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"Wir würden trotzdem die Gespräche suchen mit der FDP"

"Wollen sie also Verantwortung übernehmen, oder wollen sie es nicht", fragt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Klaas Hübner, nach der Absage der FDP zu einer Ampelkoalition. Sollte die FDP zu ihrem Wort stehen, müsste die SPD "andere Optionen" suchen.

Klaas Hübner im Gespräch mit Bettina Klein | 21.09.2009
    Bettina Klein: Und wir kommen zu einer weiteren wichtigen Frage in diesem Wahlkampf. "Bye Bye Ampelkoalition!" Nach dem FDP-Parteitag gestern und der Aussage von Guido Westerwelle ist klar: diese Option, an die Regierung zu kommen, besteht für die Sozialdemokraten nicht mehr. Was nun? - Die Frage geht an Klaas Hübner, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag. Ich grüße Sie, Herr Hübner.

    Klaas Hübner: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Die FDP hat klar eine Ampelkoalition ausgeschlossen. Bleibt Ihnen aber ja immer noch das Prinzip Hoffnung, damit Frank-Walter Steinmeier Kanzler wird.

    Hübner: Nun, wir wollen ganz klar verhindern, dass Schwarz-gelb eine Mehrheit hat in diesem Land. Ich begreife diesen Beschluss der FDP als einen taktischen Beschluss dahingehend, dass sie versuchen wollen, noch einmal aus dem konservativen Lager der CDU für sich Stimmen zu gewinnen. Ich glaube, am Sonntagabend um 18:01 Uhr wird die Welt anders aussehen. Dann wird es darauf ankommen: Wer ist bereit, in diesem Land Verantwortung zu tragen. Sollte es für Schwarz-gelb nicht reichen, ist dann die Frage an die FDP zu stellen: Wollen sie das mit verhindern, was sie immer gesagt haben, nämlich eine Wiederauflage der Großen Koalition, wollen sie also Verantwortung übernehmen, oder wollen sie es nicht. Wir sind dazu bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wenn die FDP dazu nicht bereit sein sollte, werden wir uns der Verantwortung aber trotzdem stellen. Wir werden uns nicht davonstehlen, wir werden nicht ins Kloster gehen, wir müssen dann andere Optionen anwenden.

    Klein: Das, was Sie jetzt "Verantwortung übernehmen" nennen, Herr Hübner, heißt bisher "Umfallen der FDP" und darauf, um noch mal nachzufragen, setzen Sie, dass das passieren wird am Sonntagabend?

    Hübner: Nein. Ich setze darauf, dass wir Schwarz-gelb verhindern, weil ich glaube, dass das für die gesamte Gesellschaft in diesem Lande nicht gut wäre, dass es den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden würde. Ich kann nur sagen für uns als SPD, wir werden mit diesem Ergebnis verantwortungsvoll umgehen. Wir würden trotzdem die Gespräche suchen mit der FDP. Sollte die FDP sich dann dort verweigern, werden wir andere Gespräche suchen müssen. Das liegt aber nicht an uns, das liegt an der FDP an der Stelle.

    Klein: Mit wem würden Sie denn noch Gespräche suchen wollen, Herr Hübner?

    Hübner: Ich würde sie natürlich nach wie vor suchen wollen.

    Klein: Mit wem, war meine Frage, würden Sie denn noch Gespräche suchen?

    Hübner: Ansonsten, wenn das mit der FDP nicht funktioniert, bleibt uns ja nur übrig, mit der Union Gespräche zu führen. Das heißt, es läge an der FDP, hier das zu tun, was sie immer gesagt haben, sie wollen die Große Koalition beenden. Das können sie möglicherweise mit uns am Sonntagabend tun. Wenn sie es nicht tun wollen, werden wir nicht ins Kloster gehen, werden wir uns nicht der Verantwortung entziehen, dann müssten wir halt andere Gespräche führen, in diesem Fall dann halt mit der Union, um eine stabile Regierung hier aufzubauen.

    Klein: Herr Hübner, die Frage nach Kloster stellt sich vielleicht auch nicht so bei Bundestagswahlen. Sie haben gerade noch mal gesagt, Ihr Hauptziel ist es, Schwarz-gelb zu verhindern. Das hören wir ja auch den ganzen Wahlkampf. Das ist aber etwas anderes, als ein Ziel auszugeben, Frank-Walter Steinmeier will Kanzler werden, oder ist das zu den Akten gelegt?

    Hübner: Nein. Wir wollen nach wie vor, dass Frank-Walter Steinmeier Kanzler wird. Darum kämpfen wir in erster Linie darum, selber so stark zu werden wie wir auch werden können. Sie haben ja nach den Konstellationen gefragt, die sich danach ergeben sollten. Wenn wir die stärkste Partei werden in diesem Bundestagswahlkampf, dann würden wir natürlich mit Frank-Walter Steinmeier sowieso den Bundeskanzler stellen. Sollten wir das aber nicht werden, dann ist in der Tat die Frage, kriegen wir eine Ampelkoalition hin, das heißt will die FDP bei uns mitmachen. Wenn nicht, muss man der Realität nun einmal ins Auge schauen. Darum ist für uns erste Priorität: Wir wollen so stark wie irgend möglich werden, damit wir einen sozial gerechten Ausgleich in diesem Land auch weiterhin mit organisieren können.

    Klein: Herr Hübner, Sie setzen weiterhin auf Rot-grün. Das nun ist aber weiter weg von Prognosen als irgendwas, was wahrscheinlich erscheint. Also es bleibt doch das Prinzip Hoffnung übrig?

    Hübner: Nein. Wissen Sie, die Prognosen haben sich auch in den vergangenen Wochen und auch schon bei den letzten Landtagswahlen nicht immer als richtig herausgestellt. Wir setzen einfach darauf - und das muss eine Partei übrigens auch tun -, wir setzen darauf selber so stark wie irgend möglich zu werden, und wir sagen den Menschen sehr klar, wir werden dann mit dem Ergebnis, was dann herauskommt am Sonntag, verantwortungsvoll umgehen und wir werden uns einer Regierungsbildung, so sie denn ohne uns nicht möglich ist, was wir anstreben, in gar keinem Fall entziehen. Das ist unsere Aussage.

    Klein: Das heißt, wir werden nicht erleben, was wir 2005 erlebt haben, dass Ihr Parteivorsitzender sagt, Frau Merkel, nun lassen Sie aber mal die Kirche im Dorf, mit meiner Partei wird es keine Koalition unter Ihrer Führung geben? Da haben wir doch etwas anderes zu erwarten, oder?

    Hübner: Das war damals nicht unser Parteivorsitzender, sondern unser Bundeskanzler.

    Klein: Aber immerhin!

    Hübner: Gerhard Schröder, der seinerzeit an einem ja sehr denkwürdigen Abend, in einer sehr denkwürdigen Situation diese Aussagen getroffen hat. - Nein, ich glaube schon, dass wir am Sonntagabend mit Augenmaß und mit Klarheit dann die Situation analysieren werden. Ich will nicht vorweggreifen, was der Wähler am Sonntag zu entscheiden hat, aber ich glaube schon, dass wir als Sozialdemokraten sehr, sehr klar uns zu unserer Verantwortung bekennen werden und die dann eingetretene Situation auch sehr klar bewerten werden.

    Klein: Herr Hübner, Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Thomas Oppermann spricht von einer illegitimen Mehrheit für den Falle, dass es für Schwarz-gelb reicht am Sonntag, dank vieler Überhangmandate für die CDU. Sollte es so kommen am Sonntagabend, wird die SPD dann versuchen, dieses Ergebnis anzufechten?

    Hübner: Anfechten werden wir es nicht können, weil das Bundesverfassungsgericht zwar gesagt hat, dass die Überhangmandate verfassungswidrig sind, aber gleichzeitig dem Parlament eine Chance gegeben hat, bis 2011 das zu korrigieren. Aber wir werden es anprangern, denn es ist eine gute alte Tradition in Deutschland, dass die Zweitstimme als sogenannte Kanzlerstimme zählt. Das heißt, mit der Zweitstimme soll entschieden werden, welche Konstellationen in diesem Land regieren sollen. Wenn man über Überhangmandate jetzt, nachdem das Bundesverfassungsgericht ein anderes Urteil gesprochen hat, dann versuchen würde, dieses Zweitstimmenergebnis einfach sozusagen zu überflügeln oder neu zu definieren, dann würde, glaube ich, ein Vertrauensschaden eintreten in die Demokratie in Deutschland. Deswegen ist davon dringend abzuraten, und zwar egal welche Partei es ist, wenn sie nur über Überhangmandate eine Mehrheit bekommen sollte, diese auch wirklich dann für sich für eine Kanzlerschaft in Anspruch zu nehmen.

    Klein: Volker Beck sagt, die Sozialdemokraten sollten besser nicht Krokodilstränen vergießen, sie hätten gemeinsam mit den anderen Parteien, nämlich mit der Linken und mit den Grünen, durchsetzen können, dass diese Änderung noch vor den Wahlen umgesetzt wird.

    Hübner: Nein. Wir haben uns leider nicht mit der Union auf ein neues Wahlrecht einigen können. Ein neues Wahlrecht, glaube ich, sollte auch einen breiten Konsens im deutschen Parlament haben, der alle Parteien mit umfasst. Wir sind in einer Koalitionsvereinbarung, wo wir uns klar daraufhin verabredet haben zu sagen, wir werden unsere Anträge gemeinsam einbringen. Wir hätten gerne ein neues Wahlrecht eingebracht, die Union war dazu nicht bereit, und deswegen haben wir die Situation, wie wir sie jetzt heute haben.

    Klein: Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Klaas Hübner war das im Gespräch mit dem Deutschlandfunk heute Morgen. Danke, Herr Hübner, für das Gespräch.

    Hübner: Danke Ihnen auch.