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"Wir haben zu viel Strom im deutschen Markt"

Kohlekraftwerke passen nicht zur Energiewende, sagt Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Stattdessen brauche man für die Umstellung auf erneuerbare Stromquellen vor allem Gaskraftwerke. Sie kritisiert, die Energiewende habe ein Imageproblem.

Claudia Kemfert im Gespräch mit Christiane Kaess | 31.10.2013
    Christiane Kaess: Viel Konkretes gibt es noch nicht bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. Bei der Europapolitik kamen sich die Unterhändler gestern zum ersten Mal näher und zu konkreten Ergebnissen, was nicht überrascht, denn zum Beispiel eine Finanztransaktionssteuer, darüber war man sich ja schon lange einig. Wenn es um die Energiepolitik geht, möchte man auch in der EU-Kommission gerne ein Wörtchen mitreden. Zugeschaltet ist uns jetzt Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Guten Tag!

    Claudia Kemfert: Guten Tag, Frau Kaess.

    Kaess: Frau Kemfert, glauben Sie, wenn eine schwarz-rote Koalition in Berlin zustande kommen sollte, dass die das Tempo bei der Energiewende drosseln würde?

    Kemfert: Das ist schwer zu sagen, weil der Druck ja in der Tat sehr groß ist. Auf der einen Seite geht es darum, dass man die erneuerbaren Energien weiter ausbauen muss. Da geht ja der Weg hin. Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch noch immer konventionelle Kraftwerke, am besten Gaskraftwerke, die sehr gut kombinierbar sind mit den erneuerbaren Energien, weil sie flexibel einschaltbar sind und leicht hoch- und runterfahrbar sind, weniger Treibhausgase verursachen, und das wäre der eigentliche richtige Weg. Nur die rechnen sich im Moment nicht, weil der Börsenpreis an der Strombörse derzeit sehr, sehr niedrig ist, was auch dazu führt, dass wir die Steigerung der EEG-Umlage haben, weil die sich errechnet aus der Differenz zum Börsenpreis. Da ist ein komplexes Sammelsurium an Aufgaben vor dieser neuen Regierung und ich hoffe einfach, dass sie das auseinanderdividieren kann und wir auch einen richtigen guten Weg haben zur Fortsetzung der Energiewende.

    Kaess: Sie sagen also, wir brauchen die Kohlekraftwerke noch. Brauchen wir sie auch so sehr, dass sie tatsächlich subventioniert werden sollten?

    Kemfert: Nein. Ich glaube ohnehin nicht, dass wir neue Kohlekraftwerke brauchen. Die jetzigen werden ja auch aus Altersgründen immer mehr vom Netz gehen. Sie sind nicht gut kombinierbar und passen auch nicht in die nachhaltige Energiewende. Sie sind nicht gut kombinierbar mit den erneuerbaren Energien, weil sie dazu konzipiert sind, immer dauerhaft zu laufen über das Jahr.

    Kaess: Das heißt, wir brauchen anders konzipierte Kohlekraftwerke?

    Kemfert: Wir brauchen vor allen Dingen Gaskraftwerke, denn die sind gut kombinierbar mit den erneuerbaren Energien. Es wird sicherlich in der Zukunft ein Sockel noch an Kohlekraftwerken da sein, die haben wir auch, sie werden ja auch noch immer zugebaut, aber in der Zukunft kann es nicht darum gehen, dass wir noch mehr Kohlekraftwerke brauchen, oder, dass wir die jetzigen noch subventionieren, denn das ist nicht die Energiewende. Wir brauchen in erster Linie Gaskraftwerke und da muss man Wege finden, wie man sie in Bälde bekommt. Der Börsenpreis ist im Moment denkbar niedrig, der muss sich wieder stabilisieren. Das würde übrigens funktionieren über einen höheren CO2-Preis. Da ist in der Tat Brüssel gefragt, darüber habe ich jetzt leider nichts gehört. Das wäre in der Tat die wichtigste Aufgabe, die Brüssel im Moment hat, den Emissionshandel wieder zum Leben zu erwecken.

    Kaess: Noch kurz zur Kohle. Sie befürchten auch nicht, so wie es die Energiekonzerne befürchten, es käme zu Blackouts, sollten die Kohlekraftwerke nicht weiterlaufen?

    Kemfert: Nein. Wir haben im Moment Überkapazitäten, wir haben zu viel Strom im deutschen Markt, was auch daran liegt, dass wir immer noch Kohlekraftwerke am Netz haben, insbesondere im Westen und im Osten Deutschlands, und die erneuerbaren Energien kommen ja noch hinzu. Im Süden sieht das etwas anders aus, da wird man ja auch in der Zukunft Atomkraftwerke abschalten, dann brauchen wir da neue Kraftwerke, am besten Gaskraftwerke. Aber im Moment haben wir so viel Strom, dass der Börsenpreis ja auch so stark sinkt, sodass wir getrost auch auf Kraftwerke verzichten können. Nicht überall in Deutschland, gerade in Regionen, wo wir diesen Überschuss haben, im Westen oder im Osten, kann man Kraftwerke abschalten, dann würde sich auch der Strompreis stabilisieren und das Problem zum Teil auch von selbst regeln.

    Kaess: Dann schauen wir noch mal genauer auf den Strompreis. Müssen denn die garantierten Vergütungen für Solarstrom zum Beispiel zurückgefahren werden?

    Blick auf ein chinesisches Kohlekraftwerk in der Nähe von Peking
    "Ich glaube ohnehin nicht, dass wir neue Kohlekraftwerke brauchen", sagt Kemfert. (picture alliance / dpa - How Hwee Young)
    "Die Kosten haben sich ja deutlich reduziert"
    Kemfert: Die werden ja immer weiter zurückgefahren. Wir haben ja eine feste Kostendegression, wir haben sogar auch ein maximales Limit eingesetzt, das ist schon das, was man braucht, das sollte man jetzt nicht noch weiter vermindern. Die Kosten haben sich ja deutlich reduziert. Das geht ja auch anhand von dem, was man am Markt sieht. Dass da jetzt auch eine weitere Kostenreduktion notwendig ist, sehe ich im Moment nicht.

    Kaess: Würde das denn den Ausbau erneuerbarer Energien verlangsamen?

    Kemfert: Was im Moment den Ausbau der erneuerbaren Energien verlangsamt, sind die permanenten Diskussionen, dass wir die Energiewende nicht mehr wollen, beziehungsweise die indirekten Andeutungen, dass das alles zu schnell gehe und dass wir doch wieder auf fossile Energien setzen sollen. Das ist im Moment der größte Hemmschuh, das schreckt Investoren ab. Wir haben im Moment ein gutes Vergütungssystem mit dem EEG, da wird man an einigen Stellschrauben arbeiten müssen, das wird auch die Regierung sich angucken, inwieweit man die Versorgungssicherheit erhöht, die erneuerbaren Energien gut aufeinander abstimmt, in Richtung Speicherfähigkeit geht. All die Dinge wird man integrieren müssen, aber nicht grundsätzlich abschaffen. Das, was im Moment schädlich ist, ist die permanente Diskussion über die Abschaffung oder die Energiewende insgesamt, die in Misskredit ist und die wirklich auch ein Image-Problem hat mittlerweile. Das ist das eigentliche Problem, was die Energiewende ausbremst.

    Kaess: Die SPD will die Stromsteuer senken. Wie sinnvoll ist das?

    Kemfert: Grundsätzlich ist das eine machbare Variante. Die Frage ist, ob es wirklich beim Verbraucher ankommt und woher das Geld dann gegenfinanziert wird, weil letztendlich geht diese Stromsteuer ja teilweise in die Rentenbeiträge hinein. Etwas anderes ist es bei der Steuer, die noch zusätzlich bei der EEG-Umlage erhoben wird, weil man bei der EEG-Umlage auch noch mal eine Mehrwertsteuer hat. Da könnte man getrost drauf verzichten beziehungsweise das auch für energiesparende Möglichkeiten einsetzen, denn es geht ja auch in erster Linie um die Verbesserung der Energieeffizienz. Da wird leider viel zu wenig getan.

    Kaess: Noch kurz zum Schluss: Halten Sie es für realistisch, bis 2050 auf die erneuerbaren Energien umzusteigen?

    Kemfert: Das Ziel ist ja, auf 80 Prozent die erneuerbaren Energien zu erhöhen. Das ist auf jeden Fall realistisch. Es ist ein langer Weg zu gehen, wir haben noch vier Jahrzehnte vor uns, das ist technisch machbar, ist auch ökonomisch machbar. Wenn man es klug macht, das heißt auch sehr viel auf Energie sparen setzt, wird es auch durchaus zu ökonomisch verträglichen Preisen machbar sein. Und das ist eben die Energiewende, die wir vor uns haben und die auch durchaus praktikabel ist.

    Kaess: Die Einschätzungen von Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Danke für das Gespräch heute Mittag.

    Kemfert: Ich danke Ihnen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.