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"Wir haben unser erstes Wahlziel erreicht"

Das Wahlergebnis zeige, "dass Union und FDP zusammen eine Mehrheit, eine klare Mehrheit - auch ohne Überhangmandate - bekommen", stellt Jürgen Rüttgers, CDU-Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen fest. Er will dafür sorgen, dass es unter einer schwarz-gelben Bundesregierung nicht zu sozialen Härten kommt - gerade auch im Hinblick auf seine Landtagswahlen im Mai nächsten Jahres.

Friedbert Meurer im Gespräch mit Jürgen Rüttgers | 28.09.2009
    Friedbert Meurer: ... für die Union, nur 1949, beim allerersten Mal, hat die Union noch weniger Stimmen bekommen. Aber es hat für Schwarz-Gelb gereicht. Am Telefon in Düsseldorf begrüße ich Jürgen Rüttgers, oder vielleicht auch in Berlin, er wird es uns gleich sagen, der Ministerpräsident. Guten Morgen, Herr Rüttgers!

    Jürgen Rüttgers: Guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: ... in Berlin, nehme ich an, sind Sie?

    Rüttgers: In Berlin, natürlich, ja.

    Meurer: Herr Rüttgers - ein halber Sieg gestern Abend?

    Rüttgers: Ja, wir haben unser erstes Wahlziel erreicht, dass es einen Regierungsauftrag für die Union und die FDP gegeben hat, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt. Darüber freuen wir uns natürlich sehr, denn das Ganze findet ja statt auf dem Hintergrund einer dramatischen Veränderung der Parteienlandschaft. Es zeigt, dass es noch möglich ist, dass Union und FDP zusammen eine Mehrheit, eine klare Mehrheit - auch ohne Überhangmandate - bekommen. Das freut uns. Wir hätten natürlich gerne zugelegt, aber das ist unter den Bedingungen nicht gewesen. Darüber werden wir natürlich auch diskutieren.

    Meurer: Wieso hat es nicht gereicht, die Position zu halten vom letzten Mal, die ja schon ohnehin niedrig war?

    Rüttgers: Das hat damit zu tun, dass die Große Koalition schon Auswirkungen gehabt hat, und zwar für alle, die drin waren - katastrophal bei der SPD, bei uns leichte Verluste. Und diejenigen, die nicht drin waren, die haben zugelegt, siehe FDP.

    Meurer: Ganz schlecht das Ergebnis der CSU in Bayern, nur 41 Prozent, weniger als bei der Landtagswahl. Kann auch Horst Seehofer nicht zaubern?

    Rüttgers: Ja, da ist ja auch eine Veränderung der Parteienlandschaft insofern gewesen, als die FDP ein Ergebnis in Bayern bekommen hat, was sie so noch nicht hatte. Das führt dann dazu, dass die Verluste, die die Union insgesamt gehabt hat, hauptsächlich in Bayern angefallen sind. Wir in Nordrhein-Westfalen sind natürlich ganz stolz darauf, dass wir sehr gut abgeschnitten haben und damit auch maßgeblich zu diesem Ergebnis beigetragen haben.

    Meurer: Sie haben aber auch einige%e verloren.

    Rüttgers: Na ja, in Westdeutschland, Herr Meurer, 2,6 Prozent Verluste, bei uns nur 1,3 Prozent Verluste, also die Hälfte, und auch flächendeckend die Wahlkreise gewonnen, also, bis auf natürlich im Ruhrgebiet. Aber das ist nicht mehr so, dass Nordrhein-Westfalen jetzt das Stammland der SPD ist.

    Meurer: Die FDP bekommt 15 Prozent. Wie viel Selbstvertrauen hat die FDP jetzt, wie schwer wird es für die Union werden, mit ihr zusammen zu regieren?

    Rüttgers: Ich glaube, dass das eine gute Zusammenarbeit wird, ich glaube auch, dass die Koalitionsverhandlungen schnell und zügig abgeschlossen werden können. Das hat auch was mit Nordrhein-Westfalen zu tun. Natürlich haben Union und FDP ein Interesse daran, in Nordrhein-Westfalen die nächste Landtagswahl zu gewinnen, das heißt, da ist jetzt gar keine Zeit, da muss man anfangen. Das wird sich vor allen Dingen um eine Wachstumspolitik drehen müssen, die wir jetzt konzipieren, damit wir gestärkt aus der Krise hervorkommen.

    Meurer: Werden Sie sich dafür einsetzen als Ministerpräsident, dass keine sozialen Härten in Berlin beschlossen werden, zumindest nicht bis zur Landtagswahl im Mai bei Ihnen?

    Rüttgers: Ja. Wir verstehen uns in Nordrhein-Westfalen als Garant dafür, dass Nordrhein-Westfalen beitragen kann, dass es in Deutschland weiter gerecht zugeht. Das ist das, was wir wollen, das ist übrigens auch ökonomisch richtig, denn - das haben ja nun die letzten Jahre gezeigt - Politik der sozialen Marktwirtschaft heißt, wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit.

    Meurer: Also, das Einzige, was die FDP bekommen wird, sind ein paar moderate Steuersenkungen in der Zukunft?

    Rüttgers: Das werden wir jetzt alles besprechen, wir werden ja Anfang des Jahres schon die ersten Steuersenkungen haben, die noch von der Großen Koalition beschlossen sind. Weitere wird es im nächsten Jahr, nach meiner Auffassung, nicht geben können, rein von der Finanzsituation her. Aber das Thema wird dann für die Legislaturperiode zu besprechen sein. Ich glaube, dass wir mit der FDP auch ein Programm werden verabreden können, das für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land von Bedeutung ist, wenn ich mal an das Thema Schonvermögen erinnern darf.

    Meurer: Sie gelten ja sozusagen als der sozialdemokratischste der CDU-Ministerpräsidenten. Wenn man den Erfolg der FDP sieht - müssen Sie wieder marktwirtschaftlicher werden?

    Rüttgers: Ich bin derjenige, der immer gesagt hat: Es ist ein Riesenfehler, zu glauben, dass Marktwirtschaft, eine freiheitliche Marktwirtschaft nichts mit einem solidarischen Sozialstaat zu tun hat. Beides gehört zusammen. Sie können Wachstum auch nur haben, wenn Sie auf der einen Seite den Haushalt konsolidieren und gleichzeitig auch investieren in Innovationen und in Infrastruktur.

    Meurer: Wäre da eine Große Koalition für Sie persönlich besser gewesen in Düsseldorf?

    Rüttgers: Nein, sondern: Sie haben ja gerade bei Herrn Müntefering gehört, dass er völlig ratlos ist, wie es weitergehen soll, im Kern nun auch sagt, das war alles richtig, aber noch gar nicht verstanden hat, was bei der SPD passiert war. Wir haben in Nordrhein-Westfalen in den letzten Wochen eine beispiellose Schmutzkampagne erlebt durch die SPD, auch durch Herrn Müntefering, und die ...

    Meurer: Die SPD sieht das genau andersherum, dass Sie aus der Staatskanzlei heraus Videoattacken gesteuert haben.

    Rüttgers: Das ist aber inzwischen ja nun bewiesen, dass das nicht der Fall war, sondern dass diese ganzen Videos aus der SPD-Parteizentrale gemacht worden sind.

    Meurer: Aber es gibt ja immerhin eine E-Mail Ihres Abteilungsleiters Boris Berger: Wie organisieren wir die dauerhafte Beobachtung, fragt er da in der E-Mail.

    Rüttgers: Das ist falsch, sondern da geht es um die ganz normale Beobachtung von Veranstaltungen. Das hat mit Videos überhaupt nichts zu tun gehabt. Das kann man in den E-Mails lesen, zeigt eben nur: Die hätten - das war ja Ihre Frage -, sie hätten aus SPD alles getan, um das Regieren in Nordrhein-Westfalen schwieriger zu machen.

    Meurer: Schönen Dank! An der Stelle müssen wir leider einen Punkt setzen. Jürgen Rüttgers, Entschuldigung, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen im Deutschlandfunk heute Morgen. Danke schön!