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"Wir sind grundsätzlich bereit, Griechenland weiter zu helfen"

Griechenland braucht trotz respektabler Sparanstrengungen "einfach mehr Zeit" um ohne Hilfe zu wirtschaften, sagt Norbert Barthle. Die Rede ist von weiteren 90 Milliarden Euro, von denen Deutschland einen Großteil tragen würde - aber bedingungslos solle das Geld nicht fließen, so Barthle.

Norbert Barthle im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 09.06.2011
    Tobias Armbrüster: Es ist heute Morgen auch in den Kommentarspalten der Zeitungen eines der großen politischen Themen in Deutschland: Soll die Bundesrepublik weiteren Hilfen für Griechenland zustimmen, ja oder nein? Gestern Abend haben Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble mit den Bundestagsfraktionen von Union und FDP gesprochen und sie haben in diesen Gesprächen versucht, die Abgeordneten zu überzeugen, zu überzeugen nämlich von der Wichtigkeit für weitere Hilfen für Athen. – Mein Kollege Jonas Reese hat gestern Abend nach den Beratungen mit dem CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle gesprochen und er hat ihn zunächst gefragt, warum diese Sitzungen so viel länger gedauert haben als ursprünglich geplant.

    Norbert Barthle: Nun, es gab in der Fraktion eine wirklich tiefschürfende Grundsatzdebatte zu dem Thema Griechenland, die natürlich dann einmündet in insgesamt die Frage der Rettung des Euro, der Ausgestaltung des künftigen europäischen Stabilitätsmechanismus, und da konnte man sich wirklich mal ohne Zeitdruck auseinandersetzen und unterschiedliche Auffassungen austauschen. Das war für die Fraktion, denke ich, sehr wichtig.

    Jonas Reese: Austausch, also keine heftige Diskussion?

    Barthle: Nein! Es war keine heftige Diskussion, sondern es war eine sehr, sehr besonnen geführte Diskussion, bei der immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass dieses Thema Griechenland, oder auch Euro und Euro-Raum insgesamt von ganz großer Tragweite ist, die sicherlich weit auch über diese Legislaturperiode hinausweist, und deshalb war uns allen bewusst, dass wir an einer ganz entscheidenden Wegmarke uns befinden.

    Reese: Der Troika-Bericht liegt vor und er sagt, Griechenland ist unterfinanziert und braucht Finanzhilfen von außen. Was heißt das jetzt genau?

    Barthle: Das heißt, dass das bisherige Programm, das wir aufgelegt haben vor einem Jahr und das ja eigentlich bis 2014 laufen sollte und dazu führen sollte, dass Griechenland sich ab 2012 selbst wieder refinanzieren kann, so nicht trägt, sondern es muss ergänzt werden durch weitere finanzielle Unterstützung. Griechenland kann sich nicht in dem Maße an den Märkten mit Krediten bedienen, wie das vorgesehen war, obwohl in Griechenland – und das wird Griechenland attestiert, da muss man einen hohen Respekt haben – schon deutliche Reformschritte attestiert werden, aber irgendwann ist ihnen dann sozusagen die Luft ausgegangen und es ist ein gewisser Stillstand eingetreten, der dazu geführt hat, dass die Risikoaufschläge so sehr in die Höhe geschossen sind, und deshalb muss man jetzt ein neues Programm auflegen. Griechenland braucht einfach mehr Zeit, um das Land so weit voranzubringen, dass sie selbst wieder an den Kreditmärkten sich bedienen können. Dazu braucht es ein gewisses Vertrauen und dieses Vertrauen setzt eben dann entsprechende entscheidende Schritte voraus.
    Ich sehe das so, dass wir in der Bundestagsdebatte der Regierung mit auf den Weg geben werden, also der Bundeskanzlerin, dem Bundesfinanzminister mit auf den Weg geben werden – da müssen wir uns mit der FDP natürlich auch noch abstimmen, aber ich sehe die Linie etwa so -, dass wir sagen werden, wir sind grundsätzlich bereit, Griechenland weiter zu helfen, wir wollen nicht, dass der Euro gefährdet wird, wir wollen nicht, dass Europa aufs Spiel gesetzt wird, sondern wir wollen weiter helfen, aber eben unter genau definierten Bedingungen.

    Reese: Welche sind das?

    Barthle: Das sind zum einen, dass die Schuldentragfähigkeit Griechenlands wiederhergestellt werden muss. Es muss absehbar sein, dass die in der Lage sind, ihre Kredite zurückzubezahlen, eventuell auch unter Einbeziehung des privaten Sektors. Wir wollen ein Konzept sehen, wie die Privatisierungen in welchen Schritten nachvollziehbar vollzogen werden können, in entsprechenden Volumina. Und wir möchten ein weiteres Reformkonzept für die strukturellen Reformen im Lande sehen, denn Griechenland hat ja einen unglaublich hohen Staatsanteil. Da lässt sich vieles machen, um das Land einfach auch wettbewerbsfähiger auszugestalten.

    Reese: Das sind jetzt aber Forderungen, die sich ja nicht großartig unterscheiden von den Bedingungen, die mit dem ersten Hilfspaket verknüpft worden sind. Warum sollte das jetzt beim zweiten Mal klappen?

    Barthle: Nun, es gibt schon Ergänzungen dazu, und das ist einerseits wie gesagt die Frage, inwieweit der private Sektor beteiligt werden kann. Da schwebt dem Finanzminister ein Konzept vor, das er mit seinen Kollegen noch besprechen und durchsetzen muss. Und vor allem auch die Privatisierung! Griechenland geht davon aus, dass sie in der Lage sind, rund 50 Milliarden insgesamt in einem gewissen mehrjährigen Zeitraum zu privatisieren. Wir stellen uns vor, dass dieses über eine europäische Agentur abgewickelt wird in entsprechenden zeitlichen Tranchen, die dann auch überschaubar gestaltet werden und von daher auch umsetzbar sind, denn das ist ja immer das große Problem, dass Privatisierungen nicht von heute auf morgen gelingen können.

    Reese: Schäuble hatte ja sein Konzept schon vorgestellt und mit Hilfszahlungen auch eine Umschuldung verknüpft. Wie war da die Position in der Fraktion zu einer Umschuldung?

    Barthle: Das wird nachhaltig unterstützt in der Fraktion. Das ist unsere Forderung aus Deutschland und wir werden den Finanzminister bitten, dass er die Einbeziehung des privaten Sektors in Form einer eventuellen Verlängerung der Kredite, das was ja auch eine Form der Umschuldung ist, nachdrücklich vorträgt.

    Reese: Und zum Schuldenschnitt, wie stehen Sie da?

    Barthle: Das, denke ich, ist ein zu scharfer Eingriff, der dann mit sehr großen Risiken verbunden ist. In der Fraktion war schon übereinstimmend – übereinstimmend nicht bei allen, aber in der großen Mehrheit – die Auffassung, dass es gilt zu vermeiden, dass aus einer Staatskrise, einer Schuldenkrise in Griechenland wo möglich eine Bankenkrise entsteht, eine Finanzmarktkrise entsteht, eine Wirtschaftskrise entsteht, die dann auf andere europäische Länder, auch auf Deutschland durchschlägt, und da haben wir ja immer wieder das abschreckende Beispiel von Lehman Brothers vor Augen, wo auch niemand gedacht hatte, was daraus für ein Flächenbrand entsteht. Dieses gilt es, auf jeden Fall zu verhindern.

    Reese: Aus der FDP war jetzt aber mehr zu hören, dass dort der Schuldenschnitt gefordert wird. Was können wir da erwarten jetzt in den nächsten Tagen?

    Barthle: Da werden wir uns einigen zu einer entsprechenden Formulierung.

    Reese: Wie können Sie sich da so sicher sein, weil Schuldenschnitt und Verlängerung der Anleihen, das ist doch ein relativ großer Abstand?

    Barthle: Jein. Wenn man eine Verlängerung von Anleihen vornimmt, eine Form des Fortschreibens, dann ist das ja auch im Prinzip nichts anderes als eine Umschuldung ein Stück weit. Da gibt es sicherlich Wege, wie wir uns einigen können.

    Reese: Letzte Frage: Entscheidet nicht im Endeffekt sowieso nicht der Deutsche Bundestag darüber, sondern EZB, EU und IWF?

    Barthle: Zunächst mal kommt es darauf an, dass diese drei, die Troika sich einigt auf ein gemeinsames Konzept. Wir legen aber großen Wert darauf, dass die Letztentscheidung beim Bundestag verbleibt. Wenn also diese drei sich geeinigt haben auf ein neues Programm, dann muss die Letztentscheidung dem Deutschen Bundestag vorbehalten bleiben, ob wir uns an diesem Programm beteiligen.

    Armbrüster: Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle war das gestern Abend im Gespräch mit meinem Kollegen Jonas Reese.

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