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"Wir wollen unserer Politik auch international Gewicht verleihen"

Die Bundesrepublik Deutschland möchte einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhalten, Bundesaußenminister Guido Westerwelle begründet dies auch mit außenwirtschaftlichen Ansprüchen. Auf der UN-Vollversammlung sorgte aber zunächst der iranische Präsident Ahmadinedschad für einen Eklat.

Guido Westerwelle im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 24.09.2010
    Tobias Armbrüster: 15 Minuten, das ist die Redezeit, die jedem Regierungsvertreter bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen zusteht. Gestern hat dieser Redemarathon im New Yorker UN-Gebäude begonnen. Der iranische Präsident Ahmadinedschad hat seine Redezeit erneut genutzt, um einen Eklat zu provozieren. Er beschuldigte die USA, hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 zu stehen. Für die Bundesregierung ist Vizekanzler und Außenminister Guido Westerwelle bei der Generaldebatte dabei. Ich hatte vor zwei Stunden Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Und ich habe ihn zunächst gefragt, ob ihn solche Äußerungen von Ahmadinedschad noch überraschen.

    Guido Westerwelle: Wir bedauern natürlich, dass das eine verpasste Chance gewesen ist, denn er hat ja am Morgen noch eigentlich merken können, wie positiv auch die Rede von Präsident Obama gewesen ist und dass Präsident Obama noch mal ein Dialogangebot gegeben hat. Es ist bedauerlich, dass Präsident Ahmadinedschad sich so verirrt hat, denn die Anschuldigungen sind natürlich abwegig, sie sind auch zugleich verletzend.

    Armbrüster: Sie haben am Rande der Debatte auch mit dem iranischen Außenminister gesprochen. Ist der umgänglicher?

    Westerwelle: Na ja, man muss jetzt aufpassen, dass man sich von diesen spektakulären Auftritten, die ja vor allen Dingen auch deshalb gemacht werden, um nach innen im eigenen Land Eindruck zu schinden, in den Sachfragen ablenken lässt. Wir haben eine wichtige Aufgabe vor uns, nämlich den Iran dazu zu bringen, dass er wieder zur Kooperation zurückkehrt, das heißt, dass auch Verhandlungen möglich werden. Und dass der Iran vor allen Dingen für eine Transparenz sorgt und damit sichergestellt werden kann, dass er sich nicht die Option einer atomaren Bewaffnung verschaffen will. Das ist unser erstes Ziel, deswegen haben wir in der Völkergemeinschaft auch gemeinsame Sanktionen beschlossen. Das heißt, die Vereinigten Staaten von Amerika, die Vereinten Nationen, die Europäer, aber auch andere Staaten wie Japan haben das noch einmal gemeinsam auch auf den Weg gebracht. Und das scheint augenscheinlich auch eine Wirkung zu entfalten bei der iranischen Regierung, denn unser Ziel ist es ja, dass die iranische Regierung zu Verhandlungen zurückkehrt. Unser Ziel ist es nicht, ein Land zu strafen, oder die Bevölkerung zu treffen.

    Armbrüster: Herr Westerwelle, Sie sind nun nicht wegen des Iran nach New York gereist, sondern Sie wollen in den kommenden Tagen auch Werbung machen für einen deutschen nicht ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat. Haben wir in Deutschland nicht größere Probleme?

    Westerwelle: Wir haben in Deutschland vor allen Dingen ein massives Interesse daran, dass unsere Stellung in der Welt nicht nur als eine starke Wirtschaftsnation gesehen wird, sondern dass wir natürlich auch bei wichtigen Fragen, vom Klimaschutz bis zur Abrüstung, unseren Einfluss geltend machen können. Und wenn wir daran denken, dass die wirklichen Fragen von Frieden und von Sicherheit im Sicherheitsrat hier in New York besprochen werden, so können wir hier unseren Beitrag leisten, dass zum Beispiel Abrüstung in der Tagesordnung nach oben rückt, dass zum Beispiel Klimaschutz entsprechend auch mit Nachdruck vertreten wird. Oder dass zum Beispiel Bildung als eine wirkliche Entwicklungschance auch für ärmere Länder nach vorne gebracht wird. Also es ist richtig, dass wir uns bewerben um den Sicherheitsratssitz. Und auch wenn es sicherlich starke Mitbewerber gibt, haben wir eine sehr ordentliche Chance.

    Armbrüster: Geht es denn dabei auch darum, den Bedeutungsverlust der Bundesrepublik aufzuhalten?

    Westerwelle: Ich habe im Gegenteil den Eindruck, dass die Bundesrepublik Deutschland an Bedeutung gewinnt, denn gerade weil wir unsere Politik sehr eng einbetten in die Europäische Union, ist es ja auch so, dass wir sehr viel Anerkennung in der Welt erfahren. Die Deutschen zeichnen sich aus, gerade im internationalen Ansehen, durch sehr viel Zuverlässigkeit. Wir sind ein sehr zuverlässiges Land und wir sind ein Land, das pflegt die Kultur der militärischen Zurückhaltung. Wir sind ein Land, das sich sehr solidarisch zeigt, gerade auch mit den ärmeren Ländern. Wir sind ein Land, das hoch angesehen ist, weil wenn ein anderes Land in Schwierigkeiten kommt, helfen wir. Wir denken gerade jetzt an Pakistan. Und wir wollen unserer Politik natürlich auch international Gewicht verleihen.

    Armbrüster: Aber ist gerade dieses Auftreten nicht ein Problem bei einer solchen Bewerbung? Tritt Deutschland nicht zu sehr als Vermittler auf und nicht so sehr als Akteur?

    Westerwelle: Beides ist klug. Einerseits geht es darum, dass wir unsere Anliegen vertreten wollen. Übrigens ist das auch wirtschaftspolitisch für unsere Arbeitsplätze von großer Bedeutung.

    Armbrüster: Aber machen das nicht andere Staaten wie beispielsweise Großbritannien und Frankreich sehr viel effektiver?

    Westerwelle: Andere Staaten machen es in der Tat – da haben Sie recht – mit einer sehr langen Tradition. Bei uns muss sich der eine oder andere noch daran gewöhnen, dass Außenpolitik auch die Wahrnehmung von eigenen, wohl verstandenen wirtschaftlichen Interessen ist. Aber sehen Sie, Deutschland ist ja eine Exportnation, bei uns hängen die Arbeitsplätze ganz wesentlich davon ab, dass wir in die Welt exportieren, unsere Erfindungen, unsere Produkte. Und deswegen machen wir auch Außenwirtschaftspolitik und das müssen wir auch nicht verschweigen, denn Sie haben zwei Beispiele genannt, Großbritannien oder Frankreich, aber auch andere Länder. Die haben da schon eine lange Tradition und auch wir müssen in Zeiten der Globalisierung erkennen, Kooperation, auch Ausgleich, auch Moderation ist wichtig, aber auch eigene, wohl verstandene nationale Interessen zu vertreten in der Welt. Das ist für ein Land, das vom Export lebt, ebenso wichtig.

    Armbrüster: Müssen wir also etwas offensiver auftreten, zum Beispiel auch in der Außenpolitik, wenn es etwa um Afrika, Asien oder Lateinamerika geht?

    Westerwelle: Das sind drei ganz wichtige Regionen, die Sie nennen, von denen wir übrigens auch der Überzeugung sind, dass sie unterschätzt werden, auch wenn man die Zusammensetzung der Strukturen bei den Vereinten Nationen sieht. Dass beispielsweise der lateinamerikanische Kontinent, aber auch ganz Afrika überhaupt nicht im Sicherheitsrat mit ihrer Bedeutung widergespiegelt werden, dass Asien doch sehr unterrepräsentiert ist, das ist auch unsere Auffassung als Bundesrepublik. Und deswegen haben wir auch gute Verbündete, denn wir zählen ja auch zu den Interessenswahrnehmern dieser wichtigen Regionen. Wir haben gerade das Lateinamerika-Konzept in der Bundesregierung beschlossen und es ist sehr positiv aufgenommen worden, dass wir als Bundesrepublik Deutschland die Beziehungen zum lateinamerikanischen Kontinent ausbauen wollen. Da haben wir gemeinsame kulturelle Wurzeln und da haben wir auch hervorragende wirtschaftliche Chancen, wenn ich alleine an die Potenziale mit Brasilien denke.

    Armbrüster: Herr Westerwelle, letzte Frage. Sie halten morgen, am Samstag, Ihre allererste Rede vor den Vereinten Nationen. Sind Sie aufgeregt?

    Westerwelle: Ehrlich gesagt ist das Programm hier so dicht und so intensiv, dass man für solche Gefühle gar keine Zeit entfalten kann.

    Armbrüster: Hier bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Bundesaußenminister Guido Westerwelle, zurzeit in New York bei der UNO-Vollversammlung. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Westerwelle.

    Westerwelle: Auf Wiederhören! Alles Gute für Sie.