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Wirtschaftsfaktor Fußball
Wie Städte von der Bundesliga profitieren

Im Schnitt rund 40.000 Zuschauer besuchen jedes der 306 Saisonspiele in der Fußball-Bundesliga, dazu kommen Millionen, die über Rundfunk und Fernsehen dabei sind. Doch längst ist aus Fußball mehr geworden als die Faszination von Taktik und Toren. Er ist ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor.

Von Matthias Friebe | 13.03.2014
    Die Teilansicht des Wolfsburger Stadions zeigt eine Ecke des mehrstöckigen Gebäudes, dessen überhängendes Dach grün angestrahlt ist.
    Das Stadion des VfL Wolfsburg im Jahr 2010 (dpa / Jens Wolf)
    Wenn Woche für Woche hunderttausende Fans in die Stadien pilgern, dann wird aus dem Fußball, dem liebsten Hobby vieler Deutschen, auch ein wirtschaftlicher Faktor von enormem Gewicht. Eine McKinsey-Studie von 2010 belegt, mehr als fünf Milliarden Euro Wertschöpfung erzeugt der Profifußball Jahr für Jahr in Deutschland. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt einer mittleren deutschen Großstadt. In direktem Zusammenhang mit dem Fußball stehen demnach rund 110.000 Jobs. Und noch mehr: Netto fließen abzüglich aller Abgaben 1,5 Milliarden Euro Steuern dem deutschen Staat zu.
    Das sagen die abstrakten Zahlen, wie groß ist aber der Effekt für die einzelnen Städte? Sascha Schmidt vom „Institute for Sports, Business and Society“ der EBS-Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel hat genau das in einer aktuellen Studie am Beispiel der Stadt Wolfsburg und zuvor schon für Leverkusen untersucht.
    "Fußball bedeutet weit mehr als zusätzliche Steuereinnahmen für eine Stadt. Profifußball schafft mit dem Stadion ein Wahrzeichen für lokale Identität, mit den Spielern Vorbilder nicht nur für die Jugend, und das gesellschaftliche Engagement leistet einen Beitrag fern jeglicher kommunaler Haushaltsmittel."
    Fans beleben Stadion und Stadt
    Nicht nur den Vereinen dienen die Fans als Einnahmequelle, auch den Städten, die durch den Konsum vor allem der von auswärts angereisten Fans deutlich profitieren können.
    "Das waren in Wolfsburg in der letzten Saison etwa zehn Millionen, in Leverkusen sprechen wir da von etwa 15 Millionen pro Jahr. Weil die Fans natürlich mit dem Stadionbesuch auch vielfältige andere Freizeitaktivitäten verbinden und damit natürlich auch die Stadt und das ganze Umfeld profitiert."
    Diese Mehreinnahmen bedeuten für die Städte auch nach Abzug aller Ausgaben, wie beispielsweise durch erhöhte Bedürfnisse bei den öffentlichen Verkehrsmitteln, ein deutliches Plus.
    "Wenn man mal die Steuereinnahmen, die zusätzlich durch den Verein geschaffen werden, mit den Kosten, die für die Stadt entstehen, gegenüberstellt, und das haben wir in Leverkusen gemacht, haben wir hier einen Positivsaldo von 4,6 Millionen im Jahr."
    Gigantischer Werbewert
    Und das ist nach der Studie nicht einmal alles. Stadien werden zu Wahrzeichen, gelten als Vorzeigebauten einer Stadt. In Wolfsburg beispielsweise liegt das neue Stadion auf Platz zwei in der Beliebtheit, direkt hinter den charakteristischen Schloten der VW-Werke. Das Ansehen ganzer Städte hängt mit dem Proficlub zusammen, der zum Aushängeschild und Prestigeträger der Stadt wird. Ergebnis: Der "Werbewert", der "Marketingeffekt" für die Städte ist gigantisch:
    "Wie viele Anzeigen oder Spots müsste die Stadt schalten, um an einen ähnlichen Werbewert zu kommen, wie der, der durch die Stadt sowieso erzielt wird? Das waren konservativ gerechnet in Wolfsburg 1,2 Millionen pro Jahr, in Leverkusen sogar noch eine Million mehr. Ganz einfach dadurch, dass der Stadtname Teil des Clubnamens ist."
    Bis zu zehnmal so viele Steuereinnahmen wie Sonderausgaben für den Fußball, dazu der enorme Werbemehrwert. Klare Sache:
    "Unterm Strich ist es sicher ein lukratives Geschäft für eine Stadt, einen Profifußballclub zu beheimaten."
    Städte kommen Vereinen sehr entgegen
    Und deshalb ist die Politik häufig zu Zugeständnissen bereit. Kaiserslautern, eine Stadt, die ihren Bekanntheitsgrad fast ausschließlich dem 1. FC Kaiserslautern verdankt, ist das beste Beispiel. Die chronisch klamme Kommune, eine der ärmsten Städte Deutschlands, hatte vor zehn Jahren das Stadion vom von der Pleite bedrohten Club durch eine neu gegründete Stadion-Gesellschaft übernommen und dafür selbst einen Kredit aufgenommen. Mit den Mietzahlungen des Vereins an die Stadt kann man so gerade die Bankzinsen begleichen. Die Stadion-Gesellschaft ist dadurch selbst in Schieflage geraten. Stadt und somit der Steuerzahler müssen ausgleichen.
    Noch augenfälliger werden die Zugeständnisse der Politik im Spiegel von Großereignissen wie Weltmeisterschaften. Der Weltfußball-Verband FIFA drängt die ausrichtenden Länder im Vorfeld zum Erlass sämtlicher Steuern. Auch 2006 in Deutschland. Hinzu kommen Investitionen der öffentlichen Hand in Millionenhöhe vor allem zur Verbesserung der Infrastruktur. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude sagte damals zu den Kosten beim Stadionneubau:
    "Dazu kamen 200 Millionen Euro, die in die Verkehrsinfrastruktur gesteckt worden sind, von der Erweiterung der Autobahn im Münchener Norden über die Nachrüstung der U-Bahn-Linie bis zum neuen Straßenanschluss. Daneben gab es noch Investitionen der Messe. Die hat zwei neue Messehallen gebaut, um das Medienzentrum unterbringen zu können. Also ein gigantisches Auftragsvolumen im Vorfeld."
    Profifußball als politischer Faktor
    Auch für die geplante Bewerbung um die EM 2024 plant der Deutsche Fußball-Bund die Beantragung der Steuerfreiheit. Doch egal ob WM oder EM, ob Wolfsburg, Leverkusen oder der Vorzeigeclub Bayern München mit Uli Hoeneß. Es zeigt sich: Profifußball ist nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern ein politischer Faktor. Das bestätigt auch die Studie von Sascha Schmidt:
    "Fußball ist sicherlich aufgrund seiner Breitenwirkung eine Plattform, die auch die Politik gerne nutzen möchte. Natürlich, in der heutigen Zeit, in der sich die Gesellschaft immer mehr individualisiert, sucht auch die Politik immer nach diesen Plattformen, um möglichst viele Menschen zu erreichen."