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"Wir sind ein Land, was auch seine Interessen zu verteidigen weiß"

Luxemburg wird sein Bankgeheimnis - wie die Schweiz und Liechtenstein auch - lockern. Künftig wird das Land bei Verdacht auf Steuerhinterziehung ausländischer Anleger mit deren europäischen Heimatstaaten kooperieren. Ein großer Schritt für das kleine Land, sagt Außenminister Jean Asselborn. Ganz gelüftet wird das Bankgeheimnis aber weiterhin nicht.

Jean Asselborn im Gespräch mit Friedbert Meurer | 18.03.2009
    Friedbert Meurer: Die Schweiz hat jetzt schon zum zweiten Mal (genauer gesagt, das Außenministerium) binnen kurzer Zeit den deutschen Botschafter in Bern eingestellt. Jedes Mal ging es um die Zwistigkeiten rund um das Schweizer Bankgeheimnis und um Äußerungen von Finanzminister Peer Steinbrück, die in der Schweiz als so eine Art Erpressung empfunden werden. Der Hintergrund: Deutschland, Frankreich, andere EU-Staaten, vor allen Dingen auch die USA ärgern sich seit langem, dass ihre Personen ihr Geld in Liechtenstein, der Schweiz oder Luxemburg anlegen und hier bei uns damit den Fiskus umgehen. Unter dem Druck dieser großen Länder hat die Schweiz jetzt auch eingelenkt, und auch Liechtenstein will das Bankgeheimnis etwas lüften. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein zur neuen Haltung des Fürstentums:

    O-Ton Erbprinz Alois: Es wird einige Kunden durchaus vielleicht geben, die sagen, ich gehe von Liechtenstein lieber in einen anderen Finanzplatz, aber wir haben auch sehr viele Kunden hier, wo wir überzeugt sind, dass sie gerade diesen Vorstoß schätzen werden, und dass unter Umständen sogar andere Kunden sich überlegen, hier herzukommen, weil man hier eine klare Strategie vorwärts hat.

    Meurer: Also neue Töne aus dem Fürstentum Liechtenstein und auch Luxemburg will jetzt das Bankgeheimnis einschränken. Das ist aber Berlin noch zu wenig. – Jean Asselborn ist Außenminister Luxemburgs, bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Asselborn.

    Asselborn: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Was wollen Sie ändern?

    Jean Asselborn: Luxemburg hat zuerst einmal das Bankgeheimnis wie viele Länder auf der Welt, wie Sie wissen. Bei uns hat das Bankgeheimnis immer Regeln gehabt, die zu beachten waren. Es war keine uneinnehmbare Bastion bei Strafverfahren, aber auch die europäischen Richtlinien in Weißwäsche haben wir alle umgesetzt. Das Bankgeheimnis in Luxemburg spiegelt selbstverständlich das Prädikat "Vertraulichkeit" wider, aber was wir ändern wollen ist ganz klar, dass wir im Zuge der Finanzkrise und der Diskussionen, die stattgefunden haben, wo sich nicht nur europäische Länder bewegt haben, sondern auch Hongkong und Singapur, dass wir sagen – und ich bin persönlich sehr, sehr dafür -, dass wir jetzt die OECD-Regeln anwenden. Wir haben das am letzten Freitag, dem 13. März, in Luxemburg entschieden. Das war eine schwerwiegende Entscheidung, aber für mich persönlich eine richtige und die unserem Land auch nicht schaden wird.

    Meurer: Wann teilen Sie künftig, Herr Asselborn, beziehungsweise die Banken Luxemburgs Zinseinkünfte von Ausländern dem Heimatland mit, in welchem Fall? Was sind die Voraussetzungen?

    Asselborn: Es wird vielleicht jetzt etwas technisch. Ich werde aber versuchen, klar zu sein. Bei der OECD – hier geht es ja um die Doppelbesteuerungsabkommen mit Drittstaaten. Wenn Luxemburg ein solches Abkommen mit einem Drittstaat abschließt, wird ganz klar jetzt Artikel 5 spielen. Das heißt, bei, sagen wir mal, Steuerhinterziehungsoperationen wird das Bankgeheimnis nicht mehr vorenthalten werden können. Wenn also, sagen wir mal, der Herr Steinbrück in Berlin weiß, dass die Steuerverwaltung mit der luxemburgischen Steuerverwaltung Kontakt aufnimmt, hier ist einer, der hat Steuern hinterzogen, dass dann die luxemburgische Steuerverwaltung sich mit der luxemburgischen Bank in Verbindung setzt und dass die luxemburgische Bank nicht mehr das Bankgeheimnis vorhalten kann.

    Meurer: Das gilt aber jetzt nur im Fall von Steuerhinterziehung. Oft ist es ja gar nicht bekannt, dass etwa ein deutscher Steuerzahler in Luxemburg Steuern hinterzieht. Berlin fordert also mehr von Ihnen. Warum geben Sie nicht grundsätzlich Auskunft über Zinseinkünfte von Deutschen in Luxemburg?

    Asselborn: Wir müssen jetzt aufpassen. Wir haben einen sehr, sehr großen Schritt gemacht und es gibt einen riesigen Unterschied zwischen der Anfrage, wenn wirklich ein Fall vorliegt, wo Steuern hinterzogen werden, oder dem automatischen Informationsaustausch. Der automatische Informationsaustausch, der korrespondiert nicht mit dem OECD-Basisvertrag. Ich habe gestern noch mit Peer Steinbrück gesprochen. Ich glaube, dass wir in Luxemburg verstehen, dass Deutschland Druck macht. Ich bin aber auch überzeugt, dass die deutsche Regierung und auch Peer Steinbrück weiß, dass wir jetzt einen sehr, sehr wichtigen Schritt hier gemacht haben und dass dieser Schritt, den wir gemacht haben, uns auch weh tun wird, aber dass dieser Schritt in Luxemburg zu verkraften ist. Wissen Sie, Luxemburg ist ein sehr, sehr kleines Land. Es kommen aber jeden Tag 150.000 Grenzgänger zu uns arbeiten. Davon sind 50 Prozent Franzosen und 25 Prozent Deutsche und 25 Prozent Belgier. Wir sind ein regionaler wirtschaftlicher Faktor, der sehr, sehr groß ist. Der Bankplatz ist nicht das einzige Element, was wir haben, aber ein sehr, sehr wichtiges Element und man sollte jetzt wirklich auch nicht den Eindruck erwecken, dass diese ganze Finanzkrise ausgelöst wurde von Ländern wie der Schweiz oder Luxemburg.

    Meurer: Das ist ja zumindest nicht das, was, ich sage mal, Otto Normalverbraucher in Deutschland denkt, sondern der fragt sich, wieso hängen Sie die Messlatte doch etwas hoch, dass nur bei Steuerhinterziehungsverfahren Auskunft erteilt wird und eben nicht dieses automatische Informationsverfahren greift.

    Asselborn: Wir haben das automatische Informationsverfahren sogar nicht in unserem Land. Da sind wir in einer ganz anderen Konstellation. Dieser Schritt, den wir gemacht haben, glauben Sie mir, das ist ein großer Schritt, ein wichtiger Schritt, und Deutschland wird diesen Schritt auch verstehen – davon bin ich überzeugt –, und Europa wird diesen Schritt auch verstehen. Wir dürfen – noch einmal: Ich will diesen Satz fertig machen – nicht davon ausgehen, dass die Finanzkrise zu bewältigen ist, wenn jetzt die Schweiz, Luxemburg, andere Länder auf der Welt das Bankgeheimnis neu definieren, wie wir das hier gemacht haben. So einfach ist das nicht. Das ist zu simplistisch. Darum, bitte verstehen Sie, wir haben ja keine Bitten zu stellen, aber wir sind ein Land, was auch seine Interessen zu verteidigen weiß. Hier sind wir an einem Punkt, wo es ein vitales Interesse für unser Land ist, und ich bin überzeugt, dass wir auch hier Solidarität bekommen von allen europäischen Ländern, dass dieser Schritt der richtige war.

    Meurer: Gibt es da schon ein Signal, Herr Asselborn, aus Berlin von Peer Steinbrück, dass er damit sich zufrieden gibt?

    Asselborn: Also wissen Sie, wir sind in einer kruzialen Phase. Jetzt müssen wir schauen, morgen und übermorgen auf dem Europäischen Rat, dass wir nicht als "Nichtkooperatives Land" eingestuft werden, genau wie Österreich. Es gibt definitiv kein "Nichtkooperatives Land" mehr in der Europäischen Union. Ich hoffe, dass die Engländer mit ihren Inseln das auch alles geregelt haben. Die Zeichen aus Deutschland, wie ich sie verstanden habe – und Sie wissen, dass auch wenn es um Geld geht unter Menschen derselben politischen Familie (wir sind ja Genossen), die Kommunikationsfähigkeit dort erhalten bleibt und auch das Verständnis untereinander sehr, sehr wichtig ist -, ich bin überzeugt, dass Deutschland den Schritt, den wir als Luxemburger hier gemacht haben, sehr, sehr zu schätzen weiß.

    Meurer: Klingt anders als das aus der Schweiz. Sie bestellen noch nicht den deutschen Botschafter in Luxemburg ein?

    Asselborn: Nein, wir haben überhaupt keine Ursache dazu. Es ist komplex genug, was Luxemburg angeht. Die Schweiz hat ja auch einen großen Schritt gemacht vor einigen Wochen, als sie diese Übereinkunft mit dem EWS traf. Die Schweiz war ja auch einverstanden, das Modell der OECD in Zukunft zu respektieren. Darum ist es mir eigentlich ein wenig unverständlich, dass hier diese Differenz besteht.

    Meurer: Jean Asselborn, Luxemburgs Außenminister, zur Änderung beim Bankgeheimnis des Großherzogtums. Danke schön, Herr Asselborn, und auf Wiederhören.
    Asselborn: Bitte sehr.