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Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Trotz Reform nicht alles gut

Befristete Verträge, Teilzeitstellen, in denen Vollzeitengagement nötig ist und kaum Zeit für eigene Forschungen: Bisher hatten es junge Wissenschaftler im Unibetrieb schwer. Eine Reform des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes durch die schwarz-rote Koalition sollte das ändern. Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht die Reform jedoch kritisch.

Von Verena Kemna | 18.12.2015
    Blick in einen überfüllten Hörsaal.
    Doktorarbeit schreiben, selbst Seminare halten und nebenbei auch noch forschen? Viel Arbeit für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter mit Zeitvertrag. (picture alliance / dpa - Jan-Philipp Strobel)
    Kurzzeitverträge in Folge, keine berufliche Perspektive: Das sind die Leiden des sogenannten Uni-Prekariats. Alltagssorgen für den Berliner Informatikstudenten Benjamin Bisping:
    "Gerade für studentische Hilfskräfte ist es ja so, dass viele sich vorstellen können, später eine wissenschaftliche Karriere zu machen und aktuell sieht es so aus, dass man da eben nur sehr viel befristet angestellt ist und sich dann doch was Anderes suchen muss, weil es eben dauerhaft keine Stellen in der Wissenschaft mehr geben wird. "
    Der 27-jährige Masterstudent an der Technischen Universität Berlin finanziert sein Studium seit Jahren als studentische Hilfskraft. Er betrachtet die gerade verabschiedete Gesetzesnovelle zu Wissenschaftszeitverträgen als schwaches Licht am Ende des Tunnels. Künftig sollen studentische Hilfskräfte nicht wie ursprünglich vorgesehen vier, sondern sechs Jahre lang während des Studiums arbeiten dürfen. Was bisher unklar war, scheint jetzt geregelt. Die Jahre als studentische Hilfskraft werden nicht auf spätere Verträge als wissenschaftlicher Mitarbeiter während der Promotionszeit oder der anschließenden Post Doc Phase angerechnet.
    "Klar, je klarer die Gesetzeslage ist und je länger die Verträge sind, desto einfacher ist es, damit irgendwie halbwegs geordnet sein Studium zu finanzieren. "
    Unsichere Arbeitsverhältnisse für etwa zwölf Jahre
    Für die Zeit nach dem Studium sind bisher Einjahresverträge gang und gäbe. Das bedeutet unsichere Arbeitsverhältnisse für etwa zwölf Jahre. Zeit in der sich Wissenschaftler weiter qualifizieren sollen. Wer dann mit Anfang 40 noch immer keine Professur ergattert hat, muss den Traum von der wissenschaftlichen Karriere ganz aufgeben.
    Das rot-schwarze Gesetz soll Abhilfe schaffen. Arbeitsverträge für die Zeit nach dem Studium sollen künftig dem Qualifizierungsziel angemessen sein. Zu vage formuliert, erklärt die Bildungsgewerkschaft GEW.
    Auch der hochschulpolitische Sprecher der Grünen kritisiert, dass sich die Koalition nicht auf Mindestvertragslaufzeiten geeinigt hat. Die Novelle ist ein mit dem Koalitionspartner hart verhandelter Kompromiss, meint dagegen die SPD-Bundestagsabgeordnete Simone Raatz.
    "Also, ich hätte da auch gerne eine Konkretisierung gehabt, 'was ist angemessen'. Nun müssen wir sagen, wenn wir uns in einer ingenieurwissenschaftlichen Fakultät bewegen, dann ist sicherlich eine angemessene Zeit für eine Promotion, vier Jahre plus eins und ich denke, dass die Fachschaft dort genau weiß, was eine angemessene Zeit ist. Im Endeffekt stehen natürlich immer Gerichte offen, aber das ist glaube, ich der letzte Weg, den man gehen möchte. "
    Juristische Streitigkeiten befürchtet
    Dennoch befürchtet die Bildungsgewerkschaft GEW juristische Streitereien - Entwarnung seitens der Hochschulrektorenkonferenz. Dort sieht man Flexibilität und Dynamik des Wissenschaftssystems nicht gefährdet. Boris Gregorius ist an der Technischen Universität Berlin für Personalrecht zuständig, seine vorsichtige Einschätzung:
    "Für die Universitäten ist es natürlich eine Einschränkung der Flexibilität, das kann sich daraus ergeben. Die Intention ist natürlich, die wissenschaftlichen Mitarbeiter möglichst lange zu beschäftigen. Aber klar, das wird in der praktischen Abwicklung für die Unis nicht so einfach sein. Da muss man sich sicherlich neue Handhabungen überlegen. "
    Schließlich sollen die Universitäten künftig auch bei Projekten, die über Drittmittel finanziert werden, angemessene Arbeitsverträge ausstellen.
    Die SPD-Politikerin Simone Raatz ist selbst diplomierte Chemikerin. Sie ist zuversichtlich, dass sich die Abwanderung des wissenschaftlichen Nachwuchses noch aufhalten lässt.
    "Das schwächt unser Innovationssystem und insbesondere unser Wissenschaftssystem, da müssen wir dringend gegensteuern und ich glaube ein Aspekt, sind ordentliche Arbeitsbedingungen. "
    Wage Hoffnungen bleiben
    Eine vage Hoffnung für den Informatik-Studenten Benjamin Bisping. Er möchte seinen Plan von einer wissenschaftlichen Karriere nicht aufgeben obwohl er kein Träumer ist.
    "Von der Stelle wissenschaftlicher Mitarbeiter kommt man ziemlich unwahrscheinlich auf eine Professur und es gibt auch fast keine unbefristeten Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter, dann werde ich wohl was anderes machen müssen. Das rechne ich natürlich ein. "