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"Wir sind gegen eine anlasslose Speicherung von Daten"

Eine kurzfristige Vorratsdatenspeicherung wird nun als Mittel diskutiert, Terroranschläge zu verhindern. Die FDP schlägt alternativ das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren vor.

Manuel Höferlin im Gespräch mit Friedbert Meurer | 18.11.2010
    Meurer: Frage an Manuel Höferlin, für die FDP im Innen- und Rechtsausschuss des Bundestages und Parteifreund von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Herr Höferlin, was halten Sie von einer Vorratsdatenspeicherung light, also nur für wenige Wochen?

    Höferlin: Zunächst einmal muss man festhalten, dass die Vorratsdatenspeicherung in der Ausprägung, wie wir sie hatten, verfassungswidrig ist. Das muss man erst mal zur Kenntnis nehmen. Darüber hinaus hat die FDP auch gerade in einem aktuellen Positionspapier ihre Haltung noch einmal gefestigt. Wir sind gegen eine anlasslose Speicherung von Daten, die dann ohne Richtervorbehalt gar vielleicht noch abgefragt werden können. Es geht darum, dass wir gegen eine Generalüberwachung aller Kommunikationsbewegungen von Menschen sind.

    Meurer: Gehen Sie da noch weiter als der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar?

    Höferlin: Wie bitte?

    Meurer: Gehen Sie da noch weiter in Ihrer restriktiven Haltung als der Bundesdatenschutzbeauftragte?

    Höferlin: Herr Schaar hat einen Vorschlag gemacht, der nicht ganz so klar ist, wie ich mir ihn vielleicht gewünscht hätte. Er schlägt letztlich nichtsdestotrotz eine Speicherung der Daten vor, und das Wesentliche ist ja nicht, ob wir sechs Monate oder zwei Wochen Daten speichern, sondern das Wesentliche ist, dass wir sie anlasslos speichern. Dagegen sprechen wir uns aus. Ich glaube, es gibt genug Möglichkeiten, auch Kommunikationsverkehr zu überwachen, wenn konkrete Hinweise vorliegen, um den aktuellen Bezug herzustellen. Es gibt Verdachtsmomente gegen bestimmte Personengruppen, sogenannte Gefährder. Die zu überwachen, auch digital, ist bereits jetzt möglich und hier gibt es Verfahren. Wir schlagen zum Beispiel dieses Quick-Freeze-Verfahren vor. Das würde schon helfen, weil auch dieses gesetzlich nicht normiert ist.

    Meurer: Und das heißt was, Quick-Freeze?

    Höferlin: Quick-Freeze heißt, dass Daten, die anfallen, direkt eingefroren werden, wenn Daten da sind, oder dass man eben auf Daten mit konkretem Bezug auch zugreifen kann, mit Richtervorbehalt. Wenn man zum Beispiel konkrete Personen hat, die als Gefährder eingestuft sind, gibt es auch ganz normale digitale Überwachungsmaßnahmen.

    Meurer: Noch mal kurz nachgefragt. Entschuldigung, Herr Höferlin. Dieses Quick-Freeze, also schnell festhalten, einfrieren, das kann dann von jeder Person gemacht werden, oder nur von Verdächtigen?

    Höferlin: Nein. Es geht darum, dass in konkreten Verdachtsmomenten Ermittlungsbehörden zunächst einmal Daten einfrieren lassen können bei den entsprechenden Telekommunikationsanbietern und im Folgegang mit einem Richterbeschluss darauf zugreifen können. Das soll verhindern, dass Daten, die quasi flüchtig zu drohen seien, nicht gelöscht werden, Daten, die vielleicht, bis ein Richterbeschluss da ist, weg sind. Das ist im Prinzip der Mittelweg, den wir uns vorstellen, und da ist der wesentliche Unterschied, dass eben keine Generalüberwachung da stattfindet, dass es eben nicht anlasslos ist, sondern dass es einen konkreten Bezug haben muss.

    Meurer: Wer entscheidet über die erste Stufe? Das kann die Polizei entscheiden? Die kann sagen, von denen und denen werden jetzt erst mal die Daten eingefroren?

    Höferlin: Das wird in konkreten Verfahren gemacht, in Strafverfahren, in Ermittlungsverfahren. Das wird dann von Staatsanwaltschaften gemacht in einem schnellen Durchgang. Das ist im Prinzip das, was man auch in der Offline-Welt, in der Nicht-Computer-Welt kennt, indem man eben vielleicht zunächst mal jemanden festhält, um ihn später zu identifizieren. Und bevor jemand digital wegrennt und Daten gelöscht sind, soll das eben eingefroren werden können, mit dem Hinweis ...

    Meurer: Das muss ein Staatsanwalt oder ein Richter immer anordnen?

    Höferlin: In dem Fall wäre es dann eine staatsanwaltschaftliche Anordnung, wenn Gefahr im Verzug ist. So wie auch in der nicht-digitalen Welt könnten Polizisten das vielleicht auch direkt machen. Wir haben ja verschiedene Fälle, jetzt nicht in der Terrorismuskriminalität, da wäre es denkbar, wenn es droht, dass Daten verschwinden, dass man die eben schnell festhält. Das könnten also auch polizeiliche Ermittlungen sein, wie gesagt aber ohne den Zugriff darauf zu haben, sondern es geht darum, dass Anbieter diese Daten zunächst dann im konkreten Fall erst mal nicht löschen.

    Meurer: Wird der deutschen Polizei das reichen, was Sie vorschlagen?

    Höferlin: Das weiß ich nicht, ob der Polizei das reicht, aber die Frage ist, die Polizei hat sich im gesetzlichen Rahmen zu bewegen und der Gesetzgeber bestimmt den, und ich glaube, dass die Polizei in der Lage ist, mit den Methoden sehr gut zu agieren. Es ist vielleicht auch eine Situation, auf die sich die Polizei und die Ermittlungsbehörden einstellen müssen. Sie müssen sehr schnell agieren, sehr schnell auch Ermittlungen starten, wie auch übrigens in der nicht-digitalen Welt. Wenn ich dort jemanden habe, der immer zu einer bestimmten Zeit bestimmte Verbrechen begeht, dann hilft das auch nichts, wenn ich nicht an dem Zeitpunkt dort bin, um ihn zu schnappen, und genauso ist das auch in der digitalen Welt. Und wir wollen auch in der nicht-digitalen Welt keine flächendeckende Überwachung von allen Straßenzügen und vielleicht auch allen privaten Räumen, und so soll es auch in der digitalen Welt sein.

    Meurer: Der FDP-Innen- und -Rechtspolitiker Manuel Höferlin bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Höferlin, danke und auf Wiederhören!