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Wirtschaftsinitiative gegen Brexit
Lockangebot an London

Der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel und der frühere Chef des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, haben eine Initiative gestartet, um Großbritannien noch vom Brexit abzubringen. Die EU soll den Briten einen "New Deal" anbieten. Ob die beiden wirklich glauben, sie könnten Premierministerin Theresa May umstimmen?

Von Friedbert Meurer | 25.01.2018
    Menschen fotografieren aus der Ferne die Banken-Hochhäuser in Londons Finanzdistrikt Canary Wharf
    Hans-Werner Sinn und Hans-Olaf Henkel geht es vor allem um die wirtschaftliche Zukunft Großbritanniens, Deutschlands und der EU (AFP/ Ben Stansall)
    "A New Deal for Britain" – das ist der etwas bombastisch klingende Name für die Initiative der beiden Emissäre vom Kontinent: Hans-Olaf Henkel und Hans-Werner Sinn. In der zehnten Etage eines gläsernen Hochhauses im Londoner Finanzdistrikt beschwören sie jedenfalls die wirtschaftliche Zukunft Großbritanniens, aber auch der EU und Deutschlands. Großbritannien sei die zweitgrößte Volkswirtschaft in der EU:
    "Das Ziel ist den allerletzten Versuch zu unternehmen, das Fiasko noch abzuwenden."
    "Der Schaden ist den Europäern nicht richtig bewusst. Und deshalb wollen wir, dass die EU noch einmal einen Versuch macht, den Briten einen Deal anzubieten."
    Was ist die richtige Taktik im Umgang mit den Briten? Henkel und Sinn wollen in ihrem "New Deal" anbieten, dass die EU den Briten bei der Freizügigkeit entgegenkommt. Sie soll zwar weiter gelten, aber Migranten innerhalb der EU sollen Sozialleistungen vorenthalten werden können. Und zwar nicht so halbherzig, wie die EU David Cameron angeboten habe. Der frühere Ifo-Chef Hans Werner Sinn will für das Lockangebot an London den passenden Zeitpunkt abwarten:
    "Es könnte sein, dass es dann doch zu einer größeren Kapitalflucht kommt, dass der Kurs der Währung abstürzt, dass dann irgendwelche Dinge passieren, die die Bevölkerung in Unruhe versetzen. Und dann ist der Zeitpunkt gekommen von der EU, um noch mal auf die Briten zuzugehen und ein besseres Angebot zu machen."
    Der Wirtschaftsexperte Hans-Werner Sinn
    Der Wirtschaftsexperte Hans-Werner Sinn (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Soll man Rosinenpickerei erlauben?
    Henkel und Sinn sprechen davon, die EU wolle Großbritannien bestrafen. Soll man ihnen denn aber Rosinenpickerei erlauben? Nein, das nicht, wehrt Hans-Werner Sinn ab. Aber wenn bedauerlicherweise die Briten vom Prinzip der freien Migration abfallen, soll man ihnen nicht auch noch den Freihandel kappen.
    Und was ist mit den Beiträgen, Norwegen zahlt doch auch für den Zugang zum Binnenmarkt? Das sei zweitrangig, Verhandlungssache - der finanzielle Schaden für den Handel in der EU sei jedenfalls viel größer:
    "Was ist denn das für eine EU, wo wir jemanden bestrafen müssen, um ihn drin zu halten? Also normalerweise sind solche Einrichtungen, wo man Leute bestraft, wenn sie austreten, Gefängnisse. Wir wollen doch die EU als ein Bündnis von Ländern, die gerne freiwillig miteinander zusammen etwas tun, was zum allseitigem Nutzen ist, und da muss man niemanden bestrafen."
    Henkel: EU verprellt selbst wohlmeinende Briten
    Der frühere BDI-Präsident und aus der AFD ausgetretene Europaabgeordnete Hans-Olaf Henkel ist kein Fan von Jean-Claude Juncker. Wie die EU-Kommission gegenüber den Briten auftrete, verprelle selbst wohlmeinende britische Politiker, die vormals noch dafür waren, dass Großbritannien in der EU bleibt.
    Hans-Olaf Henkel im Oktober 2014
    Hans-Olaf Henkel (picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    "Es gibt auch Remainer oder Leute, die einmal für Remain gestimmt haben, die sagen: Wenn die uns so behandeln, dann habe ich jetzt eigentlich meine Meinung geändert und jetzt müssen wir erst recht raus."
    Glauben die beiden allen Ernstes, sie könnten Premierministerin Theresa May umstimmen? Nein, die müsse jetzt den Volksentscheid umsetzen, was denn sonst. Aber irgendwie halten Henkel und Sinn doch das Wunder für möglich, dass die Briten sich dank ihres Deals vom Weg aus der EU heraus abbringen lassen.