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"Wir müssen die Bundeswehr zukunftsfähig aufstellen"

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ingo Gädechens unterstützt die Pläne des Verteidigungsministers zur Reform der Bundeswehr. Er forderte, die Armee müsse sich neuen Herausforderungen stellen. Eine Aussetzung der Wehrpflicht bedeute nicht ihre Abschaffung.

Ingo Gädechens im Gespräch mit Martin Zagatta | 14.08.2010
    Martin Zagatta: Hat die letzte Stunde der Wehrpflicht geschlagen? Jedenfalls nimmt die Bundeswehrreform so langsam konkrete Züge an. Verteidigungsminister zu Guttenberg erwägt auch nach unseren Informationen, die Bundeswehr stark zu verkleinern, zehntausende Soldaten einzusparen, und Wehrdienst sollen demnach nur noch einige tausend Freiwillige leisten – Pläne, die vor allem in den eigenen Reihen umstritten sind. Für uns Anlass, heute Morgen mit Ingo Gädechens zu reden: Er sitzt für die CDU im Verteidigungsausschuss und weiß besonders gut, wovon er spricht, denn bevor er im vergangenen Jahr Abgeordneter wurde, war er Soldat, Berufssoldat. Guten Morgen, Herr Gädechens!

    Ingo Gädechens: Einen wunderschönen guten Morgen, Herr Zagatta, aus Schleswig-Holstein!

    Zagatta: Ja, danke schön! Das, was uns jetzt am meisten interessiert und was Widerspruch hervorruft, ist ja, dass die Wehrpflicht de facto abgeschafft werden soll. Hat der Verteidigungsminister da Ihre Rückendeckung?

    Gädechens: Also man muss natürlich die Gesamtsituation der Bundeswehr betrachten über die vergangenen Jahre, seit 20 Jahren Einheitsarmee. Die Bundeswehr hat große Herausforderungen bewältigt und hat jetzt völlig neue Aufgaben, als es damals … Warschauer Pakt und die NATO, als die sich unversöhnlich gegenüberstanden.

    Wir haben das Thema Wehrpflicht eigentlich viel zu lange an bestimmten Punkten aufgehängt und haben nicht zur Kenntnis genommen, dass die Wehrgerechtigkeit immer weiter gesunken ist, dass nur noch 18 Prozent eines Jahrgangs Wehrdienst leisten. Und ich fand es von Anbeginn mutig vom Bundesminister der Verteidigung, dass er dieses Thema nun endlich auf den Tisch gebracht hat.

    Ich bin ein Anhänger der Wehrpflicht, weil ich gesehen habe, dass der Wehrdienst sehr viel Gutes bewirkt hat, nicht nur für die Bundeswehr als Staatsbürger in Uniform, sondern auch für die jungen Menschen, die lernen mussten, mit verschiedensten Charakteren klarzukommen und die Kameradschaft gelernt haben. Und deshalb bin ich lange, lange Zeit ein Anhänger der Wehrpflicht gewesen, bin es noch heute, und wir sind ja dabei, jetzt ein modernes Modell zu entwickeln, dass wir den Wehrdienst erhalten, die Pflicht an der Stelle vielleicht aussetzen.

    Zagatta: Aber aussetzen, das bedeutet doch abschaffen, also das sagte auch der Bundesaußenminister heute so, dass er das begrüßt. Die FDP ist ja ohnehin dafür. Aussetzen ist abschaffen?

    Gädechens: Ja, nun, aussetzen, ich sage mal, muss nicht Abschaffung bedeuten, denn wir haben ja die Wehrpflicht zu beurteilen beziehungsweise haben wir sie mal eingeführt aufgrund der sicherheitspolitischen Lage um uns herum, und da hat man gesagt: Ich kann diesen tiefen Eingriff in die individuelle Freiheit eines jungen Bürgers vornehmen, weil die sicherheitspolitische Lage um uns herum so bedrohlich ist. Das, in einem demokratischen Rechtsstaat, darf ich aber nur fordern von einem jungen Mann, wenn diese Sicherheit sich weiterhin so darstellt.

    Ich denke mal, die Sicherheitssituation um uns herum hat sich entspannt. Dass sie internationale Aufträge angenommen haben in internationalen Verbänden, heute Sicherheit gewährleisten an ganz anderen Stellen der Welt, kann heute keiner mehr wegdiskutieren, das sieht man beim KFOR- und ISAF-Mandat: Das sind ganz andere Herausforderungen, und dort können wir Wehrpflichtige schon gar nicht mehr einsetzen.

    Zagatta: Das wollte ich gerade sagen, also deshalb läuft doch eigentlich auch, wenn man von Abschaffung spricht, läuft das auf Aussetzen hinaus. Das sagt auch der CSU-Chef Seehofer jetzt so, der dagegen ist. Der sagt: Wer die Wehrpflicht aussetzt, der schafft sie ab. Also wird da jetzt nicht nur etwas verschleiert, um das Ganze der Öffentlichkeit und in der politischen Diskussion in Ihrer Partei vielleicht auch etwas schonender zu verpacken?

    Gädechens: Na ja, verschleiert – das ist immer so ein Begriff. Ich denke mal, wenn man Tabus angeht, wenn man jetzt wirklich vorausschauend denkt und die Bundeswehr endlich mal in Strukturen bringen möchte, die über den Tag hinaus Bestand haben, dann bewirkt das natürlich eine Diskussion. Und da gibt es dann Parteifreunde, die sagen: Aber das war gut, und das wird auch immer gut bleiben. Und andere sagen: Wir müssen uns den neuen Herausforderungen stellen. Ich gehöre zu denen, die sagen: Wir müssen uns den neuen Herausforderungen stellen, und wir brauchen mehr und mehr gut ausgebildete Soldaten, die einfach länger brauchen als sechs Monate und neun Monate, um diese hochtechnisierte Armee, um das Gerät, das sie bedienen, auch beherrschen zu können. Und deshalb sage ich mal, stellen wir uns dieser Diskussion.

    Ich finde es gut, dass man bei der Reduzierung insbesondere der Berufs- und Zeitsoldaten sehr vorsichtig umgegangen ist, es gibt dort ja auch Reduzierungspotenzial, weil wenn wir nur noch 7500 Wehrdienstleistende ausbilden müssen, können wir auf viele Ausbilder an dieser Stelle verzichten. Also wir müssen uns hier bewegen und wir müssen die Bundeswehr zukunftsfähig aufstellen, und sie ist reformgebeutelt, alle zwei, drei, vier Jahre kam wieder eine Reform auf die Bundeswehr zu, die dann nie so ganz zu Ende geführt wurde. Und wenn wir jetzt Strukturen anpacken, dann müssen sie auch mal langfristig Bestand haben.

    Zagatta: Also Sie, das höre ich da wohl durch, könnten sich da zur Not auch mit diesen Plänen von Verteidigungsminister zu Guttenberg abfinden, was die Wehrpflicht angeht. Wie schätzen Sie die Lage da in Ihrer Partei ein, ist das mit der Union zu machen? Aus der CSU kommt ja schon, aus Guttenbergs eigener Partei kommt ja schon wieder heftiger Widerspruch.

    Gädechens: Ja, ich denke mal, die Diskussion ist breit gespannt, der Bogen ist breit gespannt. Viele von meinen Parteifreunden hier in Schleswig-Holstein sind natürlich auch Anhänger der Wehrpflicht und sagen, also wir müssen schon … auch um die Akzeptanz in der Bevölkerung der Bundeswehr zu erhalten, brauchen wir dieses Modell weiterhin. Andererseits sind viele, die sagen: Ihr habt jetzt die Wehrpflicht auf sechs Monate reduziert, was bringt das noch? Sechs Monate kann man den Soldaten nicht ausbilden. Ich habe das sehr bedauert, dass man diese Diskussion, die wir jetzt führen, nämlich die Bundeswehr in eine andere Struktur zu bringen, dass man die nicht vorgeschaltet hat. Aber manchmal kann man Zeitabläufe auch nicht so regeln, wie man sie gerne geregelt haben möchte.

    Zagatta: Aber wenn Sie einerseits und andererseits sagen – wenn es zur Abstimmung kommt über diese Pläne, müssen Sie sich entscheiden. Ist eine Aussetzung, eine Abschaffung der Wehrpflicht mit Ihnen zu machen, könnten Sie da zur Not zustimmen?

    Gädechens: Also ich würde einer Fortführung des Wehrdienstes zustimmen, die, wenn die sicherheitspolitische Lage sich um uns herum wieder ändert, auch die Wehrpflicht wieder einführen kann. Und ich glaube auch, dass, wenn es so dramatisch sich um uns herum entwickeln sollte, wir die Wehrpflicht wieder einführen könnten. Diesem Modell würde ich zustimmen.

    Zagatta: Also dann haben wir nicht nur kriegsähnliche Zustände, sondern eine berufsarmeeähnliche Bundeswehr.

    Gädechens: Ja.

    Zagatta: Ja, und dieser Streit, der da abzusehen ist – Sie schwenken da ein –, die CSU, selbst CSU-Chef Seehofer, hat ja da heftigen Widerstand schon angemeldet. Die ersten Stimmen aus der CSU deuten auch darauf hin, dass man da mit dem eigenen Verteidigungsminister nicht übereinstimmt. Jetzt ist ja die Regierungskoalition gerade mit dem Versprechen in die Ferien gegangen, sich künftig weniger zerstritten zu präsentieren. Ist die Verteidigungspolitik … widerspricht die, wirft die diese Einheit, diese geplante Einheit da schon wieder über den Haufen?

    Gädechens: Na, das werden wir mal sehen. Ich glaube schon, dass sich alle darüber im Klaren sind, dass nach der Sommerpause hier intern diskutiert wird und dass dann gemeinsame Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert werden. Mich irritiert zum Beispiel auch schon wieder, dass jetzt die Gazetten alle voll sind von Überschriften: Freiwilligenarmee, Guttenberg-Vorschlag. Eigentlich wollte der Minister ja am 23. der Kanzlerin die endgültigen Ergebnisse, die mir auch noch nicht bekannt sind, vorstellen, und dann eben in dem Bereich Verteidigung seine Modelle präsentieren.

    Gut, nun ist die Presse natürlich auch immer gut informiert, das ist auch gut so, aber ich selber bin umfänglich über das Modell noch nicht unterrichtet, weiß im Wesentlichen auch die Dinge dann aus der Presse und bin gespannt, wie die Feinformulierungen aussehen. Mit diesen Formulierungen gehen wir dann in die innerparteiliche Diskussion, und dann werden sich die Landesverbände so aufstellen, dass es sicherlich einen guten Beschluss auch auf dem Bundesparteitag geben wird.

    Zagatta: Warten wir’s ab! Das war der Verteidigungspolitiker der CDU Ingo Gädechens, Herr Gädechens, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Gädechens: Ich danke auch, tschüss.