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"Wir sind doch keine Verbrecher"

In Frankreich können illegale Einwanderer bis zu 32 Tage in Abschiebehaft genommen werden. Jetzt haben die sogenannten sans papiers, Immigranten ohne gültige Papiere, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes gestreikt. Sie wollen damit auf ihre Situation aufmerksam machen und die gängige Abschiebepraxis anprangern. Aus Paris berichtet Bettina Kaps.

23.04.2008
    Eine Industriezone im Westen von Paris: Am Eingangstor des Catering-Betriebs "Passion Traiteur" hängt das gelbe Transparent der Gewerkschaft CGT. Darauf werden gleiche Rechte für Arbeiter ohne Aufenthaltspapiere verlangt. Dahinter steht das Zelt der streikenden Arbeiter. Acht Tage und Nächte lang haben Mamadou Mareko und 14 Kollegen hier verbracht, weil sie es nicht mehr aushielten, wie gehetzte Tiere zu leben.

    "Wir haben den Streik begonnen, weil uns die Polizisten zu sehr nachstellen. Ich habe die größten Probleme, von zu Hause zur Arbeit zu gelangen. Ständig werden wir angehalten. Wir sind doch keine Verbrecher und auch keine Bettler. Wir sind Arbeiter!"

    Mareko kommt aus Mali. Seit sieben Jahren lebt und arbeitet der heute 38-Jährige in Frankreich, damit er seine Familie in Afrika ernähren kann. In der Firma "Passion Traiteur", die Unternehmen wie die Fluggesellschaft Air France beliefert, fand er ohne Probleme einen Job als Koch. Mit gefälschten Papieren.

    "Aber ja, der Chef weiß es. Er profitiert doch davon. Die ersten Monate habe ich täglich vier oder fünf Überstunden geleistet, die nicht bezahlt wurden. Das macht man alles, um einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu bekommen."

    Sein Kollege Sikou Dukoré arbeitete zunächst mit den Papieren eines Vetters. Als dieser das nicht mehr wollte, forderte ihn der Arbeitgeber kurzerhand auf, andere Papiere vorzulegen. Die beiden Malier zahlen nun schon seit Jahren Steuern und Sozialversicherung in Frankreich, aber die Fahrt zur Arbeit ist für sie ein tägliches Risiko, sagt Mareko.

    "Ich muss die Metro und einen Vorortzug benutzen. Die großen Bahnhöfe vermeide ich, denn da wird zu oft kontrolliert. Normalerweise bräuchte ich zwei Stunden zur Arbeit. So muss ich früher aussteigen, dadurch brauche ich über drei Stunden und auf dem Rückweg ist es dasselbe."

    Brice Hortefeux, der französische Minister für Einwanderung, Integration und nationale Identität, will jedes Jahr 25.000 illegal in Frankreich lebende Ausländer abschieben. Deshalb haben die Kontrollen stark zugenommen. Mamadou Mareko ist der Polizei einmal ins Netz gegangen: Zwei Tage war er in Polizeihaft, danach zwei Tage in Abschiebehaft. Sikou Dukoré wurde festgenommen, als er ein Bankkonto eröffnen wollte, um seinen Gehaltsscheck einzulösen.

    "Ich habe der Bankangestellten meinen gefälschten Ausweis gegeben. Sie hatte Zweifel an der Echtheit und rief die Polizei an. Ich kam zwei Wochen lang in Abschiebehaft, danach wurde ich freigelassen und ging wieder zur Arbeit."

    Für die streikenden Arbeiter zeichnet sich nun eine Lösung ab. Die Regierung will ihre Akten bearbeiten und stellt denjenigen, die Arbeitsvertrag und Lohnzettel vorlegen können, Aufenthaltsgenehmigungen in Aussicht. Eine groß angelegte Regularisierung, wie sie vor drei Jahren in Spanien vorgenommen wurde, lehnt Frankreich jedoch kategorisch ab. Die Mehrzahl der rund 400.000 illegal beschäftigten Arbeiter im Land muss also weiterhin damit rechnen, dass sie ausgebeutet und von der Polizei gejagt wird.

    Für sie könnte es sogar noch schlimmer werden. Bisher dürfen Ausländer ohne gültige Papiere in Frankreich 32 Tage lang festgehalten werden. Das ist weniger als in den meisten europäischen Ländern. Aber die EU hat eine neue Rückführungsrichtlinie vorbereitet: Danach soll die mögliche Haftdauer auf 18 Monate verlängert werden. Außerdem soll es allen Ausländern, die abgeschoben wurden, fünf Jahre lang verboten werden, nach Europa zurückzukehren.