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"Wir werden sicher zusammenrücken müssen in den Hochschulen"

Die Wehrpflicht ist suspendiert, das Turboabitur bringt einen Jahrgang zeitgleich mit dem auslaufenden 13. Schuljahr zum Abitur - Deutschland steht vor einem Studierendenhoch. Kein Anlass zur Sorge, meint Margret Wintermantel.

06.04.2011
    Jürgen Liminski: Jahrelang haben ganze Generationen von Studenten über die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) gestöhnt. Schließlich gab es eine Reform, die ZVS wurde in die Stiftung für Hochschulzulassung umgewandelt, jetzt stöhnen die Studenten über die Stiftung. Moska Timar aus dem Vorstand des Freien Zusammenschlusses von Studentenschaften FZS in Deutschland meinte gestern hier im Deutschlandfunk:

    O-Ton Moska Timar: Wir brauchen ein einheitliches System. Es bringt nichts, jetzt noch überall rumzudoktern und hier noch was zu schaffen und da noch was zu schaffen. Im Prinzip war das Ziel, ein einheitliches Verfahren zu entwickeln, welches den Bürokratieaufwand und Mehraufwand für Studieninteressierte reduziert, und das ist einfach noch nicht gelungen und es ist auch nicht klar, wie das gelingen wird. Also wir haben da viele Fragezeichen, aber wenig Antworten.

    Liminski: Moska Timar vom FZS. – Von den vielen Fragen wollen wir einige aufgreifen, denn es droht in der Tat ein Chaos an den Universitäten, und Antworten erhoffen wir nun von Frau Margret Wintermantel, der Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Guten Morgen, Frau Wintermantel.

    Margret Wintermantel: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Frau Wintermantel, die Wehrpflicht ist suspendiert, das Turboabitur bringt einen Jahrgang zeitgleich mit dem auslaufenden 13. Schuljahr zum Abitur, und die ZVS-Umwandlung funktioniert nicht. Droht 2011 das Chaos an den deutschen Universitäten?

    Wintermantel: Wir erwarten in dem kommenden Studienjahr ein Studierendenhoch, sehr viele Studierende, die gerne auf hohem Niveau studieren wollen, und wir freuen uns auf diese Studierenden. Wir werden sicher zusammenrücken müssen in den Hochschulen, aber wir sind vorbereitet auf dieses Studierendenhoch und wir nehmen unsere Verantwortung ernst. Wir können keine Kompromisse bei der Qualität der Lehre machen, aber wir sind vorbereitet darauf. Also ich erwarte kein Chaos bei der Zulassung. Aber tatsächlich ist es so, dass wir ja ein neues System entwickelt haben, was weit vorangeschritten ist, die Software ist fertig, und die Frage, die sich stellt, ist tatsächlich, ob dieses Zulassungsverfahren, dieses dialogorientierte Serviceverfahren, was ein hochmodernes Zulassungsverfahren ist, ob das tatsächlich rechtzeitig an den Start gehen kann.

    Liminski: Sie sagen, Sie sind vorbereitet. Wie bereiten Sie sich denn auf diesen Ansturm an Studenten vor? Einen Punkt will ich nur herausgreifen: die Kritik von Lehrern und Studenten über dieses Online-Portal Hochschulstart.de, über das man sich bewerben kann, und die schleppende Umsetzung des neuen Bewerbungsverfahrens nimmt zu. Offensichtlich gibt es ein Informationsdefizit. Ist das nicht schon der Anfang des Chaos?

    Wintermantel: Ich sehe dieses Defizit eigentlich nicht. Wir haben ja regelmäßig berichtet, die Stiftung für Hochschulzulassung hat berichtet darüber, dieses Zulassungsverfahren ist in Vorbereitung von der Stiftung für Hochschulzulassung, aber es ist tatsächlich so, dass wir den Eindruck haben, dass es nicht reibungslos an den Start gehen kann. Am Freitag dieser Woche ist ein wichtiger Prüftermin, da werden Testergebnisse erwartet, die Auskunft darüber geben, ob das System rundum zuverlässig läuft, oder ob es Probleme gibt. Ich meine, wenn sich weitere Probleme abzeichnen, sollte man den Einsatz dieses Verfahrens verschieben. Das würden wir der Stiftung für Hochschulzulassung empfehlen. Wir sollten nicht mit einem System starten, von dem wir wissen, dass es nicht reibungslos läuft, und das ist sicher das, was die Studentin auch anspricht, dass man im Augenblick nicht wirklich weiß, ob es läuft, und tatsächlich ist ein wichtiger Prüftermin gerade diesen Freitag.

    Liminski: Heißt das, dass, wenn dieser Test negativ verläuft, man auf das alte System zurückgreifen wird?

    Wintermantel: Man wird auf die Zulassungsverfahren in den einzelnen Hochschulen zurückgreifen.

    Liminski: Und wie bereiten Sie sich denn sonst auf diesen Ansturm vor? Es ist ja doch eigentlich berechenbar gewesen, dass 2011 im Sommer- und erst recht im Wintersemester der Andrang an die Unis zum Massenansturm werden würde. Warum hat die Hochschulrektorenkonferenz zum Beispiel in Kenntnis dessen und der Eigenbröteleien von Universitäten nicht präventiv schon ein Gesetz für eine einheitliche Lösung vorbereitet?

    Wintermantel: Ja Entschuldigung, das haben wir getan! Ich meine, wir haben nicht diese Software entwickelt, aber seit zwei Jahren sind wir ja kontinuierlich dabei, mit den Fachleuten zu verhandeln, deutlich zu machen, welche Anforderungen von Seiten der Hochschulen bestehen und wie diese Anforderungen realisiert werden könnten. Wir wissen, dass wir viele Studierende haben werden im kommenden Studienjahr. Noch mals: die Hochschulen sind darauf vorbereitet. Sie haben Planungen gemacht, was zusätzliche Tutorien betrifft, was zusätzliche Räume betrifft, also die nötige Infrastruktur. Sie haben mit ihren Länderministerien verhandelt um zusätzliche Ressourcen, um die Lehre tatsächlich aufrecht zu erhalten und auch auf hohem Niveau zu garantieren. Also ich denke, wir sind gut vorbereitet.

    Liminski: Allerdings sind einige Unis oder zahlreiche Unis vielleicht sogar nicht an dem Hochschulportal beteiligt. Das bedauert zum Beispiel der Deutsche Philologenverband und auch, dass Studiengänge mit mehr als einem Fach nicht berücksichtigt würden. Ist da nicht eine Koordinationslücke?

    Wintermantel: Noch mals: Es handelt sich um eine Software, die entwickelt worden ist, und diese Software muss eingesetzt werden. Über 300 Leute aus den Hochschulen haben an entsprechenden Schulungen teilgenommen. Und es ist jetzt die Frage, ob dieses System reibungslos läuft und eingesetzt werden kann. Wir sagen, wenn es nicht wirklich reibungslos läuft – und das ist nicht eine Sache der Hochschulen, sondern das ist eine Sache des Software-Systems und der Passung auf die Software in den Hochschulen -, wenn es nicht reibungslos läuft, dann sollte man sozusagen auf den Plan B zurückgehen und die entsprechenden Zulassungsverfahren wieder in Anwendung bringen, die da sind. Da gibt es zum Beispiel auch die Studienplatzbörse, die die Hochschulrektorenkonferenz anbietet.

    Liminski: In den letzten Jahren, Frau Wintermantel, ist über die Studiengebühren viel Geld in die Unis geflossen, es fließt immer noch. Gibt es genügend Studienplätze und Professoren für den berechenbaren Anstieg der Studentenzahlen?

    Wintermantel: Das ist eine Sache, die uns natürlich große Sorgen macht. Sie wissen, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen zu niedrig ist und dass wir zusätzliche Ressourcen brauchen. Es gibt ja auch durch den Hochschulpakt zusätzliche Ressourcen, aber sicher nicht ausreichend. Noch mals: Wir müssen zusammenrücken in den Hochschulen, wir tun das auch, wir müssen diesen Studierenden, die jetzt da sind, und denen, die jetzt kommen, ein qualitätsvolles Studium bieten.

    Liminski: Wie die Rektoren dem drohenden Chaos an den Universitäten begegnen wollen, das war Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Besten Dank für das Gespräch, Frau Wintermantel.

    Wintermantel: Bitte sehr!

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