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"Wir werden einen Schutzwall um die Kleinsparer bauen"

Die EU-Finanzminister haben den Weg für eine europaweite Finanztransaktionssteuer freigemacht - auch ohne Großbritannien. Der deutsche Finanzstandort dürfe dadurch nicht geschwächt werden und auch Kleinsparer nicht weiter belastet werden, fordert Volker Wissing, finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Volker Wissing im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 23.01.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Bisher hat die SPD noch bei jedem Rettungspaket für ein strauchelndes Euroland mitgemacht. Aber die Sozialdemokraten, die stellten auch Bedingungen. Eine davon: Um die Verursacher der Krise – und aus Sicht der SPD sind das die Banken und die Vermögenden unter anderem – an den Kosten der Krise zu beteiligen und um Mittel zu erhalten, Programme gegen die Jugendarbeitslosigkeit aufzulegen, sollte sich die Bundesregierung für die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer einsetzen. Die EU-Finanzminister haben dafür jetzt den Weg frei gemacht. Allerdings macht eine Reihe von Ländern nicht mit, darunter Großbritannien und Schweden. – Am Telefon begrüße ich dazu jetzt den stellvertretenden Chef der FDP-Fraktion und deren finanzpolitischen Sprecher Volker Wissing. Schönen guten Morgen, Herr Wissing.

    Volker Wissing: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Heckmann: Herr Wissing, jetzt ist die Situation eingetreten, vor der Sie, vor der die FDP gewarnt hatte. Hören wir mal kurz rein, was Sie am 30. Juni 2011 im Bundestag dazu gesagt haben.

    O-Ton Volker Wissing: "Wenn Großbritannien nicht bereit ist, gemeinsam in Europa eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, dann halten wir das aus deutschem Interesse nicht für vertretbar. Die FDP jedenfalls macht eine Finanztransaktionssteuer ohne UK nicht mit."

    Heckmann: Ohne UK macht die FDP also nicht mit, haben Sie im Bundestag erklärt. Jetzt macht UK nicht mit und die Finanztransaktionssteuer kommt dennoch. Da kann man nur sagen: FDP – Versprechen gebrochen!

    Wissing: Nein, denn wir haben der Opposition und auch unserem Koalitionspartner, seitdem ich diese Äußerung gemacht habe, bis heute etwas abgerungen, nämlich die Zusage, dass eine Finanztransaktionssteuer nur kommen darf, wenn sie so ausgestaltet wird, dass es nicht zu Verlagerungen von Finanzaktivitäten vom deutschen Standort in andere Standorte kommt.

    Heckmann: Wie soll das denn sichergestellt werden?

    Wissing: Ja das Problem ist, dass dieses sehr schwer ist sicherzustellen, und damit ist diese Bedingung eine sehr hohe Hürde für die Einführung der Steuer. Es ist allerdings so, dass sowohl CDU/CSU als auch SPD und Grüne der Öffentlichkeit immer wieder versichert haben, dass sie es sicherstellen können, dass der deutsche Finanzstandort durch diese Steuer nicht geschwächt wird und Großbritannien davon nicht einseitig profitiert, und jetzt müssen diejenigen, die das versprochen haben, also SPD, Grüne und auch CDU/CSU, liefern.

    Heckmann: Die Opposition sagt, das Ganze soll so ausgestaltet werden, und auch die CDU argumentiert ja so, dass dort besteuert werden soll, wo der Investor sitzt, um solche Ausweichmöglichkeiten gar nicht erst zuzulassen. Damit ist das Problem doch gelöst, oder?

    Wissing: Nein, bisher sind das alles nur Sprüche. Niemand hat einen konkreten Vorschlag vorgelegt und jetzt wollen wir sehen, ob sie das Versprechen, das die abgegeben haben, nämlich dass es nicht zu Verlagerungen kommt, einhalten werden, oder ob sie das Versprechen brechen werden.

    Heckmann: Das heißt, ich verstehe Sie richtig: Wenn diese Zusage eben nicht eingehalten werden kann aus Ihrer Sicht, dann machen Sie was in der Regierung als FDP?

    Wissing: Schauen Sie, wir haben ja klar gesagt, es geht bei dieser Steuer darum, es darf nicht zu einer Verlagerung von dem regulierten deutschen Markt in unregulierte Märkte kommen. Wir haben auch weitere Bedingungen erhoben. Wir haben gesagt, es darf nicht zu einer Belastung von Kleinsparern, von Riestersparern kommen. Und wir haben auch gesagt, die Steuer darf am Ende nicht der Mittelständler um die Ecke bezahlen, der ein Absicherungsprodukt für den Export beispielsweise am Finanzmarkt kauft. Und all das ist uns zugesagt! Es ist im Übrigen vorige Woche auch vom Deutschen Bundestag noch mal beschlossen worden. Und diese Bedingungen, die werden wir einfordern, und wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden, ist die FDP ganz selbstverständlich nicht bereit, einer solchen Steuer zuzustimmen. Wir werden einen Schutzwall bauen um die Kleinsparer, um die Handwerker, um die Realwirtschaft, um den Mittelstand.

    Heckmann: Das heißt, ich verstehe Sie richtig, Herr Wissing: Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, dann werden Sie dieses Projekt im Bundestag spätestens stoppen?

    Wissing: Selbstverständlich. Ich gehe aber auch davon aus, dass die Opposition, SPD und Grüne, die ja dem Beschluss auch zugestimmt haben im Bundestag, dass diejenigen sich auch daran halten und nicht wortbrüchig werden. Ich habe immer noch den Verdacht, dass hier einige versuchen, der Öffentlichkeit vorzuspielen, hier geht es um die Besteuerung von Banken, und am Ende soll Kasse gemacht werden auf Kosten von Mittelstand, von Realwirtschaft und von Riester-Sparverträgen. Und wissen Sie, das ist eine unfaire Politik, denn diejenigen, die man dann trifft, haben ja mit der Krise nichts zu tun, sondern die leiden ja schon unter der Krise. Und dass man zweimal diejenigen belastet mit dieser Finanzkrise, das kann es nicht sein.

    Heckmann: Bei vielen, Herr Wissing, Wählern haben Sie ja das Image - die FDP meine ich jetzt damit - der "Möwenpick-Partei" durch die Steuerreduzierung der Hoteliers zu Beginn der Legislaturperiode. Wollen Sie denn tatsächlich als Partei dastehen, die dafür sorgt, dass Banken und Besitzer von Kapital an der Finanzierung der Krisenkosten nicht beteiligt werden?

    Wissing: Die FDP hat zunächst einmal mit durchgesetzt in Deutschland, dass Banken an der Finanzierung der Krise beteiligt werden, indem wir eine Bankenabgabe eingeführt haben.

    Heckmann: Aber da kommt nicht wahnsinnig viel zusammen?

    Wissing: Moment! Die Bankenabgabe wird von den Banken bezahlt in Deutschland, und wir haben ein Bankenrestrukturierungsgesetz, das dazu führt, dass künftig die Banken auch Restrukturierungen bezahlen. So etwas hat die SPD nie auf die Beine gestellt. Und dann, was Sie sagen, ist ja: Diese Finanztransaktionssteuer führt doch dazu, dass Banken sie einfach weitergeben an die Kunden. Wenn sie so eingeführt wird, wie sie bisher vorgeschlagen worden ist, werden die Banken einfach ihren Kunden das berechnen.

    Und was die Bürgerinnen und Bürger nicht wissen ist, wenn sie 100 Euro in einen Fondsparvertrag einbezahlen, dass es dann nicht darum geht, diese 100 Euro zu besteuern, sondern die werden vielfach investiert und umgeschichtet in dem Fonds. Es gibt Berechnungen, wonach jemand, der 100 Euro im Monat einbezahlt, über einen Zeitraum von 40 Einzahlungsjahren bis zu 14.000 Euro Steuern bezahlen muss an Finanztransaktionssteuern. Das sind Kleinsparer, 100 Euro im Monat, das ist Altersvorsorge. Und ich sage Ihnen ganz klar: Wenn das kommen sollte und in den Gesetzen nicht eindeutig eine Freistellung so organisiert wird, dass diese Kleinsparer nichts bezahlen müssen, dann wird die FDP fordern, dass sie einen Ausgleich bekommen durch Erhöhung des Sparfreibetrages, oder an anderer Stelle. Und wissen Sie, ich finde das ein bisschen perfide, dass man der FDP immer vorwirft, sie würde für die falschen Politik machen. Es geht hier ganz konkret darum, dass wir nicht bereit sind, die Altersvorsorge in Deutschland mit zusätzlichen Steuern belegen zu lassen. Kleinsparer, Riestersparer, aber auch der Handwerker um die Ecke oder der Mittelständler, die auch auf Finanzprodukte angewiesen sind, die haben mit der Krise nichts zu tun, und ich finde es hoch unfair, denen jetzt in die Tasche zu greifen.

    Heckmann: Der stellvertretende Chef der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Volker Wissing, war das hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch und schönen Tag!

    Wissing: Für Sie auch. Danke schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.