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"Wir mussten davon ausgehen, dass alles bedacht wird"

Er habe "keine Gefahrenpunkte gesehen, die auf eine Katastrophe hindeuteten," sagt Fritz Pleitgen, der eine Zeit lang auf dem Festgelände war. Er bezweifelt, dass wirklich 1,4 Millionen Menschen vor Ort waren.

27.07.2010
    Jasper Barenberg: ... 2010 ehemaliger Intendant der ARD, einen schönen guten Morgen auch Ihnen, Herr Pleitgen!

    Fritz Pleitgen: Guten Morgen!

    Barenberg: Herr Pleitgen, Sie haben gestern gesagt, Sie fühlen sich im moralischen Sinne mitverantwortlich für die Katastrophe. Was meinen Sie damit?

    Pleitgen: Ja, wir haben ja von der RUHR.2010 gesagt, dass eine Loveparade im Ruhrgebiet sehr wünschenswert sei, es sind ja auch zwei Veranstaltungen außerordentlich erfolgreich über die Bühne gegangen. Wir sind der Meinung, dass jungen Menschen auch hier im Ruhrgebiet etwas geboten werden muss. Wir hatten allerdings keine Erfahrungen, welche Sicherheitsbedenken da bestehen könnten, darauf sind wir nicht hingewiesen worden. Es war ein erprobtes Format, und wir haben gesagt, das passt zu unserem Konzept, wir wenden uns mit unserem Programm an junge Menschen in vielfältiger Form – in Theateraufführungen, wir gehen in Stadtteile, die sehr sozial ... soziale Brennpunkte sind. Und dieses Programm gehörte, dieses Konzept passte dazu. Es war aber das einzige Konzept, wo wir – oder die einzige Veranstaltung – wo wir nicht beteiligt waren als Organisator. Wir haben keine finanziellen Zuwendungen gegeben, wir hatten auch keine Entscheidungsbefugnis. Wir mussten davon ausgehen, dass alles bedacht wird, dass die Sicherheit auch gewährleistet ist.

    Barenberg: Mir sind keine Warnungen bekannt, sagt Oberbürgermeister Adolf Sauerland heute. Jetzt gibt es so viele Hinweise auf Mahnungen im Vorfeld, aber auch Ihnen ist davon nichts zu Ohren gekommen im Vorfeld?

    Pleitgen: Nein. Es ist allerdings auch interessant, dass derartige Dinge nicht vorher auch schon in der Presse erschienen sind, denn darüber ist ja diskutiert worden, ob die Veranstaltung überhaupt stattfinden kann, aber aus finanziellen Erwägungen heraus. Der Platz hat allerdings auch eine Rolle gespielt, darüber ist diskutiert worden: Kann auf einem solchen Platz so etwas stattfinden? Da ging es aber um die Frage, ist es gewährleistet, dass der ordentlich hergerichtet ist, nicht dass da Menschen zu Schaden kommen, weil der Untergrund nicht in Ordnung ist. Aber die Zugänge, die jetzt hier in der Diskussion sind, all das, was ich vorhin gehört habe, das ist überhaupt nicht in der Öffentlichkeit erschienen. Es ist gut, dass jetzt entsprechender Druck gemacht wird, dass man das herausbekommt, aber ich bin mir nicht sicher, ob dann auch wieder ganz andere Informationen herauskommen. Ich bin ja selbst dort gewesen, hab mir das angeschaut, der Platz war gut gefüllt, aber es gab da noch erhebliche Ausweichmöglichkeiten. Also ich hatte da keine Gefahrenpunkte gesehen, die auf eine Katastrophe hindeuteten. Als ich wegging, war dort ein fröhliches Fest im Gang, und ich hab erst dann, als ich das Fernsehen einschaltete, zu meinem Entsetzen festgestellt, dass es da zu einer Paniksituation gekommen war. Ich hab mir dann auch später den Tunnel angesehen. Mir fehlen ja die Kenntnisse, um zu sagen, da hätte das passieren müssen. Aber alle Beteiligten, die ich kannte, waren erfahren im Umgang mit solchen Situationen. Sie hatten die Veranstaltungen in Essen und in Dortmund gemanagt, wo meiner Erinnerung nach noch mehr Menschen gewesen sind. Diese Zahl von 1,4 Millionen, die jetzt für Duisburg genannt werden, die bezweifele ich sehr. Auf dem Platz habe ich vielleicht 200.000 oder maximal 300.000 Menschen gesehen. Also es ist gut, dass jetzt diese Information in die Öffentlichkeit kommt, damit man sich ein genaues Bild machen kann.

    Barenberg: Vielen Dank für dieses Gespräch, Fritz Pleitgen, Chefplaner der RUHR.2010, ehemaliger Intendant der ARD.

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