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Wirtschaftsentwicklung
"2014 ist relativ robust"

Der Optimismus im Hinblick auf die Entwicklung der deutschen Wirtschaft im kommenden Jahr ist berechtigt, sagt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft. Die Prognose eines Export-Rekordjahres habe ihn nicht überrascht. Die Exporte seien der "starke Motor" der deutschen Wirtschaft.

Michael Hüther im Gespräch mit Ursula Mense | 27.12.2013
    Ursula Mense: Zunächst beschäftigt uns die gute Stimmung in der Wirtschaft. Sie blickt nach der jüngsten Branchenumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft so zuversichtlich in die Zukunft wie schon lange nicht mehr. Die robuste Konjunktur macht es möglich. Allerdings: auch die Skepsis bleibt, und zwar die der neuen Regierung und ihren schwarz-roten Plänen gegenüber. Über beides, den Optimismus und die Sorgen, möchte ich nun sprechen mit Professor Michael Hüther, dem Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, den ich jetzt am Telefon begrüße.
    Michael Hüther: Ich grüße Sie.
    Mense: Herr Hüther, der Optimismus der Firmen ist auch aus Ihrer Sicht berechtigt?
    Hüther: Er ist berechtigt, weil er zum einen reflektiert die gute Wettbewerbsposition der deutschen Unternehmen. Sie sind auf den Weltmärkten hervorragend aufgestellt. Mit den industriellen Gütern sind wir in der Lage, den Schwellen- und Entwicklungsländern das zu liefern, was sie im Aufholprozess benötigen. Wir sind auch beteiligt an dem Re-Industrialisierungsprozess in Nordamerika aufgrund geringer Energiekosten, und in Europa Drumherum das Feld hat sich auch stabilisiert. Ja und selbst zu Hause in Deutschland haben wir eine sehr robuste Inlandsnachfrage. Insofern ist dieser Optimismus hier und heute berechtigt.
    Mense: Wir haben auch heute gehört, die Wirtschaft rechnet im nächsten Jahr mit einem neuen Rekord beim Export, mit einem Plus von mehr als vier Prozent. Das sind Zahlen des DIHK. Das hat Sie nicht überrascht?
    Hüther: Nein, das hat mich nicht überrascht, denn wir sehen, dass diese Außenseite weiter läuft. Das ist der starke Motor. Aber es verlagert sich halt zur Inlandsnachfrage hin. Das hat damit zu tun, dass die Beschäftigung stabil bleibt, und das ist die beste Gewähr für eine gute Konsumsituation.
    "Fehler macht man, wenn es einem sehr gut geht"
    Mense: Uns geht es im Grunde genommen ziemlich gut, vor allen Dingen, wenn man nach Europa blickt. Die Konjunktur ist gut, die Wirtschaft auch zufrieden. Aber es gibt auch Teile in der Wirtschaft, zumindest die Bedenken haben der neuen Regierung und ihren Weichenstellungen gegenüber. Herr Hüther, kann denn die Umsetzung des Koalitionsvertrages die positiven Aussichten für eine gute Konjunktur 2014 und den Optimismus generell trüben?
    Hüther: Nun, da muss es für die kurze Frist schon ganz dick hageln. Es sind eher die Bedenken, die in die mittlere Frist, in die gesamte Legislaturperiode hineinweisen, denn das, was man ja vorhat, beispielsweise in der Rentenreform, beispielsweise in dem veränderten Regelwerk für den Arbeitsmarkt, aber auch die Energiewende, reifen sich natürlich erst in den nächsten Quartalen und Jahren aus. Insofern: Man kann davon ausgehen, 2014 ist relativ robust. Die eigentliche Frage ist, was tun wir in so einer guten Situation. Und jeder weiß: Fehler macht man ja nicht dann, wenn es einem schlecht geht, wenn man wirklich überlegen muss, wie man vorankommt, sondern dann, wenn es einem sehr ordentlich, sehr gut geht. Das, habe ich so ein bisschen den Eindruck, ist auch gerade die Situation in der politischen Debatte.
    Mense: Bleiben wir mal beim Stichwort Energiewende. Zurzeit nimmt ja auch die EU die EEG-Umlage unter die Lupe. Das heißt, es gibt ein Untersuchungsverfahren gegen Deutschland, weil sie vermutet, dass die Befreiung der zurzeit energieintensiven Betriebe - es sind circa 1.800; das ist ja auch eine Menge - von der EEG-Umlage gegen Wettbewerbsrecht verstoße. Für den Fall der Fälle: Rechnen Sie denn dann mit hohen Nachzahlungen für viele Firmen?
    Hüther: Das ist letztlich eine politische und juristische Frage. Das kann drohen. Auf der anderen Seite: Die Argumentation von deutscher Seite ist ja durchaus überzeugend, denn wir können darauf hinweisen, dass ja diese Unternehmen nicht begünstigt werden, sondern sie werden von einer Zusatzlast gegenüber der Situation ausländischer Unternehmen befreit. Sie haben also nur eine vergleichbare Position, es wird hier kein Vorteil verschafft. Es ist eine reine Inlandsbetrachtung, die die Unterschiede deutlich macht, aber auf die europäische Marktsituation hin gewinnen die Unternehmen keinen Vorteil. Es bleibt gerade mal neutral, dass sie dann diese EEG-Umlage nicht zahlen müssen.
    "Energiekosten für Unternehmen müssen gesenkt werden"
    Mense: Weil der Industriestrom bei uns teurer ist?
    Hüther: Genau. Wir haben den höchsten Industriestrom und das sind ja Sonderabgaben, die es nur am Standort Deutschland gibt, und man macht unseren Unternehmen, gerade den energieintensiven - das sieht man auch in unserer Befragung - durchaus tiefe Sorgen in die nächsten Jahre hinein, denn mit den Energiekosten, das sagt auch selbst Energiekommissar Oettinger, werden wir unsere industrielle Basis nicht in die Zukunft führen können.
    Mense: Nach welchen Kriterien sollten denn dann die Unternehmen zukünftig befreit werden, denn so wird es ja offenbar nicht bleiben?
    Hüther: Es wird generell um die Frage gehen, wie hoch muss die EEG-Umlage sein, und damit ja welche Einspeisevergütungen - wir müssen das Subventionsthema ändern, also die Frage, wie bei der Fotovoltaik oder bei der Windenergie müssen wir technologiespezifisch fördern, ist es sinnvoll, eine Absatzgarantie mit einer Preisgarantie zu verbinden. Das hat Fehlanreize, das führt ja zu diesen Überinvestitionen, das muss geändert werden. Es muss europatauglich werden, es muss vor allen Dingen mit einer klaren Mengenvorgabe strukturiert sein, denn dann wissen auch die konventionellen Energieversorger - denn die brauchen wir ja auch: Wir haben ja 25 Prozent Erneuerbare, der Rest muss ja nun auch funktionieren -, brauchen wir auch für diese eine klare Investitionsperspektive. Deswegen ist so ein Quotenmodell, wie es die Fachleute nennen, da ganz wichtig. Also Europatauglichkeit, Technologieneutralität und klarere Rahmen.
    Mütterrente: Kein Gerechtigkeitsdefizit
    Mense: Jetzt rennt uns die Zeit davon. Kurz noch eine Frage zur Mütterrente. Da haben Sie ja auch sehr viel Kritik geübt. Was ist falsch daran, Mütter mit später geborenen Kindern nicht anders zu behandeln als die mit früher geborenen Kindern?
    Hüther: Es ist 1992 deshalb so geregelt worden, weil man damals mit der Rentenreform gerade für die jüngeren Jahrgänge viele Renteneinschnitte gemacht hat, um das ganze System demografiefest zu machen, und dann hat man systemkonform den Müttern mit jüngeren Jahrgängen als Ausgleich genau dieses richtige Instrument gewährt. Es gibt aber mit Blick auf ältere Jahrgänge überhaupt gar kein Gerechtigkeitsdefizit, weil die älteren Jahrgänge all die normalen Leistungsansprüche haben. Hier ist ein bisschen eine Schimäre aufgemacht worden. Wünschbar ist vieles, notwendig ist es nicht.
    Mense: Professor Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.