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Wirtschaftsexperte fordert verbindliche Boni-Regelungen

Professor Christoph Schalast, Wirtschafts- und Europarechtler an der Frankfurt School of Finance an Management, begrüßt den deutsch-französischen Vorstoß für strengere Boni-Regeln bei Managern. Entscheidend sei, beim G20-Treffen im September in Pittsburgh einheitliche Regelungen für alle wichtigen Wirtschaftsstandorte zu erzielen.

27.08.2009
    Christoph Heinemann: Frankreich handelt, Deutschland denkt nach. So hat nicht eben schmeichelhaft für Angela Merkel der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy einmal die Arbeitsteilung zwischen ihm und seiner Ansprechpartnerin im Osten beschrieben.

    In der Diskussion über Bonuszahlungen für Führungskräfte im Bankenwesen trifft das zu. Nicolas Sarkozy möchte Obergrenzen für Boni einführen und diesem Zuckerbrot auch die Peitsche zur Seite stellen. Fehlleistungen von Bankunternehmern sollen mit Mali bestraft werden, sodass die Nieten unter den Nadelstreifenträgern den Ort ihres Scheiterns künftig nicht wie bisher üblich mit vollen Taschen verlassen. Die Bundesregierung prüft wohlwollend, Zeitungen sprechen gar schon von einem deutsch-französischen Vorstoß.

    Am Telefon ist Professor Christoph Schalast, Wirtschafts- und Europarechtler an der Frankfurt School of Finance an Management. Guten Tag!

    Christoph Schalast: Guten Tag, Herr Heinemann.

    Heinemann: Professor Schalast, rechthaberische Regulierungswut, oder vernünftiger Vorschriftsrahmen, um zwei Begriffe eines Kommentars der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von heute aufzunehmen. Wie ordnen Sie Nicolas Sarkozys Vorschläge ein?

    Schalast: Sein Vorschlag ist ja im engen Zusammenhang mit ähnlichen Vorschlägen, die wir auch in Deutschland teilweise schon umgesetzt haben, zu sehen. Gerade ist das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütungen in Kraft getreten und dort werden ganz ähnliche Vorstellungen entwickelt, eben vor allem für Vorstände. Warum soll das nicht auch für andere Mitarbeiter gelten, die durch Boni intensiviert werden.

    Heinemann: Sind Obergrenzen für Boni national durchsetzbar?

    Schalast: Na ja, richtige Obergrenzen sind ja im Augenblick nicht in der Diskussion.

    Heinemann: Bei Sarkozy schon!

    Schalast: Ja, er hat das ins Gespräch gebracht. Ich glaube, in Deutschland wird das aber, denke ich, aus vernünftigen Gründen letztendlich nicht umgesetzt werden. Was ich für sinnvoll halte ist eine sage ich mal Anbindung an das eigentliche Sockelgehalt, dass man sagt, dass ein Bonus eben nicht mehr als vier-, fünfmal oder x-mal so viel betragen darf wie das Sockelgehalt, also dass da ein Cap nach oben vorgesehen wird. Das ist ja auch in dem neuen deutschen Gesetz so verankert. Das ist eine Möglichkeit. Interessant finde ich auch seinen Vorschlag mit dem Malus. Da muss man sich nur überlegen, wie man das rechtlich umsetzen kann.

    Heinemann: Warum keine Obergrenzen?

    Schalast: Na ja, absolute Obergrenzen sind natürlich sehr schwer im internationalen Maßstab durchzusetzen. Sie können dazu führen, dass im sage ich mal Wettbewerb zwischen den verschiedenen Finanzstandorten Deutschland oder auch Frankreich ins Hintertreffen kommt, wenn die anderen Länder nicht mitziehen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Länder wie die USA oder das Vereinigte Königreich absolute Obergrenzen akzeptieren.

    Heinemann: Das heißt, Sie glauben nicht, dass Nicolas Sarkozys Vorschläge für einen gemeinsamen Vorstoß etwa beim G-20-Treffen im September in Pittsburgh taugen?

    Schalast: Ich glaube, dass sie nicht vollständig umgesetzt werden können. Das wirklich besondere ist aber jetzt, dass Deutschland und Frankreich gemeinsam vorgehen, eine gemeinsame Initiative starten. Die Frage ist jetzt, wie sich Gordon Brown dazu verhalten wird. Was aber ganz klar ist: Wir brauchen eine Regelung, die nicht nur innerhalb der EU gilt, sondern darüber hinaus an allen zentralen, an allen wichtigen Wirtschaftsstandorten, eben auch vor allem in den USA, damit es eben nicht eine Bewegung gibt, dass man versucht, seinen Standort in das Land zu verlegen, das die liberalsten Boni-Regelungen hat. Das wäre eine Gefahr und das ist natürlich auch attraktiv für Länder, die möglichst viele Geschäfte zu sich herüberziehen wollen.

    Heinemann: Wieso kommen Angelsachsen und Kontinentaleuropäer in dieser Frage zu unterschiedlichen Antworten?

    Schalast: Zunächst einmal kommen sie, glaube ich, aus einer ganz anderen Haltung. Für Angelsachsen ist Regulierung an sich gerade in diesem Bereich, der ja wirklich dem Privatrecht zuzurechnen ist und durch Individualvereinbarungen über die Privatautonomie geprägt ist, etwas Fremdes. Wir kennen das aus Bereichen wie Verbraucherschutzregeln und so weiter schon sehr viel länger und das ist dem kontinentaleuropäischen Recht einfach auch näher. Insoweit reden wir hier schon sage ich mal über eine historische Grenze hinweg, wenn wir eine gemeinsame Lösung finden wollen.

    Heinemann: Aber wir reden ja nicht im luftleeren Raum, sondern vor dem Hintergrund einer Krise.

    Schalast: Das ist keine Frage. Nur Sie haben es ja auch in Ihrem Beitrag eingangs zurecht gesagt: Die Boni sind sicherlich ein Phänomen dieser Krise, sie sind aber ganz bestimmt nicht die Ursache der Krise. Die Ursache der Krise liegt woanders und da muss man sie auch bekämpfen. Man muss hier möglicherweise die Eigenkapitalvorschriften für die eigene Handelstätigkeit entsprechend anpassen; das wird ja auch im Augenblick diskutiert. Die Boni muss man auch angehen, aber sie sind ein Symptom, sie sind nicht die Wurzel.

    Heinemann: Gleichwohl bildeten ja die Boni die Wurst, die den Zockern vor der Nase hing.

    Schalast: Na ja, aber die Zocker hätten nicht zocken können, wenn ihnen nicht ansonsten von ihren Häusern dazu die Möglichkeiten zur Verfügung gestellt wurden. Sie durften zocken, obwohl das Eigenkapital nicht ausreichend vorhanden war und so weiter. Das muss man schon sich genauer anschauen. Es gibt Probleme im Risk-Management. Ich denke schon, dass man die Boni - - Die Boni sind sehr leicht auch in der Diskussion nach außen als eine der erkennbaren Ursachen darzustellen. Sie sind auch mit verantwortlich, aber ganz bestimmt nicht die Hauptursache.

    Heinemann: Professor Schalast, sollten sich Boni an den Leistungen über mehrere Jahre orientieren, also erst fällig werden, wenn ein Manager gezeigt hat, dass er dauerhaft segensreich im Sinne seiner Bank gewirtschaftet hat?

    Schalast: Auf jeden Fall! Das ist ganz sicher notwendig und das ist auch in der deutschen Diskussion inzwischen, denke ich mir, Konsens und es wird auch international so umgesetzt werden. Das Entscheidende ist aber, dass es auch wirklich verbindlich gemacht wird, dass es eben nicht nur Selbstverpflichtungen sind, sondern dass es wirklich verbindliche Gesetze sind, die das entsprechend festlegen.

    Heinemann: Und vielleicht auch international verbindlich. – Was geschieht denn, wenn sich die G-20 nicht einig werden?

    Schalast: Wir haben ja keinen internationalen Gesetzgeber. Wir haben einen europäischen Gesetzgeber – großer Vorteil für die 27 EU-Staaten -, es gibt aber keinen Rahmen für eine international verbindliche Gesetzgebung. Das heißt, die G-20 können sich nur verpflichten, das jeweils in ihren nationalen Rechtsordnungen umzusetzen.

    Heinemann: Und wenn ihnen das nicht gelingt?

    Schalast: Wenn ein Land wie Russland das nicht umsetzt oder andere, ist das nicht so schlimm, weil das eben kein zentraler Finanzstandort ist, aber wenn einer der weltweit wichtigsten Finanzstandorte – ich nehme jetzt mal die USA – nicht mitzieht, dann haben wir ein Problem, weil wir dann unterschiedliche Standards haben, und dann muss man einfach überlegen, wie man darauf national reagieren kann. Aber ich kann mir das nicht vorstellen. Ich glaube, wir werden in Pittsburgh zu einem Kompromiss kommen.

    Heinemann: Problem hieße konkret Wettbewerbsnachteile?

    Schalast: Ja, klar, ein Wettbewerbsnachteil für europäische Banken.

    Heinemann: Professor Schalast, hinter dem Regelungswillen verbirgt sich ja der Vorwurf – wir haben Angela Merkel gerade eben gehört -, viele Besserverdienende im Bankengewerbe würden weiterhin mit Geld zu risikoreichen Anlageformen geködert. Trifft das zu? Hat ein bedeutender signifikanter Teil der Branche nichts gelernt?

    Schalast: Ich glaube, das ist nicht zutreffend. Viele Banken – Beispiel ist die Commerzbank – haben ihr Boni-System aufgrund der Krise vollständig umgestellt, andere arbeiten daran. Es gibt halt immer noch Verträge, die wirksam sind, die auf dem alten System beruhen, und die kann man nur langsam umstellen. Altes Prinzip ist ja: Verträge müssen eingehalten werden. Insoweit dauert dieser Prozess natürlich. Aber ich denke, die Banker haben gelernt.

    Heinemann: Nun gibt es ja noch die Idee, Boni können so bleiben wie sie sind, aber sie werden halt eben extrem hoch besteuert.

    Schalast: Ja.

    Heinemann: Und?

    Schalast: Das ist letztendlich nichts anderes, als dass man trotzdem ein Cap oben auflegt, ein absolutes Cap. Das ist nur eine andere Form, dieses rechtlich umzusetzen. Ob man das für sinnvoller hält, ist eine andere Frage. Ich habe klar gesagt, ich halte es nicht für sinnvoll.

    Heinemann: Meint Professor Christoph Schalast, Wirtschafts- und Europarechtler der Frankfurt School of Finance and Management. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Schalast: Sehr gerne. Tschüß!