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"Wir machen alle Fehler"

Avi Primor, ehemaliger Botschafter Israels in Deutschland, glaubt, dass die katholischen Bischöfe ihre umstritten Äußerungen über die Situation der Palästinenser in einem sehr aufgewühlten emotionalen Zustand gemacht hätten. Die betreffenden Geistlichen hätten eingesehen, dass sie Dinge gesagt hätten, die man so nicht sagen könne. Damit sei für ihn die Sache erledigt, zumal Israel und die katholische Kirche heute sehr gut miteinander zurecht kämen.

Moderation: Elke Durak | 07.03.2007
    Durak: Sie haben die schwersten Vorwürfe auf sich gezogen, die katholischen Bischöfe, die dieser Tage Israel und die Palästinenser-Gebiete besucht haben. "Antisemitismus", "Demagogie", "wer solche Freunde hat braucht keine Feinde mehr" und "wer Vergleiche zwischen dem Warschauer Ghetto und der Lage der Palästinenser anstelle habe alles vergessen, nichts gelernt und moralisch versagt". Der Zentralrat der Juden in Deutschland, Israels Botschafter Stein und andere jüdische Vertreter sind hell empört über Äußerungen einiger Bischöfe, in Israel entstanden unter den Eindrücken von den Lebensbedingungen der Palästinenser.

    Avi Primor war Botschafter Israels hier in Deutschland und ist heute Leiter des Instituts für europäische Studien an der Herzliya-Universität in Tel Aviv, nun am Telefon. Schönen guten Tag Herr Primor.

    Primor: Guten Tag Frau Durak.

    Durak: Sie haben ja die Bischöfe während ihres Besuches erlebt, einen ganzen Abend mit ihnen verbracht. Halten Sie sie oder einige von ihnen für Antisemiten und Demagogen?

    Primor: Weder noch! Weder noch! Wir haben einen sehr guten Abend, einen sehr sachlichen Abend verbracht. Ich habe eine Rede vor der Versammlung gehalten und dann gab es eine lange Diskussion, die sehr vernünftig und sehr sachlich war. Das hat weder mit Antisemitismus noch mit Demagogie irgendetwas zu tun.

    Dennoch muss ich Ihnen sagen, ich habe manche Äußerungen gehört, die wirklich nicht zutreffen, also nicht was Kardinal Lehmann gesagt hat. Ich habe seine Äußerungen gelesen. Die sind perfekt. Man kann natürlich diskutieren, man kann Meinungsverschiedenheiten haben, aber es war vollständig, vollkommen in Ordnung, vernünftig und intelligent und entspricht der Lage. Zwei oder drei Bischöfe haben tatsächlich den Fehler gemacht, die Probleme der Palästinenser, das Leid der Palästinenser, das Elend der Palästinenser mit dem Holocaust zu vergleichen und das ist wirklich Unsinn, weil es gibt überhaupt keinen Vergleich. Zunächst einmal gibt es überhaupt keinen Vergleich mit Nazi-Verbrechen in der gesamten menschlichen Geschichte. Darüber hinaus geht es hier aber um einen Krieg zwischen zwei Völkern. Die Juden haben ja keinen Krieg gegen die Deutschen geführt. Im Gegenteil. Die Juden waren ja die größten Patrioten in Deutschland, haben nie Deutsche umgebracht oder so etwas.

    Die Palästinenser oder zumindest Teile der Palästinenser sind ja unsere Feinde. Seit 1947 versuchen sie, den Staat Israel zu vernichten und üben Terroranschläge gegen Israel aus. Nicht alle, natürlich nicht alle Palästinenser. Das sind aber ganz, ganz andere Umstände. Außerdem versuchen wir doch Gott behüte nicht, das palästinensische Volk umzubringen. Wir versuchen uns nur gegen Terror zu verteidigen. Wenn wir da manches Mal übertreiben - und das tun wir auch -, dann darf man uns kritisieren, dann soll man uns sogar kritisieren, aber mit den Nazis zu vergleichen ist wirklich zumindest ein Unsinn, und das ist eine Untertreibung.

    Durak: Es waren ja auch einige wenige Bischöfe, die sich so geäußert haben. Sie haben diese Äußerungen relativiert zurückgenommen. Die Bischofskonferenz hat auch ausdrücklich gesagt, Vergleiche zwischen dem Holocaust und der Lage der Palästinenser seien nicht annehmbar und auch nicht beabsichtigt gewesen. Sollte eine echte Entschuldigung folgen?

    Primor: Ich glaube wenn man einsieht, dass man einen Fehler gemacht hat, dann ist das für mich vollkommen in Ordnung. Wir machen alle Fehler und die Hauptsache ist wir können es einsehen. Manches Mal kann ich mir vorstellen, dass die Leute, die das Elend der Palästinenser mit den eigenen Augen beobachten können, aufgewühlt und aufgebracht sind. Das kann ich verstehen. Dann hat man manches Mal die Tendenz, etwas zu übertreiben. Aber wenn man es einsieht und versteht, dass man übertrieben hat, dann ist ja alles in Ordnung.

    Durak: Herr Primor, liegt die Übertreibung vielleicht auch in der Reaktion jüdischer Vertreter, denn die Vergleiche Antisemitismus, Demagogie oder auch judenfeindlicher Versuch, die Taten der Nazis zu relativieren, das sind schwere Geschütze. Sind die angemessen?

    Primor: Ich glaube nicht, dass man jegliche Kritik gegen die israelische Regierung oder gegen eine gezielte israelische Politik sofort mit Antisemitismus vergleichen sollte. Ich glaube, dass man Israel genauso kritisieren darf wie man andere kritisieren darf beziehungsweise soll, wenn man Meinungsverschiedenheiten hat. Aber wenn man sofort jeden, der uns kritisiert, als Antisemit bezeichnet, dann unterstützen wir die Antisemiten. Dann schießen wir uns ins Knie. Ich glaube nicht, dass wir das tun sollten.

    Dass die Bischöfe - manche Bischöfe; die meisten gar nicht, aber zwei, drei Bischöfe - Dinge gesagt haben, die man nicht sagen soll, das haben sie ja selber erkannt. Also wozu muss man das weiter bringen?

    Durak: Sie haben es schon angedeutet. Die Reaktion von jüdischen Vertretern könnte sozusagen nach hinten losgehen. Was wäre jetzt angebracht? Vielleicht ein gemeinsames Gespräch?

    Primor: Schauen Sie ich gehe davon aus, dass die meisten Bischöfe, wenn nicht alle, wohlwollend sind und eigentlich nur aufgebracht waren, weil sie Menschen gesehen haben die leiden. Wenn sie dann verstehen, dass sie da oder dort übertrieben haben und dies anerkennen, dann glaube ich nicht, dass es noch etwas benötigt. Ich glaube, dass wir heute mit der katholischen Kirche im Grunde genommen sehr gut zu Recht kommen. Die katholische Kirche hat die Fehler der Vergangenheit anerkannt, hat mehrfach mea culpa gemacht und ich glaube nicht, dass wir heute irgendeinen Streit mit der katholischen Kirche brauchen. Wir brauchen es nicht und es ist auch nicht gerechtfertigt.

    Durak: Avi Primor, ehemals Botschafter Israels in Deutschland. Herzlichen Dank Herr Primor für das Gespräch.