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"Wir wollen geeignete Regeln"

Der G20-Gipfel hat nach Ansicht des Hauptgeschäftsführers des Bundesverbandes deutscher Banken, Manfred Weber, gute Ergebnisse erzielt. Es seien eine klare Zielrichtung und ein zeitlicher Fahrplan erarbeitet worden.

Manfred Weber im Gespräch mit Sandra Schulz | 26.09.2009
    Sandra Schulz: Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. Guten Morgen!

    Manfred Weber: Guten Morgen!

    Schulz: Herr Weber, die USA haben jetzt doch weniger blockiert als erwartet. Sind Sie enttäuscht?

    Weber: Nein, überhaupt gar nicht. Sie haben ja die Linie der Bundesregierung in diesen Fragen voll und ganz unterstützt und ich persönlich war auch nicht der Ansicht, dass der Gipfel scheitern würde. Diesen Eindruck hat ja manch einer gehabt nach der Nachrichtenlage der vergangenen Tage. Dafür war die Krise viel zu einschneidend, als dass man hier nicht international seine Lektion gelernt hätte. Darauf legen auch wir Marktteilnehmer wert. Wir wollen geeignete Regeln, wir wollen nicht, dass sich eine solche Krise so wiederholt.

    Schulz: Aber wenn ich den Spieß umdrehe, wenn ich Sie richtig interpretiere und Sie nicht unzufrieden sind mit dem Ergebnis des Gipfels, dann heißt es doch, dass es eigentlich alles weitergeht wie zuvor?

    Weber: Nein, überhaupt gar nicht, das ist ja schon heute nicht der Fall. Wir haben ja teilweise in Deutschland und in Europa auf verschiedenen Teilgebieten bereits agiert. Wir selbst haben immer wieder Vorschläge dazu vorgelegt. Noch einmal: Es gibt Lektionen, die gelernt werden müssen, von der Politik, von den Notenbanken, von der Aufsicht, aber nicht zuletzt von den Marktteilnehmern selbst.

    Schulz: Da möchte ich aber eine Warnung von Josef Ackermann aufgreifen, von dem Chef der Deutschen Bank, der ja auch Mitglied im Vorstand Ihres Verbandes ist. Er hatte vor dem Gipfel vor zu strengen Regulierungen gewarnt, weil sie Gewinneinbußen bedeuteten. Heißt es, dass Josef Ackermann nichts gelernt hat aus der Krise?

    Weber: Nein, das geht alles Hand in Hand. Es kommt doch darauf an, dass wir unser System krisenfester machen, als es in der Vergangenheit gewesen ist. Das ist eine schwierige Aufgabe, denn wir sprechen über eine äußerst komplexe Materie. Deshalb hat der Gipfel in Pittsburgh ja auch zu Recht davon Abstand genommen, hier heute schon Detailregelungen festzulegen. Aber es gibt eine klare Zielrichtung und es gibt einen Fahrplan, einen zeitlichen Fahrplan für diese Maßnahmen. Was Herr Ackermann angesprochen hat, ist in der Tat: Wir haben die Krise ja noch nicht überwunden. Es sieht so aus, dass wir im Moment eine Bodenbildung erreicht haben, aber mit den Aufräumarbeiten werden wir alle noch erheblich beschäftigt sein. Und zu Recht hat ja auch Herr Steinbrück eben in Ihrer Sendung darauf hingewiesen, dass man nicht zur falschen Zeit Regeln einführen kann. Das würde die Krise nur wieder neu sozusagen entfachen. Das kann keinen Sinn machen. Wir müssen uns hier die Zeit nehmen, die wir brauchen, damit wir das Ziel wirklich erreichen: ein krisenfesteres, internationales Finanzsystem. Das ist nicht ganz einfach, hier gibt es international unterschiedliche Märkte, unterschiedliche Finanzsysteme, und das muss alles auf einen Nenner gebracht werden. Insofern sehe ich den Gipfel in Pittsburgh in beiderlei Hinsicht – klare Zielausrichtung, klare, zeitliche Fahrpläne, aber gleichzeitig Augenmaß in dem, was man beschlossen hat – durchaus als einen Erfolg an.

    Schulz: Sie müssen uns das noch mal erklären. Bis 2011 oder 2012 sollen diese neuen Vorschriften erst greifen für ein solideres Eigenkapital. Es war vor der Krise ja so, dass Banken bis zu 30 Mal ihr Geld verliehen haben, was dann ja zum Crash geführt hat. Warum muss man den Bankern das überhaupt vorschreiben, dass sie ihr Geld nicht 30 Mal verleihen müssen?

    Weber: Nun, Banken sind eine sehr sensible Branche. Sie stehen für den Blutkreislauf der Wirtschaft. Sie müssen Risiken eingehen, das gehört zur Natur des Bankgeschäftes. Aber diese Risiken muss man im Griff behalten. Hier ist zunächst einmal das hausinterne Risikomanagement gefordert, aber es bedarf eben auch adäquater Regeln. Wir haben durchaus einen Fortschritt gemacht mit der Einführung der Regeln nach sogenanntem Basel II im Jahre 2007, jedenfalls in Europa. Ich begrüße außerordentlich, dass die Amerikaner sich jetzt endlich bereit erklärt haben, Ende 2011 diese Regeln dann auch in den USA einzuführen. Wir haben aber auch gesehen, dass Basel II einige Punkte hat, die nicht gut sind: eine starke Prozyklität. In einer guten, wirtschaftlichen Verfassung sind die Risiken nicht so hoch und man muss weniger Eigenkapital vorhalten als Bank, was dazu führt, dass dann im Wirtschaftsabschwung, wenn naturgemäß die Risiken zunehmen, nicht die notwendigen Puffer vorhanden sind.

    Schulz: Und bis diese neuen Vorschriften greifen, bis 2011, kann sich getrost eine neue Blase bilden?

    Weber: Nein, auch das ist nicht der Fall. Wir sehen doch heute schon eine Situation, dass uns schon von den Märkten mehr Eigenkapital abverlangt wird, als dies die offiziellen Vorschriften an und für sich vorsehen. Wir brauchen jetzt aber neue Regeln, und, noch einmal: Die müssen mit Augenmaß bedacht werden. Ich begrüße außerordentlich, wenn Regeln im nächsten Jahr kommen, dass wir dann hinreichend Zeit haben, sie auf ihre Auswirkungen hin zu überprüfen. Bildlich gesprochen drehen wir an verschiedenen Schrauben. Es geht darum, zum Beispiel Liquiditätsrisiken im Finanzsystem anders mit Eigenkapital abzupuffern. Es geht darum, ...

    Schulz: Anders abzupuffern heißt, lassen Sie uns das noch mal konkret machen – wenn die Banken das bisher 30 Mal verliehen haben, ihr Kapital, wie häufig können sie ihr Kapital dann künftig verleihen? 25 Mal? 20 Mal?

    Weber: Was Sie ansprechen, ist etwas anderes. Bei Basel II oder einem überarbeiteten Basel II geht es darum, den Risikogehalt in den Bankengagements adäquat zu erfassen. Nehmen Sie das Beispiel Kredite: Ein Kredit ist vom Risiko her nicht gleich einem anderen Kredit, und deshalb brauchen wir diese Risikogewichtung, diese Risikosensitivität des Systems. Ein anderer Indikator kann sein – was Sie ansprechen –, dass in Bezug auf das Eigenkapital die Bilanzsumme eines Hauses groß geworden ist. Insofern sehe ich einer solchen Kennziffer einen Indikator, dass sich Probleme anbahnen könnten, aber nicht eine geeignete Bemessungsgrundlage für das Eigenkapital der individuellen Banken.

    Schulz: Aber das müssen Sie auch noch mal erklären. Wenn Sie gerade von einem adäquaten Risiko sprechen und Basel II in Europa doch schon 2007 galt, wie hängt dann beides zusammen?

    Weber: Es hängt damit zusammen, dass Basel II, wie gesagt, einige Schwachpunkte hatte, die man vor Einführung durchaus gesehen hat, für die aber keine richtigen Lösungen gefunden wurden. Das ist insbesondere dieser starke, prozyklische Effekt, den ich eben geschildert habe. Hier brauchen wir Puffer in guten Zeiten, damit wir in schlechteren Zeiten auf diese Puffer zurückgreifen können. Es will doch niemand wieder eine nächste Finanzkrise in diesem Stil haben. Hier hat niemand ein Interesse daran, weder die Politik noch die Marktteilnehmer selbst in diesem Punkt, und deshalb arbeiten wir ja auch konstruktiv an entsprechenden Lösungen mit, und wir werden auch künftig gerne bereit sein, uns mit Beiträgen an dieser Diskussion weiter zu beteiligen.

    Schulz: Herr Weber, ich probiere es noch mal – mit Blick auf die Uhr – mit der Bitte um eine kürzere Antwort. Vor knapp einem Jahr hat Jochen Spengler Sie gefragt an dieser Stelle, wann wir eine Entschuldigung der Banken hören. Das war damals, im letzten Jahr, ohne Erfolg. Ich probiere es heute Morgen noch mal. Müssen die Banken sich entschuldigen?

    Weber: Wir haben uns doch von Anfang an zu den Fehlern, die wir in den Märkten gemacht haben, durchaus bekannt, und wir haben mitgearbeitet an dem Aufräumen. Wir haben nicht darauf gewartet, dass wir dazu gezwungen werden. Wenn eine Systemkrise vorliegt, ist allerdings immer auch die Politik gefordert. Es gibt keinen anderen Akteur, der dann letztlich zu einer Lösung beitragen kann und die Lösung herbeiführen kann. Wir wollen aber auch nicht aus dem Blick verlieren, das war in den letzten Wochen vielleicht ein Stück dem Wahlkampf in Deutschland geschuldet, durchaus der Fall, zur Finanzmarktkrise haben viele beigetragen, wir wollen auch nicht vergessen, dass sie ihren Ursprung in den amerikanischen Gebaren im Finanzmarkt gehabt hat dann. Und auch auf dem Gebiet der Aufsicht, das zeigt ja, dass wir nun eben Regeln überarbeiten müssen, hat es hier und da Versäumnisse gegeben.

    Schulz: Und das war in den Informationen am Morgen Professor Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. Haben Sie herzlichen Dank!

    Weber: Ich danke Ihnen!