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"Wir sehen das nicht als Bedrohung"

Seit 60 Jahren gibt es die Deutsche Presseagentur, dpa, Deutschlands größte Nachrichtenagentur. Sie beliefert deutsche Redaktionen auf einer genossenschaftlichen Basis. Das Internet mit seiner Informationsflut zwingt die Agentur - die schon Großkunden verloren hat - zum Umdenken.

Von Vera Linß | 15.08.2009
    "Zeit der Treulosen"

    "Die Nachrichtenagentur kämpft gegen die Krise"

    "Eine Agentur im Umbruch"

    "Ich glaube, dpa ist nicht wirklich in einer Krise. Aber sie muss sich neu aufstellen, weil ihre alte Organisationsform offensichtlich nicht mehr so funktioniert. Also dieses Solidaritätsmodell, das scheint ein bisschen in die Jahre gekommen zu sein. Das muss neu justiert werden."

    "Es hat natürlich immer schon die Überlegung gegeben, ob die dpa deshalb an Bedeutung verliert, weil neue Medien ihren klassischen Kundenstamm, die Zeitungen, bedrängten."

    "Es ist natürlich, dass in der allgemeinen Medienkrise natürlich auch die Nachrichten mit hineingezogen werden. Aber wir verstehen uns vor allem als Dienstleister für die Medien und wollen mit unseren Angeboten auch helfen, dass diese Medienkrise überwunden wird."

    Ihren einstigen Ruf der Unentbehrlichkeit hat die dpa nicht erst in ihrem sechzigsten Jahr verloren. Dass nicht alle Medienhäuser in Deutschland die Dienste der Agentur in Anspruch nehmen, ist nicht neu. In ihren Anfangsjahren jedoch war die dpa Informationsquelle Nummer eins für Presse und Rundfunk.

    "Die dpa ist ein Geschöpf der Nachkriegszeit, und wie das Mediensystem überhaupt im Wesentlichen durch die Direktiven der alliierten Besatzungsmächte entstanden,"

    … sagt Jürgen Wilke, Publizistikprofessor an der Universität Mainz und Experte für Nachrichtenagenturen.

    "Am Anfang standen drei Agenturen in den Besatzungszonen – in der amerikanischen, der französischen und der britischen. Und diese drei Besatzungszonenagenturen haben sich dann im August '49 zur dpa zusammengeschlossen, die am ersten September dann ihren Betrieb aufnahm."

    Wichtigstes Kriterium bei der Gründung war: Die dpa sollte komplett staatsunabhängig sein. Man entschied sich, sie in Medienbesitz zu geben – das heißt, die Agentur gehört Pressehäusern und Rundfunkanbietern. Maximal 1,5 Prozent der Genossenschaftsanteile darf ein Eigentümer besitzen. So soll vermieden werden, dass ein Großverlag die dpa dominieren könnte. Hinter all dem steckt die Idee der Solidarität, wie der jetzige dpa-Chefredakteur Wilm Herlyn erklärt.

    "Die dpa ist gegründet aus dem Solidaritätsgedanken, dass die großen Medien den kleinen Medien helfen, denn natürlich kann ein kleines Regionalblatt sich es gar nicht finanziell leisten, einen großen Korrespondentenapparat im Ausland zu haben, auch nicht im Inland. Also insofern gibt es eine Solidarität."

    Dazu gehört auch, dass sich die Höhe der Abogebühr, die Kunden zu zahlen haben, nach der Höhe der Auflage richtet. Kleine Blätter zahlen deutlich weniger als auflagenstarke Regionalzeitungen. Ein Monatsabo kann so ein paar Tausend Euro, aber auch einen hohen fünfstelligen Betrag kosten.
    Vorbild für dieses solidarische Genossenschaftsmodell war die amerikanische Association Press, AP. Sie ist – neben der britischen Reuters und der französischen AFP – eine der drei großen Weltagenturen. Die dpa zählt zu den Größten der kleineren Nachrichtenanbieter. Ihren internationalen Durchbruch erlangte sie im November 1963 – am Tag des Mordes an John F. Kennedy.

    "Es gibt die schreckliche Meldung von dem Tod von John F. Kennedy, die ein Funker von unserer Funkerbude als erstes von der 'Voice of America' gehört hatte und wir die Meldung umgesetzt haben. Wir waren die erste Agentur in der ganzen Welt, die diese Bestätigung der Todesnachricht gesendet haben. Das war eigentlich auch der Durchbruch der Anerkennung einer internationalen Agentur."

    Heute wird die dpa von 191 Gesellschaftern getragen. Über 1000 Mitarbeiter sind weltweit im Einsatz. Allein im Basisdienst – dem Herzstück des dpa-Angebots – werden täglich bis zu 650 Meldungen versandt. Die Agentur versteht sich seit jeher als Chronistin; als Rohstofflieferantin für die Medien. Wilm Herlyn:

    "Das Grundrauschen, das wir den Kunden geben und zwar in einem sehr geordneten und vorgeplanten Raster, damit die Kunden wissen, wann und was und wie sendet die dpa, nicht nur den Text, sondern auch Bilder und auch Grafiken, und auch Audio und auch Video, und erfüllt damit das Grundrauschen des regionalen, nationalen und des internationalen Geschehens."

    Wie schnell Nachrichten ihre Empfänger erreichen, hängt naturgemäß immer vom Entwicklungsstand der Technik ab. Aufgrund ihrer Funktion, als erste andere Medien mit Informationen zu beliefern, galten die Agenturen immer als Vorreiter, wenn es darum ging, neueste Übertragungsgeräte zu nutzen.

    "Sie hießen ja ursprünglich auch Telegrafenbüros, weil die Telegrafie am Anfang stand. Und mit der Erfindung der Fernschreiber, oder dann in den 60ern mit dem Hinzukommen der Satelliten, ist dann jeweils immer die neueste Technik auch adaptiert worden. Insofern standen die Agenturen immer an der Spitze der Übermittlungstechnik."

    … erklärt Publizistikprofessor Jürgen Wilke. Mit dem Internet allerdings hat sich dies geändert. Heute sind andere schneller. In Blogs, Chats und über "Twitter" bringen User und Bürgerreporter in Echtzeit Neuigkeiten an die Netzgemeinde. Bei diesem Tempo wirken Agenturen wie die dpa, als hätte man sie abgehängt.

    "Das mag häufig schon sein. Nur auf der anderen Seite ist immer die Frage, ob diese Quellen hinreichend zuverlässig sind. Denn die Nachrichtenagentur garantiert natürlich auch eine Recherche, ein sogenanntes Vier-Augen-Prinzip, dass verschiedene darüber sehen, und von daher gesehen die Authentizität oder die Verlässlichkeit der Information gesichert ist. Das können Sie bei Bloggern und bei Bürgerreportern können Sie das gar nicht überprüfen."

    Das sieht die dpa genauso. Sie betrachtet das Internet als ein Rechercheinstrument, sagt Chefredakteur Wilm Herlyn.

    "Wir sehen das nicht als Bedrohung. Sind aber, das ist unser Statut und unser journalistisches Selbstbewusstsein und auch Auftrag, dass wir gerade diese Nachrichten, die im Internet auftauchen, dass wir die nicht nur wiedergeben, sondern vor allen Dingen erstmal recherchieren, ob sie denn wahrheitsgemäß ist. Also wir sind gehalten, alle Quellen, die wir von außen kommen, sehr, sehr kritisch uns anzukucken und nach zu recherchieren."

    Auch wenn im Internetzeitalter die dpa nach wie vor unverzichtbar ist: Das Netz wirft dennoch seine Schatten auf die Agentur, wie der Medienjournalist Steffen Grimberg erklärt.

    "Die dpa ist herausgefordert durch die Möglichkeiten letztlich ganz vieler anderer Medienunternehmen im Internet so was Ähnliches wie Agenturdienste anzubieten. Dadurch, dass es heute sehr viel einfacher ist, über das Verbreitungsmittel Internet eigenen zum Beispiel Rundfunk, Zeitungs- usw. Korrespondent als Informationsquellen auch anderen Medien zur Verfügung zu stellen, ist letztlich das Alleinstellungsmerkmal der Agentur ein bisschen ins Wanken geraten."


    Es ist nicht das erste Mal, dass sich die dpa neu abgrenzen muss. Immer, wenn neu aufkommende Medien ihren klassischen Kundenstamm, die Zeitung, bedrängten, stellte sich die Frage, ob die Agentur nun an Bedeutung verliert. Aber auch die neuen Medien – Fernsehen und Radio – waren immer auf die dpa angewiesen. Mit dem Internet jedoch ist alles anders. Deshalb sind die früheren Umbrüche nicht von dieser Tragweite gewesen, wie heute.

    "Das ist sicher eine Umbruchkrise, weil der ganze Medienumbruch, die Konvergenz der Medien doch einen entscheidenden Strukturwandel des Mediensystems mit sich bringt. Trotzdem würde ich jetzt nicht sagen, dass sie vor einer Krise steht. Die Tatsache, dass sie immer noch 95 Prozent der deutschen Tageszeitungen beliefert, ist immer noch ein stabiles Fundament."


    Doch dieses Fundament bröckelt. Schon 1995 verließ mit der "Lausitzer Rundschau" die erste Zeitung den Kundenstamm der dpa. Andere folgten. Was Chefredakteur Wilm Herlyn zwar zunächst einmal gelassen sieht.

    "Wir haben immer damit leben müssen, dass die eine oder andere Zeitung die dpa-Dienste ganz oder nur Teile von dpa genommen hat. 'Lausitzer Rundschau', 'Saarbrücker Zeitung', 'Rheinzeitung' in Koblenz oder andere. Die sind alle wieder zurückgekehrt."

    Einige blieben aber auch weg, wie die "Rheinische Post" aus Düsseldorf, die "Rheinpfalz" in Ludwigshafen oder die Chemnitzer "Freie Presse". Wichtigstes Argument immer wieder: die hohen Kosten, die für ein dpa-Abo aufzubringen sind.


    Mit dem Internet sind die Zeitungen noch mehr unter Finanzdruck geraten. Sinkende Auflagen, schlimmer aber noch: sinkende Werbeeinnahmen; die Kostenloskultur im Netz und die Tatsache, dass es noch kein funktionierendes Geschäftsmodell für Print im Internet gibt, werfen die Zeitungen in eine Krise, die sich auch auf die dpa niederschlägt. Darum ist es vorstellbar, dass noch mehr Blätter aus dem Solidarmodell dpa abspringen.

    "WAZ spart dpa ein"

    "WAZ will dpa loswerden"

    "Rückzug der WAZ lässt dpa wanken"

    Für Aufsehen sorgte die Kündigung der Verträge mit der dpa durch den Essener "WAZ"-Konzern zum ersten Januar dieses Jahres. Etwa drei Millionen Euro pro Jahr kann das Verlagshaus damit einsparen – Geld, das der dpa nun fehlt. Bedenklicher aus Sicht der dpa jedoch scheint, dass die Entscheidung der Mediengruppe "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" – mit über 500 Titeln das drittgrößte Verlagshaus Deutschlands und einer der größten Regionalzeitungsverlage Europas – Signalwirkung haben könnte.
    Offiziell begründet die WAZ ihren Rückzug mit inhaltlichen Argumenten.

    "Das ist zunächst mal eine publizistische Entscheidung, und wenn Sie sich unsere Titel heute ansehen, sind sie besser geworden. Und das ist auch eine Reaktion des Marktes. Wir haben eine erfreuliche Verbesserung, was die Auflagen angeht."

    … sagt WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach. Allerdings räumt er auch ein, dass finanzielle Gründe eine Rolle gespielt haben.

    "Natürlich ist es zusammengefallen mit unseren Sparnotwendigkeiten und die Tatsache, dass wir die Verträge mit dpa umgestellt haben auf andere Agenturen, die preiswerter sind, hat dazu geführt, dass wir mehr Journalisten beschäftigen können."

    In der Branche wird die Entscheidung der WAZ kritisch diskutiert. Von unsolidarischem Verhalten ist die Rede. So sieht es auch Publizistikprofessor Jürgen Wilke.

    "Wenn man jetzt aus dieser Agentur aussteigt, dann beginnt man, diese natürlich zu schwächen. Man schwächt damit die Investitionsmittel, die Leistungskraft einer solchen Agentur und schafft eine Situation, in der möglicherweise dann an einem bestimmten Punkt zur Aufrechterhaltung der Dienste dieser Agentur, man auf Staatsmittel angewiesen ist. Das will die Agentur nicht. Und insofern muss man die ganze Relevanz einer solchen Kooperative vor dem Hintergrund alternativer Organisationsformen im Blick haben."

    Ob das Solidarmodell bedroht ist, mag WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach hingegen nicht beurteilen. Auch wenn er die Sorge um eine unabhängige Berichterstattung versteht.

    "Das kann ich teilen. Aber wir haben ja in Deutschland ein öffentlich-rechtliches System, das sich nicht am Markt bewähren muss, sondern von Gebühren finanziert wird. Wir haben auch Systeme, die vom Steuerzahler finanziert werden. Das hat zum Teil seine Berechtigung. Das sind alles gesellschaftliche Aufgaben von Rang. Aber das können nicht am Markt kämpfende Unternehmen finanzieren, die ihren eigenen Weg gehen müssen. Wer das erwartet, vermischt hier Verantwortung."

    Zu einer anderen Entscheidung als die WAZ kam die "Hessisch-Niedersächsische Allgemeine", HNA. Im Frühjahr dieses Jahres testete das Verlagshaus aus Kassel sechs Wochen lang den Verzicht auf dpa und abonnierte alternativ den Konkurrenten ddp, Deutscher Depeschendienst. Abonnements mit Auslandsagenturen wie AP liefen weiter. Einen sechsstelligen Betrag konnte die HNA auf diese Weise einsparen. Dennoch entschloss man sich, bei der dpa zu bleiben. Ohne inhaltliche Notwendigkeit, wie HNA-Chefredakteur Horst Seidenfaden betont

    "Dpa ist gut, ist besser als ddp. Es geht ohne dpa. Ddp ist langsamer, noch. Ddp bringt weniger Themen, covert nicht alles, wie es man in den Redaktionen gern sehen würde. Ddp ist wesentlich kostengünstiger und von der Vorab-Organisation, dass man Tagesvorschauen bekommt, wann was möglicherweise in den Redaktionen aufschlägt, haben die noch erhebliche Defizite. Ddp ist im Bilderdienst manchmal noch besser, dpa hat im Laufe dieser Monate auch ne ganze Menge Fortschritte gemacht. Wie gesagt, es geht ohne dpa, aber mit dpa geht's auch besser."


    Was hingegen auf keinen Fall fehlen darf, ist das Internet. Vieles haben die Kasseler in der Zeit ohne dpa selbst recherchiert. Ohne das Internet hätte man jedoch Probleme gehabt, die Themen richtig zu gewichten, räumt Horst Seidenfaden ein.

    "Das heißt, ich muss ununterbrochen im Laufe des Tages gucken, was tut sich im Netz. Was macht "SPIEGEL"? Welche Themen hat "FOCUS", "Financial Times Deutschland" usw. Und dann hat man einen groben Überblick und kann für sich auch schon mal thematisch Schwerpunkte setzen, die ddp eventuell hinterher bietet, die man eventuell aber auch allein machen kann."

    DPA- Meldungen aus dem Internet geklaut habe man jedoch nicht, versichert Seidenfaden. Wie übrigens auch WAZ- Manager Bodo Hombach. Dem Verlagshaus aus Essen wird immer wieder nachgesagt, dpa-Inhalte illegal zu verwenden, also sogenannten Content-Klau zu betreiben.

    "Es gibt ganze Truppen und Agenten, die unsere Internetseiten durchforschen, ob nicht irgendwas dpa-ähnlich sein könnte. Und die Tatsache, dass es nur in einem einzigen Vorgang mal an die große Glocke kurz nach unserer Entscheidung gehangen wurde, zeigt mir, dass offenkundig der Vorwurf nicht gerechtfertigt ist, sonst hätte ich ganze Scharen von Anwälten hier schon im Haus."

    Nichtsdestotrotz: Content-Klau ist – aus Sicht der dpa – eine weitere negative Begleiterscheinung des Internets. Zwar liegen dem Management noch keine Zahlen darüber vor, welchen Schaden der Diebstahl von Inhalten bedeutet. Aber:

    "Ich bin davon überzeugt, dass es wirtschaftliche Nachteile hat.""

    … so Malte von Trota, Vorsitzender der dpa-Geschäftsführung.

    "Denn wir haben die Situation, dass wir einfach an Inhalten, die wir mit Journalisten erzeugen, dass wir – ich nenn es mal so – keinen fairen Anteil bekommen. Wir sind nicht die, die sagen, wir wollen jedem Blogger, der bei uns was raus nimmt und das diskutieren will, wollen wir Geld verlangen. Das ist unfair, das ist ein Mensch, der will kommunizieren, der will ja kein Geld verdienen. Ich sag immer 'Stop' dort, wo jemand unsere Inhalte verwendet, um zu monetarisieren. Von daher, die Größenordnung ist ganz schwer einzuschätzen. Aber sie wird, und davon bin ich überzeugt, zunehmen."

    Juristisch gegen Content-Klau vorzugehen, ist jedoch schwierig, hat Malte von Trota erkannt. Denn das Netz ist komplexer und komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint.

    "Ich gebe Ihnen ein Beispiel, wir haben ein eigenes Tool, um Bilder im ganzen Web zu erkennen, die uns gehören und können prüfen, ob diese Bilder rechtmäßig oder unrechtmäßig. Da müssen Sie aber sehr präzise sein. Denn oft ist es, das sind dann plötzlich Pool-Fotos oder es sind Fotos, die wir anderen zur Verfügung gestellt haben mit den Rechten. Deshalb sind wir in der Phase, wenn man das gesamte Web nimmt, die entsprechenden Strukturen aufzubauen, Erfahrungen zu sammeln, um dann auch präzise zu arbeiten. Denn unser Ziel ist es, mit denen, die unsere Inhalte systematisch verwenden, in Kontakt zu kommen, zu sagen, lasst uns Partner sein, lass uns Verträge abschließen, um hier wieder unseren Fair Share zu bekommen." "

    Auch Texte, so vermutet dpa-Chefredakteur Wilm Herlyn, werden im Netz großzügig ausgeschlachtet. Seit einigen Monaten ist man dem auf der Spur.

    "Wir selber haben eine Maschine eingesetzt, den sogenannten Attributor, der erkennt, welche Inhalte von der dpa schlicht geklaut sind. Und natürlich beschreiten wir auch die normalen juristischen Wege, wenn's uns wirklich allzu arg erscheint mit den üblichen Abmahnungen, Unterlassungsverpflichtungserklärung et cetera pepe."

    Gerichtsprozesse hat es noch keine gegeben, Gesetzesbrecher, die natürlich ungenannt bleiben, aber schon, versichert Herlyn.

    "Wir haben schon welche gefunden."


    Eine weitere Herausforderung des digitalen Zeitalters: Das Internet schafft neue Bedürfnisse bei Zeitungslesern und Usern. Darauf müssen die Zeitungen reagieren. Deren Wünsche werden immer heterogener. Das bekommt die dpa zu spüren. Die Einnahmen für ihr Basisangebot sind in den letzten 15 Jahren um ein Drittel gesunken. Spezialangebote sollen Abhilfe schaffen: multimediale Nachrichten für Kinder, Videos für die Onlineportale der Zeitungen oder ein bilingualer deutsch-türkischer Dienst.
    Angebote, die die Betriebskosten erhöhen. Nur drei Millionen Euro Gewinn, 1,5 Millionen weniger als im Vorjahr, konnte die dpa für 2008 verbuchen. Trotz steigender Umsätze. An der Perspektive einer multimedialen Agentur, die sich auf viele verschiedene Wünsche einstellen muss, geht dennoch nichts vorbei. Für "HNA"-Chefredakteur Horst Seidenfaden hat die dpa hier Nachholbedarf.

    "Vielleicht müssten sie auch in enger Abstimmung mit Regionalzeitungen, mit überregionalen Zeitungen ihre Produkte mal durchdeklinieren und auch mal offener sein, als in der Vergangenheit für Anregungen und die auch schneller umsetzen,"

    … fordert Seidenfaden.

    "Es hat ja auch was mit der Perspektive der deutschen Zeitungslandschaft zu tun. Dpa muss einfach möglicherweise neue Produkte entwickeln. Und das wird jetzt vielleicht ein Reizthema sein, gerade in der Medienbranche. Wenn kleinere Zeitungen nach wie vor der Ansicht sind, dass sie ein Komplettangebot im redaktionellen Teil machen wollen mit Mantelredaktion, mit allem Drum und Dran, dann stellt sich irgendwann die Frage, wenn diese Verlage Kosten sparen wollen, werden sie das nicht im lokalen und regionalen tun, sondern irgendwann im Mantelbereich. Warum kann dpa sich denen nicht andienen und denen die Seiten liefern?"

    Umgekehrt kann sich Seidenfaden ganz neue Geschäftsverbindungen zwischen Agentur und Zeitungen vorstellen. Ein Geben und Nehmen sozusagen, zum Beispiel im Videobereich.

    Hier konnte sich die dpa bislang noch keine Lorbeeren erwerben und arbeitet jetzt an einem neuen Ansatz, um die Videos für die Onlineauftritte der Zeitungen attraktiver zu machen.

    "Was in der Vergangenheit gemacht wurde, dass man im Prinzip so eine Art Tagesschau und Berichte aus Bonn im Internet tagtäglich macht, das war einfach stinklangweilig, das klickt ja kein Mensch. Und da wird es möglicherweise auch zu Kooperationen mit Zeitungen kommen, weil die Themen, die im Netz von den Usern genutzt werden, lassen sich in bestimmte Themenbereiche relativ eng fassen. Da kann dpa nicht flächendeckend aufgestellt werden. Also warum kann man nicht kooperieren. Wenn eine Naturkatastrophe in Firnheim passiert, dann muss kein dpa-Reporter hinfahren, ein Video machen. Das kann man im Zweifel selber machen. ... Wäre ein neues Geschäftsmodell, was beiden Seiten zugutekäme. Dpa würde Personal, Ressourcen sparen, die Verlage hätten eine kleine Einnahmequelle, man würde enger zusammenrücken. Das kann der Agentur nur dienlich sein."

    Auch inhaltlich wünscht sich Seidenfaden größere Offenheit.

    "Zeitungen möchten ganz gern junge Leser an sich binden. Das geht im Sportbereich, wenn man intensiv US-Sport-Berichterstattung hat, was wir nach wie vor in der BRD nicht haben. Dirk Nowitzki ist eine Nummer und ist im Zweifel eine größere Nummer, als der dt. Radballmeister aus von Westheim oder wo immer er herkommen mag. Da gibt es eine ganze Menge Spielflächen, über die man zumindest mal reden kann und die man mal testen kann. Das ist gar nicht so aufwendig und könnte eine ganze Menge bringen."

    Wichtigstes Projekt für die dpa dürfte jetzt aber erst einmal der Umzug der Zentralredaktionen aus Hamburg und Frankfurt am Main in die Bundeshauptstadt sein, was die Agentur erheblich effektiver machen wird. Dafür will man sogar auf die Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag verzichten. Schon in der ersten Hälfte des kommenden Jahres sollen die Redaktionen in Berlin unter einem Dach arbeiten, dann unter dem neuen Chefredakteur Wolfgang Büchner, der von "SPIEGEL ONLINE" kommt und bereits seinen Dienst bei der dpa angetreten hat. Von Büchner erhofft man sich nicht nur innerhalb der dpa, dass er frischen Wind in die Agentur bringt. Auch Publizistikprofessor Jürgen Wilke wünscht sich vom neuen Chefredakteur Büchner,

    "... dass der diese Entwicklung der Agentur zu einer multimedialen Agentur weiter vorantreiben kann. Dass er das Onlinegeschäft kennt. Es ist so, dass der bisherige Chefredakteur seit Anfang der 90er-Jahre amtiert hat. Er hat die Agentur natürlich schon in diese Richtung geführt. Aber für eine dynamische Weiterentwicklung wird der Rückgriff auf Erkenntnisse von Journalisten, die mit dem crossmedialen Arbeiten schon zu tun hatten, ganz wichtig sein."

    Denn dass die dpa auch im Internetzeitalter, wo der Wert der Ware Nachricht mehr und mehr zu verfallen droht, auch eine Zukunft hat, darüber sind sich sogar die Kritiker einig. Auch Bodo Hombach stimmt dem zu.

    "Die Art und Weise, wie das Internet auch Nutzerinformationen auffängt oder wie Sie am Beispiel Iran jetzt sehen können, ein viel dichteres Netzwerk entwickeln kann, als eine Agentur es kann, muss auch dpa nachdenklich machen. Sie müssen auch andere Quellen erschließen und damit arbeiten lernen. Da gibt es internationale Beispiele von internationalen Agenturen, die man sich längst hätte ansehen können und ich nehme an, das wird auch zurzeit gemacht. Dpa kann eine große Bedeutung haben, in einer Situation, in denen der Content, der journalistische, immer mehr hinterfragt wird nach Sinnhaftigkeit und vor allem Relevanz. Viele Verlage können aus sich heraus das gar nicht mehr auf die Beine bringen. Von daher sehe ich einen großen Raum, dass journalistischer Content in Zukunft von außen eingekauft wird. Wenn dpa sich da klug platziert, kann sie einen festen Platz haben."

    Und das auch noch in 20 Jahren, sagt Jürgen Wilke.

    "Ja, sehe ich schon. Man muss ein bisschen den Blick über Deutschland hinaus richten, wie wichtig für ein großes Land eine eigene Nachrichtenagentur in der Welt ist. Im Zeitalter der Globalisierung ist auch das ein ganz wichtiger Aspekt. Die dpa hat ja auch Auslandsdienste, die der Darstellung deutscher Interessen im Ausland mit auch dienen und das muss man auch mit im Blick haben. Das gehört auch mit zu dem Solidarischen dazu, dass man den Blick nicht rein aufs Innere richten muss, sondern darauf, dass in einer globalisierten Welt auch die Herkunft der Agenturen, ihre Ansiedlung und auch die Perspektiven, die sie von daher mitbringen eine ganz wichtige Sache ist."