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"Wir haben zwei Billionen Schulden in Deutschland"

Klaus-Peter Willsch rechnet nicht damit, dass die Koalition noch vor der Sommerpause Steuersenkungen beschließt. Angesichts drohender Haushaltsrisiken durch die Griechenlandkrise sieht der CDU-Politiker allerdings kaum Spielräume dafür.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Silvia Engels | 22.06.2011
    Silvia Engels: In Berlin verdichten sich die Meldungen, dass die CDU nun doch einer alten Forderung der FDP entgegenkommen will und Steuersenkungen noch für die laufende Legislaturperiode beschließen wird. Seit Beginn der schwarz-gelben Regierung waren die Liberalen mehrfach mit einem solchen Vorstoß gescheitert; die CDU hatte stets auf die hohe öffentliche Schuldenlast und den Sparzwang verwiesen. Am Telefon begrüße ich den Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch. Er vertritt die CDU im Haushaltsausschuss des Parlaments, und das ist genau das Gremium, das darauf achtet, die Ausgaben und Einnahmen des Bundesetats im Gleichgewicht zu halten. Es ist also auch dem Sparen verpflichtet. Guten Tag, Herr Willsch!

    Klaus-Peter Willsch: Guten Tag, Frau Engels.

    Engels: Wie sehen Sie die Idee, nun doch rasch Steuersenkungen zuzulassen?

    Willsch: Ich würde mir nichts mehr wünschen, als den Bürgern mehr Geld lassen zu können. Ich denke aber, dass es im Haushalt einige Risiken gibt, denken wir an die Brennelementesteuer - zwei Milliarden pro Jahr -, denken wir an die Finanztransaktionssteuer und denken wir an Griechenland, sodass das erst mal ordentlich etatisiert werden muss, um Spielräume erkennen zu können. Wir haben zwei Billionen Schulden in Deutschland.

    Engels: Sie sind also dagegen?

    Willsch: Ich will mir erst mal ein Konzept anschauen und schauen, ob alles, was an Risiken auch in der Haushaltsentwicklung steckt, wie ich eben aufgezählt habe, bereits berücksichtigt ist. Wir haben ausgesprochen gute Steuereinnahmen, das ist richtig, aber wir haben auf der anderen Seite eben auch die Notwendigkeit, die Schuldenbremse einzuhalten und damit aufzuhören, dass zu Lasten kommender Generationen Politik gemacht wird.

    Engels: Was müsste denn in einem solchen Konzept drinstecken, dass Sie einer solchen Steuersenkung zustimmen?

    Willsch: Ich will das jetzt noch nicht so zuspitzen, wir haben ja mit der Diskussion gerade erst angefangen und noch nicht in den Gremien darüber gesprochen, sondern es sind nur einzelne Stimmen in den Medien bislang. Aber das genau, was ich angesprochen habe, muss klar sein: Es muss in der Art einer vorsichtigen Haushaltsveranschlagung, also eher ein bisschen pessimistisch herangehend, geschaut werden, was bei den Risiken, die ich genannt habe, zu erwarten ist.

    Engels: Stehen Sie mit dieser eher skeptischen Haltung allein, denn das Thema ist jetzt schon länger im Gespräch, oder haben Sie da Unterstützung auch der CDU-Haushaltspolitiker und vielleicht auch darüber hinaus?

    Willsch: Ja. Norbert Barthle, unser Sprecher, hat sich ja sehr ähnlich eingelassen, auch auf die bestehenden Risiken hingewiesen, und ich glaube, dass das in der Haushalts-Arbeitsgruppe – wir kommen erst nächste Woche wieder zusammen – eine ziemlich verbreitete Auffassung sein wird.

    Engels: Wie stehen Sie da dem Argument gegenüber, dass man der FDP möglicherweise da entgegenkommen muss, denn sie hatte diese Forderung ja lange aufgestellt?

    Willsch: Ich bin ein leidenschaftlicher Anhänger einer bürgerlichen Koalition und ich gönne der FDP, dass sie wieder ordentlich auf die Füße kommt. Aber wir müssen auch unsere Verantwortlichkeit im Haushaltsausschuss sehr ernst nehmen.

    Engels: Deutschland selbst mag es wirtschaftlich gut gehen, aber – Sie haben es angesprochen – die internationalen ökonomischen Verpflichtungen sind gewaltig. Sie selbst, Herr Willsch, haben im letzten Jahr gegen das Hilfspaket für Griechenland gestimmt, Sie warnten vor einem Fass ohne Boden. Sehen Sie die Gefahr speziell mit Blick auf Griechenland weiterhin auch für den Bundeshaushalt?

    Willsch: Ja, natürlich, und zwar zugespitzt. Es ist ja genau so gekommen, wie ich gesagt habe. Es hat sich im Prinzip nichts geändert, die Verschuldung Griechenlands ist gestiegen, es ist nicht erkennbar, wie Griechenland aus diesem selbst verschuldeten Schlamassel herauskommen sollte, und dass das, was bisher nur Bürgschaften und Garantien war, irgendwann auch haushaltswirksam wird, ist ja nicht ausgemacht.

    Engels: Das heißt, angesichts dieser unkalkulierbaren Risiken kann man doch keine Steuersenkungen beschließen?

    Willsch: Das ist zumindest ein Obstaculum, das davorsteht, ja.

    Engels: Werden Sie denn dann diese Gegenwehr, die Sie sich zumindest vorstellen können, auch im Parlament umsetzen? Können Sie sich vorstellen, auch gegen Steuersenkungen zu stimmen?

    Willsch: So weit sind wir ja noch gar nicht. Bis jetzt gibt es eine, wenn ich richtig mitverfolgt habe, in der Koalitionsspitze abgestimmte Idee, wobei aber wie gesagt keinerlei Zahlen auf dem Tisch liegen. Das muss man nun wirklich erst mal in aller Ruhe sich anschauen und prüfen.

    Engels: Wenn wir über Zahlen reden, gibt es denn irgendeinen Bereich, den Sie sich noch vorstellen könnten als Steuerentlastung, noch diese Legislaturperiode wirksam werden zu lassen?

    Willsch: Die Bedrohung auf der Ausgabenseite ist so groß, dass man die wirklich erst mal ordentlich bewerten muss und dann diese mit einer aktuellen Steuerschätzung unterlegt, eventuelle Spielräume zu erkunden. Aber sehr viel Luft wird das nicht und einfach wird das auch nicht.

    Engels: Bis wann muss eine Entscheidung fallen?

    Willsch: Es muss zunächst mal in den Beratungsrang der Fraktion überhaupt rein. Bisher ist es da noch gar nicht angekommen. Ich kenne bisher keinen Fristen- und Zeitenplan. Warten wir erst mal ab, was kommt.

    Engels: Aus Koalitionskreisen ist zumindest zu hören, man plane, diese Steuersenkungen zumindest als Beschluss noch vor der parlamentarischen Sommerpause auf den Weg zu bringen. Ist das Ihrer Ansicht nach ein realistischer Zeitplan?

    Willsch: Das halte ich für sehr ehrgeizig, wenn man sich überlegt, was noch alles zur Sommerpause ansteht. Da haben wir den gesamten Bereich der Energie, da haben wir wahrscheinlich Griechenland. Wo da noch Beratungszeit für Steuerentlastungen sein soll, da habe ich erst mal meine Zweifel.

    Engels: Und ganz am Ende schließen Sie auch nicht aus, dass Sie einer solchen Steuerentlastung, so sie denn kommt, nicht Ihr Ja geben würden?

    Willsch: Das kann ich jetzt wirklich noch nicht sagen. Ich weiß ja nichts als die Überschrift bis jetzt.

    Engels: Klaus-Peter Willsch, Bundestagsabgeordneter, für die CDU im Haushaltsausschuss des Parlaments. Ich danke für Ihre Zeit.

    Willsch: Danke schön!