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"Wir haben gar nichts zu verbergen"

Der Vorsitzende des Deutschen Zahnärzteverbands, Thorsten Sorg, bestreitet, dass Zahnärzte Patienten "abkassieren" würden. Man spreche vor einer Behandlung intensiv mit den Patienten. Gegen eine Rechnungskontrolle spreche nichts, jedoch sei für den Patienten der erste Ansprechpartner der behandelnde Zahnarzt.

Thorsten Sorg im Gespräch mit Sandra Schulz | 11.04.2012
    Sandra Schulz: Länger wollen wir es nicht machen, wach sind Sie jetzt sehr wahrscheinlich. Angst vorm Zahnarztbesuch, die hat für viele natürlich mit dem Bohrer oder mit noch schlimmerem zu tun. Angst vorm Zahnarzt beschleicht viele Patienten aber auch, wenn es ums Finanzielle geht. Da kann für gesetzlich Versicherte eine Zahnbehandlung schon mit einem Kurzurlaub konkurrieren, auch und oder weil die Krankenkassen oft nur einen kleinen Teil erstatten und der größere Anteil als private Zusatzleistung abgerechnet wird, wobei die Lektüre der Rechnungen in der Regel mehr als eine intellektuelle Herausforderung ist. Darum will sich der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen jetzt kümmern und künftig auch den Teil der Rechnung kontrollieren oder häufiger kontrollieren, den die Versicherten aus eigener Tasche zahlen.
    Am Telefon begrüße ich jetzt den Vorsitzenden des Deutschen Zahnärzteverbandes, Thorsten Sorg. Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Thorsten Sorg: Einen schönen guten Morgen.

    Schulz: Herr Sorg, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung läuft ja Sturm gegen den Vorstoß, haben wir gerade noch mal gehört. Was haben die Zahnärzte zu verbergen?

    Sorg: Wir haben gar nichts zu verbergen. Ich glaube, wir haben sehr gute Argumente gerade eben schon gehört, dass bevor überhaupt eine Behandlung beginnt, der Patient eine umfassende Beratung von seinem Zahnarzt bekommt und erst nach dieser umfassenden Beratung ja die eigentliche Therapie festgelegt wird. Das heißt, wir haben immer den Patienten mit im Boot und wollen mit ihm natürlich auch in Ruhe eine Entscheidung fällen.

    Schulz: Aber wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann müssen Sie uns jetzt noch mal erklären, was denn gegen diese Kontrollen spricht.

    Sorg: Wir sagen nicht, dass das gegen Kontrollen spricht. Ich sage nur, der erste Ansprechpartner ist sicherlich derjenige, der auch den Patienten behandelt hat. Das heißt, wir haben ja ein individuelles persönliches Beratungsgespräch geführt und das kann von jemand Außenstehenden manchmal gar nicht ganz genau nachvollzogen werden. Somit ist als Erster erst mal der Ansprechpartner der, der mit dem Patienten persönlich gesprochen hat, der den Behandlungsfall kennt und den Patienten häufig schon viele Jahre oder Jahrzehnte betreut. Und wenn da irgendwelche Dinge für den Patienten durchaus auch mal nachvollziehbar auf der Rechnung nicht sofort bekannt sind, dann kann er dies doch erst mal mit dem Behandler besprechen.

    Schulz: Es gibt ja relativ massive Vorwürfe auch vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Er sagt, es gebe Zahnärzte, die kassierten, ums auf Deutsch zu sagen, ihre Patienten systematisch ab. Können Sie das heute Morgen hier im Deutschlandfunk kategorisch ausschließen?

    Sorg: Ich weiß nicht, von wem Herr Lauterbach spricht. Also ich weiß nicht, welchen Zahnarzt Herr Lauterbach selber hat. Aber ich kann wie gesagt nur die Erfahrung aus den letzten Jahren schildern, und dass da nur kassiert würde, das halte ich erst mal aus der Luft gegriffen. Es gibt sicherlich bei uns auch unterschiedliche Preise, aber dass man dann gleich sagt, man würde den Patienten abkassieren, das halte ich erst mal für aus der Luft gegriffen.

    Schulz: Unter Abkassieren fällt ja auch, dem Patienten vielleicht etwas zu empfehlen, was medizinisch nicht unbedingt notwendig wäre. Jetzt noch mal die Frage, das habe ich eben noch nicht so richtig verstanden. Wenn das bei den Zahnärzten da alles immer mit rechten Dingen zugeht, warum soll dann nicht noch ein Dritter draufschauen?

    Sorg: Ich habe nicht gesagt, dass jemand Drittes draufschauen kann. Das soll ja durchaus möglich sein. Deswegen ist es ja unter anderem auch so, bevor wir mit der Behandlung beginnen, werden die ganzen Dinge, die vorgesehen sind, durch die Krankenkasse in den meisten Teilen schon gesehen. Auch dort wird - und dazu sind wir verpflichtet und auch überzeugt, dass das gut ist - die gesamte Behandlung, wie sie tatsächlich durchgeführt wird, schon der Krankenkasse mitgeteilt. Das heißt, die Krankenkasse weiß schon von vornherein, welche Dinge denn beim Patienten zur Behandlung anstehen, und deswegen kann sie schon von vornherein erst mal eine Nachfrage starten, gegebenenfalls sogar eine Begutachtung durchführen lassen, und dann muss man nicht im Nachhinein noch mal da herangehen.

    Schulz: Und die Kostenvoranschläge, die bei Ihnen ja Heil- und Kostenplan heißen, die entsprechen dann auch immer der Rechnung, die der Patient hinterher bekommt?

    Sorg: Wenn das mit dem Patienten vorher offiziell vereinbart worden ist, dann ist es so, dass nachher die Rechnung auch dem entspricht, was vorher in der sogenannten Behandlungsplanung besprochen wurde und auch mit dem Patienten vereinbart wurde. Das ist korrekt.

    Schulz: Und Sie begegnen den Patienten, oder umgekehrt gefragt, die Patienten sind da mit dem Zahnarzt auf Augenhöhe?

    Sorg: Davon gehe ich doch ganz fest aus. Also ich kann nur sagen, dass solche Gespräche natürlich abseits der normalen Behandlung durchgeführt werden, weil wir natürlich auch möchten, dass unsere Patienten vorher informiert sind, weil wenn wir nachher erklären müssten, würde das immer schlecht sein. Wir wollen vorher unsere Patienten aufgeklärt und gut beraten wissen.

    Schulz: Aber es gibt doch viele Patienten, die sagen, na ja, wenn mein Zahnarzt das empfiehlt, das wird dann schon richtig sein. Sind Sie wirklich davon überzeugt, dass Patienten, wenn sie ihre Rechnung hinterher studieren, das auch verstehen und nachvollziehen können?

    Sorg: Die Leistungen, die in der Rechnung auftauchen, werden natürlich manchmal etwas kurz beschrieben. Aber ich darf nochmals betonen: Da steht doch jeder Behandler seinem Patienten, den er lange Jahre betreut, zur Verfügung und kann dann das, was vielleicht dort nicht auf den ersten Blick sofort zu verstehen ist, dem Patienten in Worten erläutern, ihn da sofort in die Klarheit bringen.

    Schulz: Aber wenn man sich das Mal ganz genau anschaut: Es gibt mehrere Krankenkassen, die haben Musterrechnungen ins Internet gestellt. Da möchte ich mal eine Zeile vorlesen: Region 2.1, Anzahl 1, Leistung -13b, Leistungsbezeichnung abzüglich zweiflächige Füllung nach Bema. Sie glauben, darüber ist ein sozusagen Gespräch auf Augenhöhe möglich?

    Sorg: Ja natürlich. Das kann ich jetzt ganz klar für die Hörer schon erläutern. Wenn man vorher mit dem Patienten gesprochen hat, sagt man, dass er in dem Fall vielleicht ein höherwertiges Füllungsmaterial gewählt hat, und er bekommt aber einen Standardzuschuss von seiner gesetzlichen Krankenkasse und der wird nachher bei der Rechnung abgezogen.

    Schulz: Haben Sie dann Probleme - das klingt bei Ihnen alles so, als würden Sie so etwas gar nicht beobachten -, dass die Patienten Ihnen jetzt künftig weniger als Patient begegnen, sondern eher als Verhandlungspartner?

    Sorg: Wir haben in den letzten Jahren durchaus einen Wandel auch beim Informationsgrat der Patienten bekommen. Das heißt, die Patienten kommen viel informierter in unsere Praxen. Das ist auch gut so. Wir haben überhaupt kein Problem, unseren Patienten zu erläutern, was getan wird Wir wollen ja nicht immer nur entscheiden, weil wenn wir mit dem Patienten gesprochen haben und sagen, was wir vorhaben, erfährt auch unsere Arbeit eine durchaus bessere Wertschätzung und das ist auch ein durchaus Positives für uns. Wenn wir uns vielleicht mal an 30 Jahre vorher erinnern, Mund auf und es geht los, das ist nicht mehr die Realität, sondern wir sprechen vorher intensiv mit unseren Patienten, weil die Patienten besser informiert sind und noch besser informiert werden wollen, und das ist durchaus eine positive Entwicklung der letzten Jahre.

    Schulz: Die Kassenzahnärztliche Vereinigung hat gestern auch auf den Wettbewerb hingewiesen, das klingt bei Ihnen jetzt auch so ein bisschen an, der inzwischen existiere zwischen den Zahnärzten. Kommt es denn vor, dass jemand Ihnen sagt, Nein, das ist mir zu teuer?

    Sorg: Auch das kommt vor. Man hat unterschiedliche wirtschaftliche Möglichkeiten bei dem Patienten und dann diskutiert man eben auch die unterschiedlichen Möglichkeiten und es kommt auch dazu, dass jemand sagt, ja, das ist bei mir nicht möglich, und dann kann man immer noch einen Alternativvorschlag machen. Wir bewegen uns auch immer noch auf einem sehr hohen Niveau, wenn wir eine Versorgung wählen, die vielleicht nicht unbedingt das High-End-Produkt ist.

    Schulz: Was raten Sie Patienten, die sich über den Tisch gezogen fühlen?

    Sorg: Erst mal zu ihrem Zahnarzt zu gehen und zu sagen, warum es vielleicht zu etwas gekommen ist, was ihm vorher nicht so bewusst war. Wie gesagt, natürlich kann in einem Fachbereich, in dem man sich als Patient nicht immer auskennt, auch eine Frage aufkommen, gar keine Frage. Aber wie gesagt, dafür stehen wir zur Verfügung und Nummer eins an Ansprechpartner ist immer erst mal derjenige, der die Arbeit durchgeführt hat und der auch die Beratung gemacht hat. Es kann im Rahmen einer Behandlung durchaus zu Veränderungen kommen, darüber werden aber auch die Patienten aufgeklärt, denn wir können nicht zu Beginn einer Behandlung schon absehen, was vielleicht alles sich ergeben kann. Kurzes Beispiel: Wir sehen, dass eine Krone nicht mehr ganz so intakt ist, sie muss erneuert werden, aber wir können erst endgültig beurteilen, wie der Zahn darunter aussieht, wenn die Krone abgenommen ist.

    Schulz: Thorsten Sorg, der Vorsitzende des Deutschen Zahnärzteverbandes, heute in den "Informationen am Morgen" hier im Deutschlandfunk. Haben Sie vielen Dank dafür.

    Sorg: Sehr gerne! Danke Ihnen auch und einen schönen Tag.

    Schulz: Danke.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.