenschaft und die materielle Unterstützung, um international kooperieren zu können.

    Biesler: Mit Blick vor allen Dingen auf die Lebensläufe, die sich ja sehr stark verändert haben in den letzten Jahren, die nicht mehr so gradlinig sind, wie man das früher kannte – Forscherkarrieren kennen jetzt auch viele Umwege, das war früher doch eher die Ausnahme –, erscheint es ja auch völlig sinnvoll, so starre Altersgrenzen zum Beispiel abzuschaffen. Aber die Spitzenforscher werden Sie damit ja auch weiterhin wahrscheinlich nicht erreichen. Das zielt eher in die Breite, oder?

    Schütte: Das ist ein Programm, das in die Breite zielt, das ist ein Programm, was in der Tat internationale Kontakte anbahnt. Wenn wir über die Spitze reden, dann müssen wir auch über Spitzengehälter und über Spitzenforschungsbedingungen reden. Und da halten wir es für erforderlich, dass man in Deutschland ein solches Angebot auf den Weg bringt, dass man versucht, auch in die Spitze hinein Personen anzuwerben. Denn das zeigt sich, wenn man international mobile Wissenschaftler sieht: Die Stars in ihren Fachgebieten ziehen auch die jungen Talente an. Das heißt, wenn wir die großen Namen hierher holen, und dabei darf man nicht verkennen, dass es in Deutschland viele auch international hervorragende Wissenschaftler gibt, aber wenn wir noch mehr auch internationale Spitzenkräfte hierher bringen, dann schaffen wir kritische Massen, die eine Sogwirkung dann ausbreiten werden.

    Biesler: Mit Georg Schütte, dem Generalsekretär der Humboldt-Stiftung sprach ich über die Reform der Förderprogramme der Stiftung und über das, was sonst noch nötig ist, um Deutschland als Forschungsstandort attraktiv zu halten. Vielen Dank.

    Schütte: Gerne doch.