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"Wir wollen einen schlagkräftigen Rettungsschirm"

Nun also doch: Auch Deutschland will wohl einer zeitweiligen Zusammenlegung des jetzigen Rettungsschirms EFSF mit dem später dauerhaften ESM zustimmen. Eine schwierige Materie, gibt CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt zu: doch angesichts nationaler Entwicklungen und der Reaktionen der Finanzmärkte müsse man immer wieder neu reagieren.

Das Gespräch führte Dirk Müller | 27.03.2012
    Dirk Müller: Wir bleiben bei den 500 Milliarden maximal als Obergrenze für den ständigen europäischen Rettungsschirm. So hatten das viele Politiker, Journalisten und auch die Öffentlichkeit in Deutschland verstanden in den zurückliegenden Monaten. Eine Ausweitung wird es nicht geben, sagte nicht nur die Kanzlerin. Jetzt ist alles wieder anders, weil es den größeren Euro-Schirm doch geben soll, so wie von IWF und EU-Kommission gefordert. Der Bundestag hatte die deutschen Garantien für den vorläufigen Rettungsschirm auf 211 Milliarden Euro begrenzt. Nun sollen beide Schirme, die da heißen ESM und EFSF, für eine bestimmte Zeit zusammengelegt werden, also der vorläufige Schirm mit dem ständigen Rettungsschirm. Dabei wird dann aber auch die Haftungssumme wohl höher, weil dann zeitweise über 700 Milliarden Euro im gesamten Rettungsfonds liegen würden. Am Telefon begrüße ich nun Gerda Hasselfeldt, Chefin der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Guten Morgen!

    Gerda Hasselfeldt: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Frau Hasselfeldt, warum sind Sie in Berlin jetzt umgefallen?

    Hasselfeldt: Wir sind nicht umgefallen, sondern wir haben die Situation genau analysiert. Wir haben gestern auch eine lange intensive Debatte im Parteivorstand der CSU mit den Kollegen aus der Landesgruppe, dem Europäischen Parlament und auch dem bayrischen Landtag gehabt, und unsere Begründung ist ganz eindeutig: Wir wollen einen schlagkräftigen Rettungsschirm, einen funktionsfähigen Rettungsschirm von Anfang an. Und der ESM wird ja erst aufgebaut im Laufe dieses Jahres, also ab Mitte des Jahres 2012, er steht noch nicht voll zur Verfügung bis Mitte des Jahres 2013, und bis dahin soll dann der Rettungsschirm EFSF noch weitergeführt werden. Dies brauchen wir, um die Brandmauer zu halten beziehungsweise eine ausreichende Brandmauer aufzustellen gegenüber Ansteckungsgefahren in andere Euro-Länder.

    Müller: Von der Brandmauer, Frau Hasselfeldt, haben ja viele gesprochen in den vergangenen Monaten, verschiedene europäische Staaten, die Europäische Kommission, dann auch Christine Lagarde vom IWF, und die Deutschen haben immer gesagt, diese Brandmauer, die wir bisher beschlossen haben, das reicht völlig, und die beiden Rettungsschirme, die da konkurrierend zueinander stehen, werden dann miteinander verrechnet. Jetzt wird es vermutlich, wenn wir das richtig verstanden haben, addiert von 500 auf zeitweise 700 Milliarden Euro, und Sie sagen jetzt, das hätte keine Konsequenzen für die Haftung?

    Hasselfeldt: Ja nun, es ist ja nicht so, dass der europäische Rettungsschirm, der ESM, von Anfang an schon mit 500 Milliarden zur Verfügung steht, sondern er steht eben zunächst einmal nur mit 200 Milliarden zur Verfügung, nämlich mit zwei Fünfteln, weil erst zwei Fünftel der Bareinlagen am 1. 7. 2012 einbezahlt werden. Das heißt, wir haben im ersten Jahr keinen funktionsfähigen vollen Rettungsschirm ESM. Wir brauchen ihn aber, und deshalb die Parallelität nur in dieser Übergangsphase.

    Müller: Und die 700 Milliarden, die wir heute Morgen auch in den Zeitungen lesen können, das ist eine Erhöhung des Rettungsschirms, oder ist das auch nur Verschiebemasse?

    Hasselfeldt: Nun, es wird da alles zusammengerechnet, über den Zeitablauf hinaus zusammengerechnet, und die Rechnungen sind ja auch unterschiedlich, wie Sie lesen können. Die einen reden von 500, die anderen von 720, wieder andere von 750. Die Haftungssummen werden durcheinandergerechnet, je nachdem, wie man es braucht. Für das Haftungsrisiko ist ja letztlich das ausschlaggebend, was tatsächlich ausgereicht wird, und nicht das fiktive. Das Haftungsrisiko hängt immer davon ab, wie die Parlamente und der Gouverneursrat dann entscheiden. Das heißt, jede Einzelfallentscheidung kommt noch einmal in das deutsche Parlament.

    Müller: Dennoch schwierig, Frau Hasselfeldt, das aus Sicht der Öffentlichkeit und auch der Laien, der Finanzlaien, zu verstehen, wenn man einen Rettungsfonds größer macht von 500 auf 700, dass sich die Konditionen dafür nicht ändern.

    Hasselfeldt: Nun, es bleibt dabei: Der dauerhafte Rettungsschirm ESM hat die Obergrenze 500 Milliarden. Dabei bleibt es. Und in der Aufbauphase, bis der voll auf 500 Milliarden aufgebaut ist, in dieser Phase soll das, was im EFSF noch zur Verfügung steht, eben noch weiterlaufen. Aber das ist begrenzt bis zur Mitte des Jahres 2013 und das ist im Übrigen auch gesetzlich schon so fixiert.

    Müller: Das heißt, Ihre CSU-Kollegen im Bundestag, auch die in München, die haben das alle nicht falsch verstanden, die jetzt Kritik äußern?

    Hasselfeldt: Nun, wir haben immer eine kleine Gruppe um den Kollegen Gauweiler, der ja schon bei der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung gegen den Euro war, eine kleine Gruppe, die von Anfang an eine andere Linie bei der Euro-Politik vertreten haben. Wir setzen uns mit den Argumenten dieser Kollegen auch intensivst auseinander. Aber es sind einige wenige, die auch bei den letzten Maßnahmen dagegen gestimmt haben. Die Mehrheit der CSU-Landesgruppe steht hinter dem Kurs, den wir bisher gefahren sind, und wird dort auch künftig stehen.

    Müller: Peter Gauweiler – den sprechen Sie ja gerade auch an – hat Ihnen vorgeworfen, im Grunde schon vollendete Tatsachen geschaffen zu haben, bevor Sie mit den Kollegen in der Fraktion darüber offen reden. Ist das richtig?

    Hasselfeldt: Das stimmt nicht. Wir haben fast in jeder Landesgruppensitzung und in vielen Parteivorstandssitzungen über all die Fragen diskutiert. Die Grundaussage, nämlich den dauerhaften Rettungsschirm ESM mit der Bareinzahlung, so wie er jetzt konzipiert ist und wie er auch im Bundestag voraussichtlich ratifiziert wird, das haben wir lange und intensivst durchdiskutiert und besprochen. Die Entscheidung über die Parallelität, über die zeitweise Parallelität des EFSF und des ESM, diese wird ja jetzt in den nächsten Wochen noch nicht getroffen werden, sondern das ist noch Verhandlungsgrundlage in der Europäischen Union.

    Müller: Aber da würden Sie schon zugestehen, das ist ein qualitativ neuer Schritt, diese Parallelität, von der Sie gerade gesprochen haben, denn ursprünglich sollte das eine das andere ablösen?

    Hasselfeldt: Das ist richtig. Dies ist eine neue Entwicklung, die sich ergeben hat aus der Diskussion mit dem Internationalen Währungsfonds und der Reaktion der Finanzmärkte, aber auch der Diskussion unter den europäischen Partnern, die sich eben dadurch ergibt, dass der ESM erst aufgebaut wird und noch nicht voll zur Verfügung steht und sich der Internationale Währungsfonds mit einer Reihe von Ländern außerhalb Europas eben dann selbst beteiligt in einer beachtlichen Größenordnung, wenn auch Europa bereit ist, diese Brandmauer zu erhöhen.

    Müller: Frau Hasselfeldt, das wusste man vorher doch auch, dass das gesamte Geld, was vorgesehen wird, einschließlich auch der Haftungssumme, einschließlich der Einlagesumme, nicht sofort von heute auf morgen zur Verfügung gestellt werden könnte.

    Hasselfeldt: Aber die Diskussion mit dem Internationalen Währungsfonds und den Ländern des Internationalen Währungsfonds, diese hat sich in den letzten Wochen erst so gezeigt.

    Müller: Und dann braucht man nur den Rechenschieber ein bisschen anzuwerfen und kann dann hin- und herjonglieren, und plötzlich findet man dann heraus, 200 Milliarden mehr darin, aber im Grunde wird sich an den finanziellen Verpflichtungen nicht viel ändern?

    Hasselfeldt: Also ich kann mir schon vorstellen, kann das auch nachvollziehen, dass das für viele nicht so ganz einfach zu begreifen und nachzuvollziehen ist. Es ist eine schwierige Materie und die Diskussion auf der internationalen Ebene und im europäischen Bereich, die ist auch am laufen, die ist nicht heute abgeschlossen und dann kann man entscheiden, dann ist das Problem gelöst, sondern es ergibt sich ja aufgrund der Reaktion der Finanzmärkte, aber auch aufgrund so mancher nationaler Entwicklungen in den einzelnen Ländern, dass wir da immer wieder reagieren müssen und die Dinge neu überdenken müssen. Das liegt in der Natur der Sache.

    Müller: Warum wussten das Viele schon im Dezember, im Januar und im Februar und die Bundesregierung erst jetzt?

    Hasselfeldt: Nun, die Diskussion auch auf europäischer Ebene in den einzelnen Staaten, die war wie gesagt voll im Gang, und auch die Diskussion im Internationalen Währungsfonds war im Gang. Da hat man auch Gespräche darüber geführt, ist das unbedingt notwendig oder nicht. Und wie gesagt, es bleibt ja dabei, dass der dauerhafte Rahmen für den Europäischen Stabilisierungsmechanismus, also das dauerhafte höchste Ausleihvolumen, bei 500 Milliarden bleibt. Daran wird nicht gerüttelt.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Gerda Hasselfeldt, Chefin der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Hasselfeldt: Auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.