Donnerstag, 28. März 2024

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"Wir leben mit dieser Terrorgefahr"

Eines der Sprengstoffpakete, die im Jemen aufgegeben wurden und an die USA gerichtet waren, wurde auf dem Flughafen Köln-Bonn umgeladen. Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, kritisiert, in Deutschland werde die Terrorgefahr häufig zur Seite geschoben.

Konrad Freiberg im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 01.11.2010
    Tobias Armbrüster: Wie beobachtet man die ganze Angelegenheit nun bei der deutschen Polizei? Am Telefon bin ich verbunden mit Konrad Freiberg, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei. Schönen guten Tag, Herr Freiberg!

    Konrad Freiberg: Schönen guten Tag, Herr Armbrüster!

    Armbrüster: Hat Sie dieser Fund von Paketbomben im Frachtgepäck überrascht?

    Freiberg: Also überrascht hat mich schon dieser Weg dieses Sprengstoffpaketes, aber nicht insgesamt, dass wir einerseits wirklich in einer Terrorgefahr leben – international, aber auch in Deutschland.

    Armbrüster: Das heißt, Sie waren jetzt nicht überrascht davon, dass es passiert ist, früher oder später, meinen Sie, hätte so was passieren können?

    Freiberg: Ja, ganz ausdrücklich. Bei uns kommt das immer ein bisschen zu kurz, die Terrorgefahr wird beiseite geschoben. Wir leben real in dieser Gefahr und müssen auch damit rechnen, dass bei uns derartige Anschläge passieren.

    Armbrüster: Können wir uns denn irgendwie davor schützen?

    Freiberg: Begrenzt, das muss man immer wieder deutlich sagen. Wir sind ein hoch entwickeltes Land, die Fracht alleine schon, die Luftfracht oder die Schiffsfracht oder der öffentliche Personennahverkehr sind natürlich Angriffsziele, und man kann nicht alle schützen, wir können uns nur bemühen, das, was menschenmöglich ist, aber das sollten wir wenigstens tun. Und deswegen müssen wir auch darüber diskutieren, was können wir tun, insbesondere im Bereich der Luftsicherheit, um uns besser vor derartigen Anschlägen zu schützen.

    Armbrüster: War das hier eine eindeutige Panne am Flughafen Köln-Bonn?

    Freiberg: Ich würde nicht von einer Panne sprechen, ich würde davon sprechen, dass die Defizite vorhanden sind dabei, das war auch allen Fachleuten bekannt. Und von dorther muss man jetzt überlegen, was man international tun kann und was wir natürlich hier bei uns in Deutschland tun können, um die Sicherheit an den Flughäfen zu verbessern.

    Armbrüster: Wir haben jetzt gerade im Beitrag gehört, dass Fluggepäck beim Verladen eigentlich fast überhaupt nicht mehr kontrolliert wird – ist das nicht viel zu lax?

    Freiberg: Ja, das hört sich alles immer sehr einfach an, wenn man aber die Dimensionen betrachtet, was es bedeutet, alleine den Flugverkehr zu kontrollieren – sei es die Fracht in diesem Zusammenhang –, das sind ja wirklich Größenordnungen, die können einen erschrecken. Und wenn man dann sieht, um dieses tatsächlich zu kontrollieren, was ist überhaupt möglich dabei, welche Stoffe kann man feststellen – und es verbietet sich natürlich auch, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen im Einzelnen, was wir heute machen, was wir können und nicht –, das ist natürlich, für die Terroristen wäre das ein gefundenes Fressen, wenn wir das alles öffentlich diskutieren würden.

    Armbrüster: Aber vielleicht können Sie mal ein paar grobe Andeutungen machen, was könnten wir denn verbessern an deutschen Flughäfen?

    Freiberg: Wir können verbessern einerseits den Bereich der Personenkontrollen, da haben wir immer deutlich gemacht, dass es hier Lücken gibt dabei. Das führt auch dazu, dass zum Beispiel der Bundesinnenminister die Luftsicherheit verschlechtert, indem er die Bundespolizei, die für die Luftsicherheit zuständig ist, die fachlich zuständige Behörde, die wird gekürzt um 1000 Stellen bis 2014, also weniger Sicherheit. Und dann müssen wir natürlich überlegen, wie im Bereich der Fracht, ob das alleine den Kargofirmen überlassen bleiben kann, hier für Sicherheit zu sorgen. Und wir haben ja immer wieder auch Einzelfälle, dass dort Angestellte, wenn sie überprüft werden, durch den Verfassungsschutz unter anderem, dass hier auch Lücken entstehen, dass man da Leute beschäftigt, die da nicht hingehören, die gefährlich sind. Und das sind alles Probleme, denen wir uns stellen müssen.

    Armbrüster: Warum kann man denn nicht Frachtgepäck ganz genau wie Passagiergepäck auch einfach durchleuchten und genau untersuchen?

    Freiberg: Natürlich kann man das durchleuchten, aber man muss ja erst mal die Größenordnung sehen, dann muss man die riesigen Container auch betrachten, das sind keine kleinen Koffer, und dann sicherlich ist die Schwierigkeit, welche Stoffe kann man feststellen, was kann man nicht feststellen. Das hat einen ungeheuren Aufwand, und da muss man dann auch deutlich sagen, wir wollen diesen Aufwand betreiben, das sind Kosten für die Firmen, für die Kargofirmen, und das sind natürlich auch Kosten für die Sicherheitsfirmen, die dieses überprüfen müssen.

    Armbrüster: Nun hat der Bundesminister am Wochenende sich erst vor der Presse geäußert, nachdem der britische Premier David Cameron die Paketbomben erwähnt hat. Haben Sie den Eindruck, die Bundesregierung versucht hier so ein bisschen eine Terrorgefahr kleinzureden?

    Freiberg: Das ist immer eine schwierige Balance, die wir da eingehen. Einerseits möchte man den Menschen keine Angst machen, andererseits haben wir in der Vergangenheit auch überlegt, dass man mit der Angst Politik machen kann und will, das darf nicht sein. Und hierin ausgewogen vorzugehen, ist sicherlich angebracht. Aber ich sage ganz deutlich: Wir leben mit dieser Terrorgefahr, wir müssen das den Menschen auch deutlich machen, und vor allen Dingen müssen wir auch das, was menschenmöglich ist, tun, um die Bürger vor derartigen Anschlägen zu schützen.

    Armbrüster: Hätte Thomas de Maizière also in den letzten Tagen deutlicher werden sollen oder auch in den letzten Wochen?

    Freiberg: Ich will ihn jetzt gar nicht an dieser Stelle kritisieren, aber ich glaube, jetzt ist jedem deutlich geworden, was es bedeutet, Luftsicherheit zu gewährleisten – die Luftfracht. Die Ängste, die jetzt natürlich auftauchen, die möchte keiner in der Öffentlichkeit auch verdeutlichen, denn wenn man Angst haben muss zu fliegen, weil man weiß, dass nicht alles kontrolliert werden kann, dann ist das eine schwierige Situation, insbesondere für einen Bundesinnenminister. Aber wir müssen deutlich machen, dass diese Gefahr da ist.

    Armbrüster: Wo wir jetzt schon mal mit Ihnen über Flugzeuge und die Gefahr, die von dort ausgeht, reden, bei Frachtgepäck, gibt es andere Sicherheitslücken in der deutschen Infrastruktur, möglicherweise im Eisenbahnverkehr oder im Schiffsverkehr?

    Freiberg: Man muss deutlich sagen, dass man auch hier wiederum nicht alles schützen kann. Wir können nicht den gesamten Eisenbahnverkehr, den gesamten öffentlichen Personennahverkehr schützen, wir können sicherlich dort überall noch besser werden, wir sind im Wesentlichen aber darauf angewiesen, dass die Bürger uns helfen, wenn sie verdächtige Gegenstände oder Personen sehen. Wir können aber Lücken schließen, zum Beispiel die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, möchte ich auch drauf kommen, weil nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil hat der Bundesinnenminister zugesagt, hier ein Gesetz zu machen – das ist bis jetzt nicht zustande gekommen, weil die Bundesjustizministerin sich da sträubt. Hier ist wirklich eine Ferse für die Terrorbekämpfung, denn die Kommunikationsüberwachung ist zentral für die Terrorbekämpfung.

    Armbrüster: Hätte denn das in diesem Fall etwas gebracht?

    Freiberg: In diesem Fall vermutlich nicht, aber wir haben andere Fälle der Terrorabwehr gehabt, wo es hätte etwas gebracht, wenn. Das ist so – tatsächlich real ist das hilfreich in diesen Bereichen, und wir sehen ja jetzt auch an diesem Fall, das sind weniger deutsche Sicherheitsmaßnahmen, die gegriffen haben, sondern die internationale Zusammenarbeit der Nachrichtendienste war entscheidend. Das macht einen ein bisschen bange damit, aber ich glaube, das gehört auch zur Ehrlichkeit.

    Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk war das Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Vielen Dank für das Gespräch!