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"Wir müssen draußen bleiben"

Auch wenn aus der Bundesliga bis heute keine weitreichenden Dopingskandale bekannt sind, bleibt trotzdem die Frage: Wie sauber ist die Bundesliga? Das Doping-Kontrollsystem des deutschen Fußballs ist offensichtlich löcherig: Es gibt keine Trainingskontrollen bei den Profis - weder zuhause noch in deren Freizeit.

Von Sebastian Krause | 25.04.2010
    Pressekonferenz des FC Bayern München mit Trainer Louis van Gaal vor einigen Tagen an der Säbenerstraße: Vollkommen unerwartet spricht der Bayern-Coach plötzlich ein Thema an, das sonst an gleicher Stelle eher selten bis überhaupt nicht diskutiert wird:

    "Gestern hatten wir die Dopingkontrollen. Zehn Spieler - Dopingkontrolle, ich konnte nicht normal trainieren."

    Dopingkontrollen beim FC Bayern-Training - auch in der Fußball-Bundesliga wird also inzwischen außerhalb der Wettkämpfe - wie in anderen Sportarten - getestet. Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Allofs:

    "Das ist auch eine vernünftige Sache. Manchmal behindert das ein wenig den Trainingsablauf, das ist richtig. Aber es sind beschlossen Dinge. Und was wir - glaube ich - der Öffentlichkeit bisher auch zeigen konnten ist, dass der Fußball sauber ist."

    Doch negative Dopingproben sind noch lange kein Beweis dafür, dass nicht gedopt wird. Ehemalige Doper wie Ex-Radprofi Bernhard Kohl wurden dutzendfach getestet, ohne erwischt zu werden.
    Die Suche nach Beweisen für die Sauberkeit des Deutschen Fußballs führt zu Rainer Koch, Vorsitzender der Anti-Doping-Kommission des DFB und gleichzeitig Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes. Koch lädt zu einem Interview in sein geräumiges Büro über den Dächern Münchens ein und verkündet dabei, der DFB nehme das Thema Doping ernst:

    "Sehr ernst, schon ein einziger Dopingfall ist einer zuviel. Wir haben eine Vereinbarung mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur, NADA, die sehr eng mit dem DFB zusammen arbeitet. Die Wettkampfkontrollen werden vom DFB durchgeführt. Wohingegen die Trainingskontrollen auf die NADA übertragen sind, die auch in eigener Zuständigkeit selber entscheidet, welche Spieler kontrolliert werden. Der DFB ist hier nur für die Bezahlung zuständig."

    500 Wettkampfkontrollen pro Jahr in den Fußball-Bundesligen, so Koch. 2008 hat die NADA 498 Trainingskontrollen für den DFB durchgeführt - aktuelle Zahlen wurden noch nicht veröffentlich.

    Auf die Frage, ob bei den Kontrollen Urin und/oder Blutproben von den Spielern genommen werden, ist sich der Ansprechpartner Nr. 1 in Sachen Anti-Doping beim DFB unsicher, holt sich Rat bei Mitarbeitern, um dann zu erklären:
    "Aktuell sind die Dopingkontrollen des DFB Urinkontrollen. Von denen 12,5 Prozent auf freiwilliger Basis vom DFB auch auf EPO untersucht werden."

    Egal ob direkt nach den Bundesliga-Spielen im Stadion oder auf dem Trainingsgelände - im deutsche Fußball werden also nur Urinkontrollen durchgeführt. Ein Nachteil, denn bestimmte Substanzen können nur im Blut nachgewiesen werden, so Doping-Analytiker Detlef Thieme vom deutschen Anti-Doping-Labor in Kreischa:

    "Wo man wirklich unbedingt Blut braucht, sind vor allem Wachstumshormon und einige Erythropoetine, zum Beispiel das CERA, was bei der Tour de France vor zwei Jahren traurige Berühmtheit erlangt hat."

    Aber mit welchen Substanzen macht Doping im Fußball überhaupt Sinn? Nachgefragt bei Sportmediziner Tim Meyer, Teamarzt der Deutschen Nationalmannschaft:

    "Doping würde auch im Fußball eindeutig etwas bringen. Sicherlich ist es von Vorteil, wenn man die Ausdauer oder die Sprintschnelligkeit verbessert. Und die Substanzen, die dafür in Frage kommen, sind Muskelwachstum fördernde Substanzen wie Anabolika, Wachstumshormon. Aber auch Substanzen, die die Sauerstoff-Förderung im Blut unterstützen, also EPO, EPO ähnliche Dinge oder Blutdoping."

    Keine Blutkontrollen und damit keine Möglichkeit, die für den Fußball sehr wohl relevanten Dopingsubstanzen wie CERA-EPO, Wachstumshormon und Blutdoping zu entdecken.

    Die unangekündigten Doping-Kontrollen außerhalb der Bundesligaspiele werden von der Firma PWC aus Gilching bei München durchgeführt. Die Kontrolleure des Unternehmens mit Geschäftsführer Volker Laakmann stehen regelmäßig bei so manchen Radfahrern, Handballern, Schwimmern, Eishockeyspielern oder Ski-Langläufern vollkommen überraschend vor der Tür. Im Fußball, so Laakmann…

    "...da ist es etwas anders. De facto ist es so, dass wir lediglich an den Trainingsstätten kontrollieren. Die Heimatadressen der Athleten fahren wir eigentlich nicht an. Es kann natürlich vorkommen, dass wir zum Training hinfahren, und dann ist ein Spieler verletzt. Dann kommt der Spieler eben zum Trainingsgelände oder wir fahren auch schon mal hin - das ist aber selten."

    Auch die Nationale Anti-Doping-Agentur bestätigt auf Anfrage: Im deutschen Fußball ist bei Kontrollen das Trainingsgelände Anlaufstelle Nr. 1.

    Auch bei dem Bremer Nationalspieler Marko Marin klingelte noch kein Kontrolleur morgens um halb sechs Uhr:

    "Nein, zum Glück noch nicht. Aber im Training schon."

    Will heißen: An trainingsfreien Tagen, etwa nach anstrengenden englischen Wochen, finden bei Bundesligisten keine unangemeldeten Kontrollen statt. Die aber nach Ansicht von Doping-Analytiker Detlef Thieme aus dem heutigen Anti-Doping-Kampf nicht mehr wegzudenken sind:

    "Wachstumshormon, Testosteron, aber auch EPO für die Ausdauerleistung, für die gilt jeweils: Diese Substanzen sind im Körper immer vorhanden, und eine Manipulation muss dadurch nachgewiesen werden, dass vielleicht die Konzentration oder die Signatur irgendwie anders ausschaut. Und das geht nur kurzfristig. Da muss man kurz nach der Applikation den Athleten kontrollieren. Und da gilt auf jeden Fall, dass die Dauer nicht 24 Stunden betragen darf - nach der fraglichen Einnahme. Ansonsten sind die Chancen vergleichsweise gering."

    Es stellt sich also die Frage: Wie ernst nimmt der DFB den Anti-Doping-Kampf wirklich? Wenn nicht die bestmöglichen Dopingkontrollverfahren angewandt werden. Wenn bis heute keine Blutprofile von den Spielern angelegt wurden, wie in anderen Sportarten, wo es um weit weniger Geld geht. Perikles Simon, Leiter der Abteilung Sportmedizin an der Universität Mainz und Gendoping-Experte der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), ist davon überzeugt, dass in der Deutschen Fußball-Bundesliga gedopt wird:

    "Es ist natürlich auch so, dass nicht gerade Geldmittel in der Bundesliga ein Problem sind - für Spieler, Funktionäre, Trainer oder sonst wen. So dass man einfach sagen muss: Wenn man genau weiß, dass zwar teurere Mittel - aber dann eben auch Dopingmittel und nicht nachweisbar - auf dem Markt sind, dann ist die Versuchung eventuell groß. Ich will das niemandem unterstellen. Es widerspricht nur irgendwie einer vernünftigen Betrachtung unserer Welt, wenn wir davon ausgehen, der Fußball sei hier nicht betroffen."

    Gerade "König Fußball" sollte in Deutschland im Anti-Doping-Kampf als Vorbild vorangehen:

    "Da gäbe es einfach noch Möglichkeiten, sich prominenter hervorzutun. Es ist ja so, dass bestimmte Verbände wie Rudern und Kanu sicherlich die finanziellen Mittel nicht hätten, um das zu machen. Wenn ein Verband in Deutschland einen sehr effektiven Anti-Doping-Kampf führen könnte, dann ist das doch der DFB."