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Wirtschaftskrise
IWF gewährt Ägypten Milliardenkredit

Mit Beginn der Umbrüche in der arabischen Welt im Jahr 2011 ging es mit Ägyptens Wirtschaft stetig bergab. Der Internationale Währungsfonds hat nun ein Hilfspaket im Umfang von zwölf Milliarden Dollar für Ägypten freigegeben. Doch nicht alle sind glücklich damit.

Von Björn Blaschke | 14.11.2016
    Pyramiden in Ägypten
    Bilder – Stereotype –, die über Ägypten kursieren, bestimmen auch das Verhalten von möglichen Investoren. (picture alliance / dpa / Foto: Mike Nelson)
    Mit Ägyptens Wirtschaft ist es ab Anfang 2011, nach Beginn der Umbrüche in der arabischen Welt, stetig bergab gegangen: Seit dem Sturz von Ex-Machthaber Husni Mubarak vor mehr als fünf Jahren machen Touristen und Investoren einen Bogen um Ägypten. Gleichzeitig gehen die Exporte zurück – zum Beispiel von Rohöl, Baumwolle oder Gemüse und Obst. So kommen kaum noch Devisen in das Land am Nil, obwohl es die dringend nötig hat, um die Importe bezahlen zu können. Weizen zum Beispiel. Diesem wirtschaftlichen Abwärtstrend soll nun ein Kredit des Internationalen Währungsfonds, kurz IWF genannt, entgegenwirken.
    "Standard and Poor’s" wertet Kreditwürdigkeit auf
    Zwölf Milliarden US-Dollar Kredit. Mit einer Laufzeit über drei Jahre und einer ersten Zahlung von fast drei Milliarden. Seit der IWF das zum Wochenende entschieden hat, präsentiert das ägyptische Fernsehen gute Nachrichten. Zum Beispiel, dass die Rating-Agentur "Standard and Poor’s" Ägyptens Kreditwürdigkeit aufgewertet hat von "negativ" auf "stabil".
    Nachrichten, die jedoch nicht jeden davon überzeugen, dass der IWF-Kredit gut ist. Einer der führenden Wirtschaftsexperten in Ägypten übt Kritik. Ahmed El-Sayed El-Naggar, der Leiter des Ahram-Centers für politische und strategische Studien in Kairo:
    "Sie haben versprochen Ägypten alles in allem zwölf Milliarden Dollar zu geben. Das ist nichts! Das bedeutet: Nichts! Das wird genutzt, um unser Defizit zu decken. Nicht mehr. Es ist nichts. Zwölf Milliarden können unsere Wirtschaft nicht anstoßen. Wir brauchen einen großen Schub."
    Höhere Kredite erforderlich
    Einen Schub so wie ihn Ende der 90er-Jahre – während der Finanzkrise in Asien – Thailand, Süd-Korea oder die Philippinen bekamen – mit IWF-Krediten, die deutlich höher waren als zwölf Milliarden. Zudem zweifelt Naggar daran, dass die Wirtschaftsreformen, die der IWF von Ägypten als Gegenleistung für den Kredit verlangt, sinnvoll sind. Zum Beispiel meint er, dass nicht alle Subventionen gestrichen werden sollten, weil damit die armen Ägypter getroffen würden.
    Auch steht der Wirtschaftswissenschaftler kritisch zur Abwertung des Ägyptischen Pfundes. Seinen Wechselkurs zu Euro oder Dollar setzte immer die Zentralbank in Kairo fest, bis der Kurs vergangene Woche freigegeben wurde:
    "Ich denke die beste Geldpolitik für Ägypten ist, wenn das Pfund solide kontrolliert wird: Alle drei Monate sollte der Kurs angepasst werden. Das Pfund muss berechenbar sein, auch wenn es abgewertet wird. Abwertung - aber berechenbar."
    Günstig für Touristen
    Das ägyptische Pfund ist jetzt dem Gesetz unterworfen, das auf viele andere Währungen angewendet wird: Angebot und Nachfrage bestimmen den Wert. Die ägyptische Führung hofft damit, internationale Unternehmen als Investoren zu locken: Früher wussten Firmenvertreter nie, was ihr Geld in Ägypten tatsächlich wert war; seit neuestem schon.
    Auch für Touristen soll der Schritt attraktiv sein, da sie im Urlaub mehr für ihr Geld bekommen werden. Doch Wirtschaftswissenschaftler Naggar hegt Zweifel daran, dass diese Geldpolitik aufgeht:
    "Das Problem ist Instabilität - nicht die Frage, wie viel das Geld wert ist. Ägypten war auch schon ein günstiges Reiseland bevor das ägyptische Pfund frei gegeben wurde. Selbstverständlich könnte die Abwertung des Pfunds jetzt mehr Urlauber anlocken - aber nur wenn die Preise das Problem wären. Doch die Bilder sind das Problem; die Bilder, die von Ägypten kursieren. Stereotype über (mangelnde) Freiheit, Sicherheit. Diese Stereotype müssen geändert werden - nicht die Preise; die sind nicht das Problem."
    Korrupt und übermäßig bürokratisch
    Bilder – Stereotype – bestimmen auch das Verhalten von möglichen Investoren. So gelten die Behörden als korrupt und übermäßig bürokratisch; beides Hürden für Investoren. Moderne Investitionsgesetze, die den Beamtenapparat umgehen, soll es geben; gibt es aber noch nicht:
    "Wirklich - das ist nicht vernünftig. Und ein modernes Investitionsgesetz wäre die Hauptreform, die es geben sollte. Ich denke nicht, dass die Freigabe des Pfunds eine Reform darstellt. Eine Reform wäre, wenn man nationale und internationale Investitionen erleichterte, auf diese Weise Firmen ansiedeln und Arbeitsplätze schaffen würde. Das wäre eine echte Reform."
    Wer Recht hat – der IWF mit seinen Forderungen und die ägyptische Führung, die die Forderungen umsetzt – oder Wirtschaftswissenschaftler Naggar mit seiner Kritik - das werden die Bilanzen in den kommenden Monaten zeigen.