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"Wir wissen, dass türkische Kinder in Schulen größte Probleme haben"

"Ich muss niemanden anerkennen, der ( ... ) ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert" - unter anderem diese verkürzte Interview-Äußerung im "Lettre International" von Thilo Sarrazin, im Vorstand der Bundesbank, sorgt für Aufregung. Nicht bei Olaf Henkel. Sarrazin habe differenziert auf ein Problem hingewiesen - und werde jetzt einem "Vernichtungsfeldzug" ausgesetzt.

05.10.2009
    Jochen Spengler: Wir sprechen mit dem ehemaligen Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Hans-Olaf Henkel. Guten Tag, Herr Henkel!

    Hans-Olaf Henkel: Hallo, guten Tag!

    Spengler: Spricht Ihnen Thilo Sarrazin aus dem Herzen?

    Henkel: Ja, vieles von dem, was er sagt, stimmt. Und ich habe das Interview inzwischen auch mal in seiner Gänze gelesen und behaupte mal, dass diejenigen, die jetzt über ihn herfallen, das nicht getan haben, denn viele der Dinge, die dort zitiert wurden, auch eben von Ihrer Mitarbeiterin, sind aus dem Kontext zitiert und vor allen Dingen hat man unterdrückt, was er vorgeschlagen hat. Er hat ja zur Lösung dieser verschiedenen Probleme auch Vorschläge gemacht, von denen habe ich in der Öffentlichkeit überhaupt nichts gehört.

    Spengler: Herr Henkel, nun hat er aber sich doch sehr undifferenziert gegen ganze Bevölkerungsgruppen gewendet. Darf das ein Bundesbank-Vorstandsmitglied?

    Henkel: Erst mal stimmt das gar nicht, er hat sehr differenziert gesprochen, nur: Das kam nicht rüber. Wenn man die Augen vor dem Ausländerproblem in Berlin nicht verschließen will – und das wollen wir ja wirklich alle nicht –, dann muss man differenzieren, da haben Sie völlig recht, und genau das hat er getan. Er hat zum Beispiel darauf hingewiesen, dass Vietnamesen in der zweiten Generation durchweg bessere Schulnoten als Deutsche haben, oder dass die Osteuropäer viel integrationswilliger und erfolgreicher sind als sogar Deutsche. Und er hat darauf hingewiesen, dass besonders Kinder türkischer und arabischer Bürger Schulprobleme haben. Das stimmt alles.

    Spengler: Aber wenn er das 90 Prozent der Türken, die in Berlin leben, unterstellt, das ist doch sehr, sehr undifferenziert.

    Henkel: Ich weiß nicht, ich weiß nicht ob Sie das wissen, aber es gibt ja nun Erhebungen. Wir wissen, dass türkische Kinder in Schulen größte Probleme haben. Wir wissen – und darauf hat er auch hingewiesen –, dass türkische Jungen sich von weiblichen deutschen Lehrerinnen nichts sagen lassen. Wir wissen, dass sehr viele Türken ihre Töchter nicht am Sportunterricht teilnehmen lassen. Diese Wahrheit ist doch da und ich finde es wirklich wahnsinnig, wie die deutsche Öffentlichkeit mit Herrn Sarrazin zurzeit umgeht. Nicht das, was er gesagt hat, ist ein Skandal, sondern ein Skandal ist, wie die deutschen, die meisten deutschen Medien und viele politische Vorbilder mit ihm umgehen. Das ist nach meiner festen Überzeugung eine wirkliche Granate, denn hier wird erst mal ein Anschlag auf unsere im Grundgesetz doch zugesicherte Meinungsfreiheit vorgenommen; außerdem ist die Reaktion völlig kontraproduktiv, denn man hätte sich auch mit seinen Vorschlägen auseinandersetzen müssen, das hat man nicht getan; und drittens, und das ist eigentlich das Allerschlimmste: Wir werden hier Zeugen eines, wie ich finde, unglaublichen und schändlichen Vernichtungsfeldzuges gegen einen Menschen. Und ich wundere mich über die Berliner Staatsanwaltschaft, da hat ja jemand gestern drauf hingewiesen, ... Ich bin gern in Berlin, ich lebe hier seit über zehn Jahren. Aber ich wundere mich, dass man zum Beispiel diese linken Chaoten, die jede Nacht Autos anzünden, einfach nicht vor den Richter kriegt, aber jetzt der Meinung ist, man müsste gegen Herrn Sarrazin wegen Volksverhetzung ermitteln.

    Spengler: Jetzt wollen wir nicht alles in einen Topf werfen, Herr Henkel. Das wird erst nur geprüft, ob Volksverhetzung überhaupt vorliegt.

    Henkel: Lächerlich.

    Spengler: Es droht ihm der SPD-Parteiausschluss und der Bundesbankpräsident Axel Weber hat Herrn Sarrazin den Rücktritt nahegelegt.

    Henkel: Sie sagen es.

    Spengler: Muss man nicht als Prominenter immer auch beachten, nicht nur was man sagt, sondern wie etwas wo ankommt?

    Henkel: Wissen Sie, ich habe das ja selbst in meinem aktiven Berufsleben, auch während meiner BDI-Zeiten, als Publizist immer wieder erlebt: In diesem Land werden gewisse Wahrheiten nicht ausgesprochen, und wenn sie ausgesprochen werden, dann wird sich nicht mit den Punkten auseinandergesetzt – man hätte sich doch mit den Argumenten mal auseinandersetzen können, die Herr Sarrazin gebracht hat –, ...

    Spengler: Wollen wir mal ganz kurz machen. Ein liberaler Minister in Niedersachsen, der selbst von Einwanderern abstammt, sagt, mit seinen Äußerungen habe Sarrazin die Integrationsbemühungen der letzten fünf Jahre kaputtgemacht.

    Henkel: Ja, also, das ist lächerlich. Ich weiß nicht, ... Dieser Mann ist ja nun gerade ein wunderbares Beispiel für die erfolgreiche Integration von Ostasiaten, ...

    Spengler: Aber er weiß dann doch, wovon Herr Sarrazin spricht.

    Henkel: Richtig, und Herr Sarrazin hat gesagt, diese Leute sind äußerst erfolgreich. Aber er hat eben von der Schicht gesprochen, die nicht integrationswillig ist, und dieses Recht, darüber zu reden, müssen wir doch haben. Wenn wir Lösungen für Probleme finden wollen in Berlin, dann müssen wir uns auch um die Ursachen kümmern, und das hat er getan. Solange man aber die Ursachen nicht ansprechen darf, werden wir nie die richtigen Lösungen finden.

    Spengler: Wofür streiten Sie, für das Recht auf Provokation?

    Henkel: Nein, ich streite für das Recht auf Meinungsfreiheit und das sollte man ihm zubilligen. Zweitens streite ich für die Pflicht eines jeden – und dazu gehört auch Herr Sarrazin, auch wenn er bei der Bundesbank ist –, die Probleme zu benennen und Lösungen vorzuschlagen. Das hat er gemacht. Und drittens streite ich dafür, dass man diejenigen, die jetzt einen einmaligen Vernichtungsfeldzug gegen eine Person starten, denen sollte man mal in den Arm fallen und nicht demjenigen, der die Probleme benannt hat.

    Spengler: Ich finde Vernichtungsfeldzug in dem Zusammenhang ein bisschen hoch gegriffen, ich will auch nur auf eins hinweisen: Artikel Fünf Grundgesetz, Meinungsfreiheit gilt ja nicht uneingeschränkt. Es heißt, das Recht findet seine Schranke in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Haben türkischstämmige Menschen bei uns keine persönliche Ehre?

    Henkel: Wissen Sie, ich habe den Eindruck, dass Sie diesen Artikel auch nicht gelesen haben.

    Spengler: Doch, habe ich.

    Henkel: Er schneidet keinem Ausländerteil die Ehre ab, sondern er weist auf die verschiedenen Erfolge der Integrationsbemühungen hin und er differenziert – und das ist ja das Entscheidende. Es gibt ja auch Städte in Deutschland mit einem viel höheren Ausländeranteil, zum Beispiel Stuttgart oder München. Aber da haben Sie die Probleme nicht. Warum? Weil Sie diese massive Konzentration von arabischen und türkischstämmischen Einwanderern nicht haben. Und die weigern sich zu einem großen Teil, an der Integration mitzuwirken, und das müssen wir gemeinsam lösen und nichts anderes hat er im Schilde geführt.

    Spengler: Würden Sie so weit gehen, zu sagen: Redefreiheit gilt nur noch im Rahmen dessen, was eine Mehrheit hören möchte?

    Henkel: Ja, das ist ja anscheinend das, was Sie gerade unterstützen: Die Mehrheit will das ja nicht hören. Denn mein Eindruck ist, dass – mit wenigen Ausnahmen – Herr Sarrazin hier wirklich fertiggemacht wird, und zwar nicht nur von der Staatsanwaltschaft, sondern eben auch von Gutmenschen der grünen und linken Szene, die jetzt wieder meinen, sie müssten die Probleme zudecken, anstatt dass sie endlich mal mithelfen, sie zu lösen.

    Spengler: Sagt der Publizist und frühere Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie Hans-Olaf Henkel. Herr Henkel, danke für das Gespräch!

    Henkel: Bitte schön!

    Auszüge aus dem Interview mit Thilo Sarrazin im "Lettre International" - das Gesamtinterview ist in der Printausgabe nachzulesen