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Wissenschaftsaustausch mit den USA
Entwurf für Visa-Gesetz in der Kritik

Jenen EU-Bürgern, die nach dem 1.3.2011 in Syrien, Irak, Iran oder Sudan waren, wird die Einreise in die USA künftig erschwert: Sie benötigen ein Visum. Deutsche Nahostwissenschaftler fürchten deshalb um den wissenschaftlichen Austausch mit den Vereinigten Staaten.

Von Axel Schröder | 23.12.2015
    In einer Tasse mit einem EU-Symbol steckt eine US-Fahne.
    In Zukunft müssen Wissenschaftler, die in den letzten fünf Jahren Syrien, den Iran, Irak oder den Sudan bereist haben, für jede Forschungsreise in die USA ein Botschafts-Interview führen sowie eine Gebühr von rund 200 Dollar zahlen. (picture alliance / ZB)
    Der akademische Austausch mit seinen Kollegen in den USA wird leiden, prophezeit Stefan Heidemann, Professor für Islam-Studien am Hamburger Asien-Afrika-Institut. Denn abwenden lässt sich die am 8. Dezember vom US-Repräsentantenhaus verabschiedete Verschärfung der Visa-Bestimmungen nicht mehr:
    "Die Zielrichtung dieser Initiative ist es, dass man radikalisierte Europäer mit Verbindungen zum Iran, Irak und zu Syrien aus dem Visa-Waiver-Programm ausschließt."
    Dieses Visa-Waiver-Programm erleichtert die Einreise in die USA. Ein persönliches Gespräch in der US-Botschaft in Berlin entfällt, der Einreiseantrag kann online gestellt werden. Aber in Zukunft, erklärt Stefan Heidemann, müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in den letzten fünf Jahren Syrien, den Iran, Irak oder den Sudan bereist haben, für jede Forschungsreise erstens ein Botschafts-Interview führen und zweitens eine Gebühr von rund 200 Dollar zahlen.
    Eingebracht wurde die Gesetzesinitiative schon im Frühjahr und fand damals eher wenig Beachtung. Das änderte sich nach dem Attentat von San Bernardino am 2. Dezember. Sechs Tage später wurde das Gesetz dann ohne vorgeschaltete Debatte mit großer Mehrheit beschlossen. Die verschärften Einreiseregeln gelten für alle USA-Besucher. Diejenigen, die aus beruflichen Gründen viel im Nahen und Mittleren Osten oder im Vorderen Orient unterwegs sind, treffen die Bestimmungen besonders hart, erklärt auch Günter Meyer, Professor an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz:
    "Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient habe ich allein in unserem Verband etwa 300 Wissenschaftler, die genau in diese Kategorie hineinfallen würden. Das sind Wissenschaftler, die eben nicht nur in den Ländern des Vorderen Orients arbeiten, sondern die auch regelmäßig bei der "Middle East Studies Association in North America" an den Jahrestagungen dort teilnehmen, weil dass das wichtigste Forum für den wissenschaftlichen Austausch ist."
    Günter Meyers Kollege Stefan Heidemann hofft trotzdem...
    " ... dass eben eine Diskussion und ein Diskurs zwischen nordamerikanischen und europäischen Kollegen nicht unterbrochen wird. Gerade in einer Situation, in der wir dieses Gespräch brauchen. Und das nicht nur auf der politischen Ebene von Terrorismus, sondern auch mit der Einbindung von Kollegen aus den nahöstlichen Universitäten.
    Betroffen sind, so die Schätzung, europaweit mehrere tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dass sich die verschärften Einreisebedingungen noch abwenden lassen, daran glauben Stefan Heidemann und Günter Meyer nicht. Möglich seien vielleicht noch Änderungen bei den Umsetzungsbestimmungen des Gesetzes, hofft Günter Meyer. Denkbar wäre, sich zwar auf die persönlichen Gespräche in den US-Botschaften einzulassen. Die dann erteilten Visa aber mit einer vier- und fünfjährigen Geltungsdauer zu versehen:
    "Dann hätten wir durchaus ein probates Mittel, wo sowohl die Bedürfnisse der US-Politik nach Sicherheit als auch das Maß der Belastung für europäische Wissenschaftler, wo diese Belastung dann im Endeffekt doch noch auf ein akzeptables Maß reduziert wird."
    Große Hoffnungen kann sich die europäische Scientific Community dabei aber nicht machen. Im Auswärtigen Amt ist die Problematik zwar bekannt. Und die Botschafter aller europäischen Länder haben in einer Stellungnahme vor einer allzu rigorosen Umsetzung des Gesetzes gewarnt. Davon würden, heißt es, Geschäftsleute, Journalisten oder Mitglieder von Hilfsorganisationen unverhältnismäßig hart getroffen. Von den Folgen für den freien akademischen Austausch ist in der Stellungnahme der Botschafter aber nicht die Rede.