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Wir wollten "ein Zeichen setzen gegen islamische Machtsymbole"

Er hat die Minarett-Initiative mitgetragen und fordert von der internationalen Gemeinschaft Respekt für das Schweizer Votum: Die direkte Demokratie sei nicht "irgendein Theater", sagt Lukas Reimann - und glaubt, dass es in Deutschland eine ähnliche hohe Zustimmung gäbe.

01.12.2009
    Friedbert Meurer: Am Sonntag hat eine Mehrheit der Schweizer überraschend dagegen gestimmt, weitere Minarette in der Schweiz zu bauen. Die Umfragen vorher hatten noch etwas Anderes ahnen lassen. Seitdem jedenfalls hagelt es international Proteste gegen die Schweiz und selbst die Regierung ist bestürzt, denn auch in der Schweiz gibt es ein Recht auf Religionsausübung. Aber für die Initiatoren des Volksentscheids ist das Ergebnis ein Riesenerfolg gewesen, unter anderem also auch für die Schweizerische Volkspartei. – Dirk Müller sprach gestern Abend mit Lukas Reimann von der SVP. Er ist einer der Mitinitiatoren des Schweizer Volksbegehrens gegen den Bau von Minaretten. Dirk Müllers erste Frage lautete, ob Thilo Sarrazin ihm schon ein Glückwunschtelegramm geschickt habe.

    Lukas Reimann: Nein. Wir sind nicht in Kontakt mit Thilo Sarrazin, aber ich habe ganz viele E-Mails bekommen aus ganz vielen Ländern in Europa, sogar aus den USA, von Leuten, die gratuliert haben und die geschrieben haben, wir hätten gerne bei uns auch darüber abgestimmt, wir möchten auch so eine Abstimmung.

    Dirk Müller: Sie haben also nur positive Nachrichten bekommen?

    Reimann: Mir schreiben natürlich dann auch diese Leute, die meine Politik gut finden. Natürlich gibt es auch Kritik, aber ich glaube, in der Bevölkerung gibt es auch viel Zustimmung.

    Müller: Nun hagelt es, Herr Reimann, international, europaweit Proteste. Tut Ihnen das Ganze jetzt leid?

    Reimann: Mir tut es nicht leid. Das war eine demokratische Volksabstimmung, wo die Mehrheit der Bevölkerung entschieden hat, und ich glaube, es war auch richtig so, dass man hier abgestimmt hat. Von daher sehe ich das Problem nicht.

    Müller: Was wollten Sie bezwecken?

    Reimann: Wir wollten mit der Initiative ein Zeichen setzen gegen islamische Machtsymbole, aber für ein friedliches Miteinander, für die Menschenrechte, für die Grundrechte, die ja hier gelten, aber an die sollen sich bitte auch die Einwanderer halten, die hier in der Schweiz leben wollen.

    Müller: Und das tun die Einwanderer bislang nicht?

    Reimann: Es gab und gibt viele Probleme mit nicht integrationswilligen Muslimen hier in der Schweiz, die einfach immer nur Forderungen stellen, sie möchten eine offiziell anerkannte Religion werden, sie möchten Minarette bauen, sie möchten am Sportunterricht nicht teilnehmen, sie lehnen unsere Weihnachtsfeiern ab, und das gibt dementsprechend dann Integrationsprobleme.

    Müller: Also wer in der Schweiz Bürger ist und mitwohnen und mitarbeiten möchte, der muss sich auch anpassen?

    Reimann: Auf jeden Fall, ja. Wobei mir ist schon wichtig zu betonen, dass für die Muslime weiterhin die gleichen Rechte und Pflichten gelten wie für die Schweizer auch. Ein Muslime hat in der Schweiz weiterhin das Recht, eine Moschee zu bauen, seinen Glauben frei auszuüben, aber er kann keine Minarett-Türme bauen.

    Müller: Viele Kritiker sagen ja jetzt, Herr Reimann, das werfen sie Ihnen auch persönlich vor, keine Religionsfreiheit für Muslime vorneab in der Schweiz.

    Reimann: Wir sind immer und waren immer für die Religionsfreiheit von allen Religionen, auch für die Muslime, und das Minarett ist ja nicht Bestandteil der Religionsausübung. Das Minarett kommt im Koran nirgendwo vor, es gibt Tausende von Moscheen in arabischen Ländern ohne Minarett. Das ist vielmehr ein Symbol, eben auch ein politisches Symbol und nicht nur ein religiöses Symbol, und genau darum haben wir das Minarett abgelehnt.

    Müller: Das sagen Sie so. Die Muslime sehen das anders. Die sagen, Minarette gehören zum Gotteshaus.

    Reimann: Ob sie zum Gotteshaus gehören oder nicht, das kann man natürlich diskutieren. Aber schlussendlich werden sie nicht gebraucht, um die Religion auszuüben.

    Müller: Aber die Mehrheit eines Landes – das sehen Sie ja jetzt so – bestimmt, wie ein Gotteshaus in der Architektur auszusehen hat?

    Reimann: Nein. Wir bestimmen einfach, dass wir keine Minarette in der Schweiz wollen und auch schlussendlich dann der Muezzin nicht den Aufruf macht. Die Schweiz ist ja ein sehr multikulturelles Land mit einem hohen Ausländeranteil und da ist doch ganz entscheidend, dass es klare Regeln gibt, unter welchen Bedingungen will man zusammenleben.

    Müller: Sind Sie, Herr Reimann, denn jetzt selbst überrascht, erschrocken über diese internationalen Proteste?

    Reimann: Ich bin schon überrascht, wie viele Reaktionen es aus dem Ausland gibt, weil als die Initiative lanciert worden ist, da gab es Berichte in Al-Dschasira, in den arabischen Medien, im Rest der Welt, und damals war kein Aufschrei da. Man hat gesagt, das wird in der Schweiz diskutiert, aber dass es jetzt derartige Reaktionen gibt, überrascht auch mich.

    Müller: Sind Sie da vielleicht zu weit gegangen?

    Reimann: Wenn Sie schauen, Vorarlberg in Österreich und andere Bundesländer in Österreich, die haben diese Minarette bereits verboten. Es ist bei uns natürlich einfach viel breiter diskutiert worden, weil es auch eine Volksabstimmung gab und nicht nur irgendein Parlament darüber entschieden hat.

    Müller: Nun sind die meisten Berichterstatter wohl offenbar gerade in der Schweiz davon ausgegangen, dass Sie keine Mehrheit bekommen für Ihre Abstimmung.

    Reimann: Ja, wir gingen selbst davon auch aus. Die letzten Umfragen sahen sehr schlecht aus. Aber in der Bevölkerung gab es sehr viel Zustimmung, und zwar von links bis rechts. Da gab es Leute von den Christdemokraten, die abgestimmt haben, FDP-Leute, es gab Feministinnen, die abgestimmt haben.

    Müller: Werden Sie demnächst im Gegenzug sozusagen als Fair Play dafür plädieren, dass Kirchen demnächst keine Kirchtürme mehr haben?

    Reimann: Natürlich nicht. Die Schweiz ist doch ein christlich-abendländisch geprägtes Land und die Kirchtürme, die gehören hier dazu. Das wird kein Thema sein.

    Müller: Sie sind Nationalrat. Das heißt, Sie sind bundespolitisch in der Schweiz für die gesamte Schweiz verantwortlich. Nun gibt es Kritik der UNO, harte Kritik auch vonseiten der Europäischen Union. Besorgt Sie das ein wenig?

    Reimann: Wir müssen natürlich jetzt eine offensive Informationspolitik machen und klar machen, dass wir hier die direkte Demokratie haben, wo das Volk schlussendlich das letzte Wort hat und die oberste Entscheidungsinstanz vom Land ist, und dass man diese Entscheide auch so respektieren muss.

    Müller: Sie werden also darauf bestehen, dass das Minarett-Verbot definitiv in die Schweizer Verfassung kommt?

    Reimann: Auf jeden Fall. Die direkte Demokratie bei uns, das ist nicht irgendwie ein Theater, man lässt das Volk mal abstimmen und am Schluss kommt da was anderes heraus, sondern da gilt der Volksentscheid und der wird auch so umgesetzt werden müssen. Da kann man nicht jetzt per Gericht diesen Entscheid wieder umstoßen.

    Müller: Könnte der Image-Schaden für die Schweiz ein ganz großer werden?

    Reimann: Das kann ich mir nicht vorstellen. Wie gesagt, in der Bevölkerung, da gibt es auch sehr viel Zustimmung, und mich würde sehr interessieren, wenn man in Deutschland eine Volksbefragung machen würde zu einem Minarett-Verbot, dann gäbe es da bestimmt auch eine hohe Zustimmung. Von daher glaube ich, diese Kritik, die kommt eher von den Eliten und weniger von der Basis.

    Müller: Das heißt, in der Schweiz ist die politische Elite genauso weit entfernt, wie die politische Elite auch in Deutschland von der Bevölkerung entfernt ist?

    Reimann: Ob sie in Deutschland entfernt ist, das kann ich nicht beurteilen, aber bei uns ist sie es auf jeden Fall. Es waren ja fast alle Parteien, die Landeskirchen, alle Verbände, die Wirtschaft gegen die Initiative, und trotzdem hat die Mehrheit der Bevölkerung sich getraut, mit Ja zu stimmen.

    Meurer: Das war Lukas Reimann von der Schweizerischen Volkspartei, Mitinitiator des Referendums gegen den Bau von Minaretten, gestern Abend im Gespräch mit meinem Kollegen Dirk Müller.