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"Wir werden nicht bankrott machen"

Sie wurde aus ihrer Partei ausgeschlossen, weil sie für das griechische Sparprogramm stimmte - jetzt ist Dora Bakoyannis verärgert über die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Athens durch eine Ratingagentur. Die Agenturen würden noch zum "Diskussionthema".

Dora Bakoyannis im Gespräch mit Silvia Engels | 16.06.2010
    Silvia Engels: Vorgestern hat die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit Griechenlands herabgestuft. Bei manchem wächst seitdem wieder die Sorge vor der Zahlungsunfähigkeit Athens. Auch Spanien ist mittlerweile möglicherweise bedroht. Zur Erinnerung: Im Mai hatten der IWF und die Europäische Union ein Rettungspaket geschnürt über 110 Milliarden Euro, um Griechenland zahlungsfähig zu halten. Das Land hat einen Gesamtschuldenberg von rund 300 Milliarden Euro aufgehäuft und seit Mitte Mai fließen nun Gelder der EU und des IWF aus diesem Rettungspaket und einem anderen Rettungspaket nach Athen. Was genau ist mit diesen Hilfseuros passiert?

    Dora Bakoyannis war von 2006 bis 2009 Außenministerin der damaligen Regierung von Kostas Karamanlis. Die Wahlen brachten dann die Pasok des jetzigen Ministerpräsidenten Papandreou an die Macht, dann kam die Wucht der griechischen Finanzkrise. Dora Bakoyannis hat vor wenigen Wochen als einzige Parlamentarierin der oppositionellen Nea Demokratia für das Sparprogramm der Regierung gestimmt, danach wurde sie aus ihrer Partei ausgeschlossen und ist seither parteiloses Mitglied im griechischen Parlament. Sie ist nun am Telefon. Guten Morgen, Frau Bakoyannis.

    Dora Bakoyannis: Guten Morgen!

    Engels: Vorgestern hat die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit Griechenlands herabgestuft. Hatten Sie damit gerechnet?

    Bakoyannis: Eigentlich nicht muss ich ganz ehrlich sagen, und ich glaube, dass die Rolle der Agenturen auch ein Diskussionsthema mittlerweile werden wird, weil zurzeit hat das griechische Budget das gemacht, was das Programm vorsieht. Wir erfüllen ein sehr schwieriges Sparprogramm und Reformprogramm in Griechenland.

    Es gab natürlich auch leider Gottes ein paar Sachen, die zu spät gemacht wurden, oder die später gemacht worden sind, als wir erwartet haben, aber Griechenland hat mit den Nummern heute gezeigt, dass es das schaffen wird. Moody's hat eine Ansicht, die genau die gegenseitige Ansicht ist von dem, was die europäische Bank denkt, was die Europäer, was Olli Rehn sagt, und so weiter. Es tat mir wirklich sehr leid!

    Engels: Sie haben es angesprochen: Moody's begründet die Entscheidung damit, dass das griechische Sparpaket die Wirtschaftsleistung dämpfen würde, so würden Griechenlands Chancen, den Schuldendienst zu leisten, weiter schrumpfen. Nun hat ja die griechische Regierung genau deshalb das Sparpaket beschlossen, um die eigene Glaubwürdigkeit als zuverlässiger Schuldner zu stärken. Zeigt das, dass die Griechen eigentlich keine Chance haben, den Staatsbankrott abzuwenden?

    Bakoyannis: Nein! Das heißt, dass die Moody's einfach nicht recht hat. Von Anfang an wussten wir, dass dieses Sparprogramm eine gewisse Rezession mit sich bringen wird. Das wussten wir, weil es geht nicht anders. Man kann nicht auf der einen Seite wirklich sehr sparen – mehr als 30 Prozent wurde das Einkommen der Griechen ungefähr reduziert -, und auf der anderen Seite keine Rezession haben. Wir werden durch eine Rezession gehen!

    Aber was die Moody's sagt, ist zum Beispiel genau das Gegenteil, was Ackermann in der Deutschen Bank gesagt hat, die Griechen werden nicht bankrott machen. Und das will ich Ihnen sehr klar sagen: Wir werden nicht bankrott machen, wir werden nicht aus der Euro-Zone gehen, wir werden es schaffen. Es ist schwer für uns. Ja, wir müssen unsere Hausaufgaben machen, das ist ganz klar, aber auf der anderen Seite ist es auch ganz klar, dass das Paket, das von Europa und vom IMF gekommen ist, uns erlauben wird, durch diese Krise rauszukommen.

    Engels: Sie haben es gesagt: Griechenland will seine Hausaufgaben machen. Auf der einen Seite gibt es einige Punkte, wo es noch hakt. Wo sehen Sie die größten Gefahren für die Umsetzung des Sparpakets in Griechenland?

    Bakoyannis: Schauen Sie, es ist nicht leicht, wenn sie von einem Land von einem Tag auf den anderen so ein Sparprogramm verlangen, wenn die Renten reduziert werden, wenn das Rentenalter erhöht wird, wenn auf der anderen Seite, wie ich Ihnen gesagt habe, das Einkommen der Griechen wirklich um ungefähr von 20 bis 30 Prozent reduziert wird. Das ist nicht leicht und es ist auch ganz klar, dass wir auch Demonstrationen haben werden und dass die Leute auch auf die Straße gehen. Aber was ich glaube ist, dass der größte Teil der Griechen, das griechische Volk, heute versteht, wie ernst die Situation ist, und macht mit.

    Die griechische Geschichte hat bis jetzt gezeigt, dass immer, wenn die Sachen wirklich sehr schwer waren, die Griechen mitgetan haben und es am Ende geschafft haben. Wissen Sie, ich war Bürgermeisterin von Athen während der Olympischen Spiele. Ich habe damals es erlebt, wie die ganze Welt nicht geglaubt hat, dass die Griechen gute Olympische Spiele machen werden. Wir haben es geschafft und wir haben sehr gute Olympische Spiele gemacht. Damals hat uns die Boulevard-Presse in Deutschland auch nicht geglaubt. Aber Gott sei Dank: Wir waren fähig, es zu tun!

    Engels: Auf der anderen Seite sagt die griechische Zentralbank, gerade jetzt schaffen immer mehr Griechen ihr Geld ins Ausland. In den ersten vier Monaten waren es über 18 Milliarden Euro. Das stützt doch mehr die These, dass viele Griechen selbst nicht mehr an den Reformerfolg glauben und versuchen, ihr Geld zu sichern.

    Bakoyannis: Ja, das ist wahr. Wir hatten in den ersten Monaten genau das, was Sie gesagt haben. Es gab viele Griechen, die das Geld aus Griechenland rausgenommen haben. Wenn Sie von morgens bis abends hören, dass es die Möglichkeit eines Bankrotts gibt, dann gab es viele Leute, die Angst gehabt haben. Aber in dem letzten Monat haben unsere Banken gesagt, dass es schon einen Teil davon gibt, der wieder zurück nach Griechenland kommt. Und ich glaube, wenn die Griechen sehen, dass mit dieser Katastrophologie endlich jetzt mal Schluss ist und dass wir anfangen zu arbeiten, damit eben der Erfolg kommt, dann werden sie auch das Geld wieder nach Griechenland zurückbringen.

    Engels: Ihre Frühere Partei, die Nea Demokratia, hat ja gegen das Sparpaket gestimmt. Sie haben dafür gestimmt. Aber zeigt dies, dass das Land sehr gespalten ist, wenn eine wichtige Oppositionspartei nicht bereit ist, Verantwortung mitzutragen?

    Bakoyannis: Das war ja der Grund, dass ich aus der Nea Demokratia ausgeschlossen bin. Ich glaube, das war ein sehr großer Fehler des Parteiführers der Nea Demokratia. Die Fraktion wurde nicht mal gefragt. Das ist leider Gottes in Griechenland mit unserem alten Parteisystem möglich. Der Parteichef hat diese Entscheidung getroffen. Das heißt aber nicht, dass das griechische Volk mitgemacht hat.

    Engels: Welche Mitverantwortung trägt denn Ihre frühere Regierung, der Sie ja angehörten, für die Zuspitzung der griechischen Finanzkrise?

    Bakoyannis: Es gibt nicht eine Regierung in Griechenland, die keine Verantwortung trägt. Meines Erachtens sind die Regierungen der letzten 30 Jahre Schuld und praktisch wir alle, die an diesen Regierungen teilgenommen haben – aus dem einfachen Grund, weil man in Griechenland ein ziemlich gutes Wachstum hatte und wir immer wieder geglaubt haben, dass man mit geliehenem Geld Politik machen kann. Das war eben ein sehr großer Fehler!

    Engels: Wir haben jetzt darüber gesprochen, dass Sie sagen, das griechische Volk unterstützt mehrheitlich diesen Kurs. Auf der anderen Seite ist die Parteienlandschaft, auch die Nea Demokratia so zurückhaltend, wie sie ist. Fürchten Sie, dass die Regierung über dieses Sparpaket stürzen wird?

    Bakoyannis: Nein! Die Regierung hat 160 Parlamentarier heute und es sieht gar nicht so aus, als wenn diese Regierung stürzen würde. Aber wissen Sie, was für mich viel wichtiger als das Parteiensystem ist, ist, dass die Griechen verstehen, dass aus dieser Krise kann man nur heraus, wenn wir eben durch diese sehr schwere Lücke gehen.

    Engels: Dora Bakoyannis war das, frühere griechische Außenministerin. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Bakoyannis: Danke schön!