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"Wir sind die einzige Freiheitspartei"

Die ehemalige Fraktionsvorsitzende der FDP, Birgit Homburger, hofft, dass die Freien Demokraten nach dem heute in Rostock beginnenden Parteitag endlich wieder mit ihren Inhalten wahrgenommen werden. Soziale Marktwirtschaft, ökologische Modernisierung, Bildungschancen und Bürgerrechte seien die Kernthemen ihrer Partei.

Birgit Homburger im Gespräch mit Anne Raith | 13.05.2011
    Anne Raith: Ruhe wollte er schaffen, die Personaldebatten endlich beenden, so kurz vor dem wichtigen Parteitag in Rostock, den die FDP als Signal für einen Aufbruch verstanden wissen will. Und tatsächlich ist es dem designierten Parteivorsitzenden Philipp Rösler noch kurz vor dem Parteitagsauftakt heute gelungen, die letzten offenen Personalfragen zu klären, was seine Stellvertreter und das Präsidium betrifft, die heute gewählt werden sollen. Und so zeigte er sich gestern Abend auch zufrieden, ebenso wie der scheidende Parteivorsitzende.

    Am Telefon begrüße ich jetzt Birgit Homburger, die ehemalige FDP-Fraktionschefin und möglicherweise neue erste Stellvertreterin des designierten Parteichefs. Guten Morgen, Frau Homburger!

    Birgit Homburger: Guten Morgen, Frau Raith.

    Raith: War das rückblickend eine der härtesten Wochen Ihrer politischen Karriere?

    Homburger: Es war mit Sicherheit eine wichtige Woche für die FDP. Ich habe entschieden, den Weg für einen guten Start für Philipp Rösler frei zu machen, da die FDP in einer existenziell schwierigen Situation ist und ich überzeugt bin, dass wir es jetzt endlich schaffen müssen, dass mit diesem Bundesparteitag die Personaldiskussionen aufhören, und dazu wollte ich meinen Beitrag leisten. Ich möchte, dass diese Partei ab dem Bundesparteitag dann auch endlich wieder nach vorne blicken kann, dass wir es schaffen, gemeinsam den Aufbruch zu schaffen hier in Rostock und dann auch endlich wieder mit Inhalten wahrgenommen werden.

    Raith: Aber Sie haben ja sehr an Ihrem Amt gehangen. Ein Traumjob war das für Sie, haben Sie mal gesagt. Geht das so spurlos an einem vorüber?

    Homburger: In der Tat war das mein Traumjob. Ich habe das mit großem Engagement, mit großer Leidenschaft gemacht und gerne gemacht. Aber das Leben geht weiter und es gibt auch neue Herausforderungen, und auf diese neuen Herausforderungen freue ich mich.

    Raith: Haben Sie denn um Ihr Amt gekämpft?

    Homburger: Natürlich habe ich um den Fraktionsvorsitz gekämpft, weil wenn man etwas gerne macht, dann möchte man es natürlich auch weiter machen. Aber nochmals: Das Wichtigste ist jetzt, dass die Personaldiskussionen aufhören, das Wichtigste ist, dass wir die FDP jetzt wieder aus dem Tal herausführen. Und da habe ich mich in den Dienst der Partei gestellt.

    Raith: Was mir noch nicht so klar geworden ist in den vergangenen paar Tagen, wann Ihr Sinneswandel kam.

    Homburger: Das waren eine Reihe von Gesprächen, die geführt worden sind, und ich habe dann das zu Beginn der Woche so entschieden. Wir haben dann am Dienstag abgestimmt. Ich habe ja auch von meiner Seite aus deutlich gemacht, dass ich möchte, dass die FDP-Bundestagsfraktion ihre Vorstandswahlen von Herbst auf diese Woche vorzieht, weil ich der Meinung war, dass das alles vor dem Bundesparteitag abgeschlossen sein muss.

    Was hätte das für ein Bild nach außen abgegeben, wenn wir jetzt auf dem Bundesparteitag ein neues Präsidium gewählt hätten und anschließend wären die Personaldiskussionen über die Fraktion fortgesetzt worden? Das wäre nicht gut gewesen, und deshalb haben wir gemeinsam jetzt einen Weg gefunden und ich hoffe, dass es jetzt gelingt, gemeinsam auch in die Zukunft durchzustarten.

    Raith: Hat man Sie da unter Druck gesetzt?

    Homburger: Nein! Das ist meine Entscheidung. Wir haben Gespräche geführt. Und noch mal: Ich bin der Meinung, dass jetzt Schluss sein muss mit den Personaldiskussionen, wir müssen endlich wieder wahrgenommen werden mit Inhalten, und diese Partei ist für Deutschland wichtig. Wir sind die einzige Partei, die einen klaren Fokus darauf hat, dass eben nicht Staat vor Privat steht.

    Wir stehen für Freiheit, wir sind die einzige Freiheitspartei und wollen, dass aber gleichzeitig auch Verantwortung übernommen wird, und unsere Kernthemen, soziale Marktwirtschaft, ökologische Modernisierung, Bildungschancen und Bürgerrechte, sind so zentral, dass dem jetzt wieder Geltung verschafft werden muss, und deshalb habe ich meinen Beitrag dazu geleistet.

    Raith: Aber fühlen Sie sich mit dem Leisten Ihres Beitrages sozusagen ausgebootet? Es ging ja um eine Neuaufstellung bei der FDP, ein neues Gesicht für die Partei, und dann bekommt Rainer Brüderle Ihren Job.

    Homburger: Nein. Ich glaube, dass die Entscheidungen jetzt so getroffen sind, sie sind gut getroffen. Rainer Brüderle hat ein hervorragendes Votum von der FDP-Bundestagsfraktion als neuer Fraktionschef bekommen, und er wird das hervorragend machen. Und wenn wir jetzt heute es schaffen, ein neues Team aufzustellen auf dem Bundesparteitag und mit diesem Team dann auch gemeinsam durchzustarten, dann wird die FDP ab nächster Woche wieder mit Inhalten gehört und dann geht es auch wieder aufwärts.

    Raith: Noch werden die Inhalte aber nicht gehört, wenn wir zum Beispiel auf die Debatte um Außenminister Guido Westerwelle blicken. Glauben Sie, da wird eine Debatte kommen?

    Homburger: Es hat gestern ja noch mal eine Diskussion gegeben, angestoßen dadurch, dass der Vorschlag gemacht worden ist, über ihn abzustimmen. Ein solcher Antrag liegt dem Bundesparteitag nicht vor. Insofern gehe ich auch nicht davon aus, dass es irgendeine Art von Abstimmung gibt, das ist auch nicht notwendig. Guido Westerwelle macht eine gute Arbeit als Außenminister, will sich ja nun auch auf das Außenamt konzentrieren, deswegen hat er ja auch den Bundesvorsitz dann aufgegeben. Deshalb werden wir ja auch mit Philipp Rösler einen neuen Bundesvorsitzenden bekommen. Und ich denke, dass auch diese Personaldiskussion mit diesem Parteitag beendet sein muss.

    Raith: Der Antrag, von dem Sie gesprochen haben, sollte von Martin Lindner kommen, dem neuen Fraktionsvize, und der hat im Vorfeld von einem wabernden Unmut gesprochen. Hat dieser Unmut allein bei Herrn Lindner gewabert?

    Homburger: Es gibt sicherlich Diskussionen, das wissen wir ja auch durch die Landesparteitage und durch viele Veranstaltungen in der Partei. Und es wird vielleicht auch so sein, dass das heute noch mal in der Aussprache eine Rolle spielt. Dafür ist die Aussprache ja auch da. Ich halte die im Übrigen auch für besonders wichtig für unsere Partei, dass wir heute auf dem Bundesparteitag die Gelegenheit nutzen, auch mit den Delegierten zu sprechen über die Zukunft der Partei, dass dort noch mal auch all das zur Sprache kommt, was vielleicht nicht so gut gelaufen ist, so dass man die Dinge besprechen kann und dann auch das abstellen kann für die Zukunft. Und ich glaube, dass dort unter Umständen auch noch mal das eine oder andere zur Sprache kommt, aber ich bin überzeugt davon, dass auch diese Diskussion dann mit dem Bundesparteitag beendet sein wird.

    Raith: Wird denn Guido Westerwelle nach dem Parteitag noch Außenminister sein?

    Homburger: Ja!

    Raith: Davon gehen Sie fest aus?

    Homburger: Da bin ich sicher.

    Raith: Möchten Sie ihm denn zum Abschied als Parteichef noch etwas mit auf den Weg geben?

    Homburger: Ich finde, wir haben Guido Westerwelle sehr viel zu verdanken. Er hat eine exzellente Arbeit gemacht, er hat die FDP seinerzeit aus einer schwierigen Situation zu neuen Möglichkeiten geführt, er war der erfolgreichste Parteivorsitzende, den wir seit langem hatten, und deshalb ist die Partei ihm auch für das, was er geleistet hat, sehr dankbar.

    Raith: Der ehemalige Innenminister Gerhart Rudolf Baum schließt an, in Sachen Guido Westerwelle darf es keine falsche Loyalität geben, wir haben ihm viel zu verdanken, letztlich aber ist er gescheitert.

    Homburger: Es geht hier jetzt nicht um falsche Loyalitäten. Guido Westerwelle hat einen schweren Schritt getan. Er wird nicht mehr weiter Bundesvorsitzender sein. Er hat deutlich gemacht, dass er sich auf sein Amt als Außenminister konzentrieren wird, und ich finde, dass er eine hervorragende Arbeit macht. Und wir brauchen ihn auch weiter an dieser Stelle in der Koalition. Und deshalb bin ich der Meinung, dass diese Diskussion dann auch mit dem Bundesparteitag beendet sein muss.

    Raith: Der neue Gesundheitsminister, Daniel Bahr, hat davon gesprochen, dass es ein Marathonlauf werden wird, das verlorene Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Glauben Sie, Frau Homburger, die FDP hat genug Puste?

    Homburger: Ja, auf jeden Fall. Wir haben schon viele schwierige Situationen in den letzten Jahren und Jahrzehnten erlebt und wir werden auch diese Situation meistern. Er hat ja vollkommen recht: In der Tat haben wir Glaubwürdigkeit verloren und deshalb wird das auch nicht alles mit diesem Bundesparteitag zu Ende sein. Es wird nicht sofort zu einem Umschwung bei den Umfragen kommen, weil man eben dieses verloren gegangene Vertrauen sich erst wieder erarbeiten muss. Das geht nur durch inhaltliche Arbeit, durch solide Arbeit, und das werden wir gemeinsam leisten, dann werden wir aus diesem Tal auch wieder herauskommen.

    Raith: …, sagt Birgit Homburger, die ehemalige FDP-Fraktionschefin und möglicherweise neue erste Stellvertreterin des designierten Parteichefs Rösler. Frau Homburger, besten Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Homburger: Danke Ihnen, Frau Raith.